Autohändler mit Fahrradgeschäft: Top oder Flop?

Die Geschäfte im Autohandel kommen unter Druck. Immer mehr Player wollen vom Neu- und Gebrauchtwagenhandel profitieren. Das zwingt Autohäuser, sich nach Alternativen umzusehen. Viele Betriebe entdeckten in den vergangenen Monaten den Fahrradhandel für sich. Wird das neue Geschäftsfeld für die Autohändler zum Flop?

Der Einstieg ins Fahrradgeschäft ist alles andere als ein Selbstläufer. Im Gegenteil. „Wer einsteigt, braucht Durchhaltevermögen. Geld verdient man erst später“, sagt Sven Strube. Er hat den Markt im Blick: aus Theorie und Praxis. Als Professor unterrichtet er an der Ostfalia Hochschule, zugleich hat er ein VW-Autohaus und einen Fahrradladen in Salzgitter.

Mit der Senger-Gruppe ist der erste Händler bereits nach wenigen Monaten wieder abgesprungen. Der Mercedes-, VW- und BYD-Händler schließt seine beiden Fahrrad-Standorte zur Jahresmitte. Statt Fahrräder will die Senger-Gruppe an den Standorten chinesische Autos verkaufen. In seinem Kerngeschäft hofft der Autohändler auf eine größere Rendite.

Dabei lassen sich mit Fahrrädern durchaus ordentliche Gewinne erzielen. Die Marge von E-Bikes bewegt sich auf dem Niveau eines kleineren Autos. 30 bis 40 Prozent sind drin. Bei einem durchschnittlichen Fahrrad-Preis von 1000 Euro lohnt sich das für einen Händler nicht. Anders sieht es bei E-Bikes aus, die 3000 Euro im Schnitt kosten.

Das gilt für einen Normalmarkt. Doch in den vergangenen Monaten war nicht nur der Automarkt kräftig unter Druck, sondern auch das Fahrradgeschäft. Ein größeres Angebot kam auf eine schrumpfende Nachfrage: „Nach den Lieferschwierigkeiten der Hersteller kamen viele Fahrräder auf einen Schlag“, so Strube. „Das hat viele Fahrradhändler stark getroffen: Es kam bei vielen Händlern zu Platz- und Liquiditätsproblemen.“

Laut Zweiradindustrieverband (ZIV) wurden im vergangenen Jahr in Deutschland rund vier Millionen Fahrräder und E-Bikes verkauft, ein Rückgang von mehr als 13 Prozent. Das betrifft vor allem Fahrräder (-21 Prozent auf 1,9 Millionen), aber auch E-Bikes (-5 Prozent auf 2,2 Millionen).

„Wir haben eine dramatischere Situation erwartet", sagte Uwe Wöll, Geschäftsführer beim Verbund Service und Fahrrad, jüngst bei der Vorstellung der Zahlen. Im Laufe des Jahres wollen die Händler ihre Läger leeren. Drei Viertel der Fahrradhändler geht davon aus, dass dies bis Jahresende klappt.

„Eine leichte Kaufzurückhaltung trifft derzeit auf ein Überangebot. Das führt zu hohen Nachlässen und Preisverfall“, sagt Strube. „Durch Nachlässe von bis zu 20 Prozent sind die Margen schlecht geworden.“ Das sei aber kein Effekt, der ein Jahrzehnt anhalte.

Es trifft vor allem die noch jungen Fahrradhändler. Und dazu gehören viele Autohändler: AVP Autoland, Gliniecke-Gruppe, Hülpert-Gruppe. Zahlreiche Top-100-Handelsgruppen erweiterten in den vergangenen Monaten ihr Angebot oder haben dies vor. Rückenwind gibt es von den Herstellern und ihren Töchtern: Viele bieten Fahrräder und E-Bikes unter ihrer eigenen Marke an, Volkswagen Financial Services will das Bike-Leasing massiv ausbauen.

„Als VW-Händler hilft uns hier der Einstieg der VWFS ins Bike-Leasing-Geschäft“, sagt Strube. Im Fahrradleasing sieht der Professor weitere Potenziale. „Gerade im Segment des Mittelstands und im öffentlichen Sektor hat sich das Angebot noch nicht durchgesetzt.“

Entsprechend helfen die Vorerfahrungen aus den Automobilvertrieb durchaus.  „Ein Vorteil von Autohändlern im Fahrradmarkt ist, dass sie mit Großkunden mehr Erfahrung haben“, ist Strube überzeugt.

Das kann Händlern helfen. Das vorhandene Know-how kann man nicht einfach übertragen: Der Markt funktioniert anders, man verkauft mehr aus dem Bestand als auf Bestellen und man braucht viel Fachwissen im Verkauf und Service, so Strube. Fahrradspezifisches Personal sei wichtig, aber schwer zu finden.

Das hat die Senger-Gruppe zu spüren bekommen. Und die Konsequenzen daraus gezogen. Statt Fahrrädern gibt es jetzt wieder Autos. Hier sieht der Handelsriese einfach bessere Chancen.

Aus dem Datencenter:

Verkäufe von Fahrrädern und E-Bikes in Deutschland