Autokauf: Wie KI zum "Gamechanger" wird

Wer ein neues Auto kaufen möchte, will besonders gut und umfassend beraten werden. Kunden erwarten maßgeschneiderte Angebote für ihre persönliche Situation, egal ob Familien-Van oder Sportwagen. Sie wollen schnelle Rückmeldungen auf dem bevorzugten Kanal, also per Chat, Mail oder Telefon und darüber hinaus einen umfassenden Service.

Künstliche Intelligenz (KI) wird daher ein immer größerer Helfer bei der Pflege und Verbesserung von Kundenbeziehungen. Gerade Anbieter von Dealer-Management-Systemen (DMS) nutzen künstliche Intelligenz zunehmend immer umfassender.

„Wir beschäftigen uns mit künstlicher Intelligenz bereits seit 1988 – und seitdem kontinuierlich in immer neuen Funktionen“, sagt Loco-Soft-Geschäftsführer Ralf Koke. Loco-Soft gehört zu den Marktführern für Software- und Dealer-Management-Systemen für Autowerkstätten, Autohäuser und den Handel. Im Gespräch mit der Automobilwoche legt Koke großen Wert auf die Differenzierung zwischen konventioneller künstlicher Intelligenz und generativer künstlicher Intelligenz.

So bildet konventionelle KI menschenähnliches Verhalten nach und kann spezifische Aufgaben erfüllen. Ihr Output speist sich 1:1 aus den Daten, die zuvor eingegeben wurden. Generative KI jedoch erzeugt aus den eingespeisten Daten völlig neue Inhalte, ist auf ihre Art kreativ und erstellt aus Text-, Sprach- und Bilddaten völlig neue Inhalte, anstatt vorhandene Daten nur abzurufen und zu analysieren.

Konventionelle KI nutzt Loco-Soft beispielsweise zur Dublettenprüfung, wenn ein Kunde neu im System angelegt wird. „Hier prüft unser DMS, ob die Kundin schon im System angelegt ist. Dabei können Zusammenhänge zwischen dem Namen und der Adresse von Bedeutung sein“, sagt Loco-Soft-Geschäftsführer Koke.

Im System wurde dafür extra die Spalte „Match“ eingefügt, in der gegebenenfalls eine Übereinstimmung angegeben werden kann. Dubletten seien laut Koke in vielen Betrieben ein Problem: „Sie führen zu doppelten Kundenanschreiben, falsch zugewiesenen Zahlungen und schwer nachvollziehbaren Historien.

Beim Einsatz von generativer KI wird es jedoch spannend. „Hier ist der Autohandel gerade dabei, seinen Weg zu finden“, sagt Jörg von Steinaecker. Er ist Berater und begleitet den Autohandel und -Service bei der digitalen Transformation. Von Steinaecker selbst bezeichnet generative KI aktuell als „overhyped“. Er sagt: „Wir ringen gerade noch um die guten Usecases, weil es einfach noch nicht genug gibt.“ In Zukunft jedoch sieht er aber sowohl in generativer als auch anderer KI großes Potenzial.

„Wir müssen, wenn es um generative KI geht, die Spreu vom Weizen trennen“, sagt von Steinaecker. Er meint damit, dass es nicht darum gehen kann, einfach einen KI-Textgenerator wie ChatGPT zu implementieren, weil es jetzt alle so machen. „Es gilt, sich den Usecase genau anzuschauen und zu hinterfragen, ob und wie man ihn mit KI verbessern kann. Dann muss die KI genau dafür angepasst werden“, so von Steinaecker.

So könnte man KI in den digitalen Verkaufsprozess integrieren. „Im Verkaufsprozess für Fahrzeuge sprechen wir oft vom ‚Mess in the Middle‘ – denn es gibt keinen linearen Prozess beim Autokauf, der wie im klassischen e-Comerce für alle Kunden gleich ist“, erläutert der Berater. So beginnen die einen mit der Google-Suche, die anderen wiederum surfen zuerst über verschiedene Webseiten von Autohändlern und wieder andere gehen physisch ins Autohaus und schauen sich um.

„Im Endeffekt kann die KI hier helfen, dass kein Kontaktpunkt im Kaufprozess außer Acht gelassen wird. Außerdem kann sie aus der Fülle von Daten herausfiltern, was der wahrscheinlich nächste Informationsschritt dieser Person ist und ihr ein personalisiertes Angebot dafür erstellen“, so von Steinaecker.

„Da wo es für den physischen Verkäufer schnell unübersichtlich wird, behält die KI den Überblick und findet sich in den Daten zurecht.“ Vorausgesetzt, die Datenlandschaft, auf der die KI aufsetzt, ist reichhaltig und gut gepflegt. Denn auch beim Einsatz von KI gilt: Wer die Daten hat, hat gewonnen.

Gerade teilen sich Google, die Hersteller, die Händler, Fahrzeugbörsen, Lead-Anbieter, App-Betreiber und einige mehr die Daten untereinander auf. Dies zu bündeln, kommt einer Mammutaufgabe gleich. „Das Agenturmodell der Autohersteller geht in diese Richtung, aber natürlich zu Gunsten der Hersteller“, sagt von Steinaecker.

Darüber hinaus schlägt von Steinaecker eine generative KI für die automatische Beantwortung von Leads vor.

Loco-Soft hat diesen Service bereits in seine Software integriert. So schlägt Loco-Soft für die automatische Beantwortung von Leads Textbausteine der Hersteller vor. "Diese gehen über das übliche "Danke wir melden uns" hinaus", sagt Loco-Soft-Geschäftsführer Koke.

Um individuelle Anpassungen vorzunehmen und noch einmal den Text gegenzuchecken, empfiehlt Loco-Soft jedoch, den Text vor dem Versand noch einmal persönlich zu prüfen. So ganz aus der Hand geben sollte man diesen Prozess also noch nicht, denn auch die KI ist nicht fehlerfrei.

Zudem nutzt Loco-Soft ChatGPT, um geschriebene Texte auf Rechtschreibung und Grammatik zu prüfen und falls nötig anzupassen. Loco-Soft-Anwender erhalten zudem Informationen zu Programmneuerungen durch KI-Avatare.

Diese Anwendungsfälle zeigen: Mit dem Einsatz von KI an der richtigen Stelle lässt sich einiges an Arbeitszeit einsparen. Von durchschnittlich 30 Prozent spricht Jörg von Steinaecker. Ähnlich liest sich auch eine aktuelle Studie aus dem Mai dieses Jahres des Beratungsunternehmens McKinsey.

Darin heißt es, dass rund 30 Prozent der aktuellen Arbeitsstunden bis 2030 durch Technologie, inklusive generativer KI, automatisiert werden können. Hierbei bezieht sich die Einsparung von Arbeitszeit vornehmlich auf stumpfe Büroarbeit, unter anderem das Schreiben und Nachhalten von Angeboten per Mail.

Für weitere interne und externe Einsatzfelder prüft Loco-Soft aktuelle Modelle am Markt. "Derzeit befinden sich viele Anbieter am Start. Da sollte sorgsam überlegt werden, auf welches Pferd man setzt", sagt Koke. Und weiter: "Dass KI auch im Autohandel ein Gamechanger wird, ist sicher. Dieser Change wird jedoch in Etappen erfolgen, nicht mit einem Knall."