Warum E-Auto-Interessierte enttäuscht sind

Es ist nicht sehr schmeichelhaft, aber erkenntnisreich, was Axel Sprenger über die wachsende breite Masse der E-Auto-Käufer sagt. Er hat mit seinem Team fast 4500 echte E-Auto-Käufer und -Besteller in jeweils 15-minütigen Interviews befragt und der Automobilwoche exklusiv die wichtigsten Erkenntnisse aus der noch nicht veröffentlichten Studie "Der eAuto-Kaufprozess aus Sicht der Käufer:innen" zur Verfügung gestellt. 

"Die E-Auto-Käufer der ersten Stunde waren Enthusiasten - sie haben dem E-Auto viel verziehen und kannten sich sehr gut aus", sagt der Geschäftsführer des auf E-Mobilität spezialisierten Beratungsunternehmens Uscale. "Jetzt aber kommen andere Kunden ins Autohaus - die meist weniger Vorwissen von der Elektromobilität, von Ladezyklen, Ladeströmen und Batterietechnik haben. Auf diese Kunden sind viele Autohäuser noch zu wenig vorbereitet", sagt Sprenger im Gespräch mit der Automobilwoche.

Nach den "Early Adoptern" steige nun das Segment der "Early Majority" auf E-Autos um, das aber eine höhere Erwartungshaltung habe, fasst Sprenger die Umfrageergebnisse zusammen. "Dieses Kundensegment hat andere Anforderungen an die Beratung und auch an die Alltagstauglichkeit eines E-Autos. Und das wird in den nächsten zehn Jahren gewiss so bleiben."

Auf diese häufig skeptischen und wenig informierten Kunden müssten sich die Autohäuser, aber auch die Hersteller mit ihrer Informationspolitik besser einstellen, rät Sprenger. Die Batterietechnik schreite zudem so schnell voran, dass auch die Verkäufer in den Autohäusern vielfach nicht mehr den letzten Stand der Entwicklung kennen würden - das komme beim Kunden aber gar nicht gut an.

"Vor fünf Jahren waren häufig die Kunden die am besten informierten E-Auto-Experten. Heute fehlt vielen Kunden aber selbst das Basiswissen. Kurz gesagt, werden die Kunden immer unwissender, aber zugleich anspruchsvoller."

In der Befragung von fast 4500 Käufern und Bestellern wurde dies sehr deutlich. "Die Beratungsqualität läuft der wachsenden Anspruchshaltung hinterher."

Hinter dieser Erwartung lauert eine Gefahr für die Marken: Denn besonders loyal gegenüber einer Marke mit E-Autos im Portfolio seien die Kunden nicht, betont Sprenger. Im Durchschnitt nannten die Befragten mehr als sechs Marken, die für sie grundsätzlich infrage kommen würden.

Vor allem sind sie demnach an den deutschen Premiummarken und Volkswagen interessiert. Tesla als einstiger Elektro-Pionier liegt dagegen nur noch auf Platz vier. Auf Platz eins der Interessenten liegt Audi (54 Prozent), gefolgt von BMW (52 Prozent) und Volkswagen (48 Prozent). Tesla kommt mit 43 Prozent auf Platz vier.

Abgeschlagen trotz aktueller E-Modelle im Portfolio sind dagegen Mini (zehn Prozent), MG (sieben Prozent), DS (vier Prozent). Erstaunlicherweise liegt Ford mit nur zwei E-Modellen, dem neuen Explorer und dem Mustang Mach-E, mit 24 Prozent Interesse im vorderen Viertel. Dagegen kommen Volvo, Dacia, Renault, Nissan und auch Peugeot deutlich später auf das Kunden-Radar.

Als neue chinesische Marke genießt BYD derzeit bei 20 Prozent der potenziellen Käufer ein relativ hohes Maß an Aufmerksamkeit. Andere chinesische Marken wie Nio, MG oder Xpeng rangieren deutlich dahinter. Es kann nur spekuliert werden, woran das liegt - womöglich spielt die breite journalistische Berichterstattung über BYD dabei eine Rolle.

Dazugelernt hätten die meisten Hersteller bei der Vermittlung von E-Auto-Wissen, sagt Uscale-Geschäftsführer Sprenger weiter. Doch perfekt sei vieles noch nicht. "Bei einem großen Hersteller konnten wir die Ladeleistung eines E-Autos erst durch das Herunterladen eines  PDF-Files auf Seite 103 ausfindig machen - und zwar in einer Fußnote."

Die potentiellen Kunden von E-Autos machten somit enttäuschende Erfahrungen im Verkaufsprozess bereits bei der Erstinformation auf den Webseiten der Hersteller. Nur 33 Prozent der Befragten fanden etwa das Gesuchte auf den Seiten der Hersteller, 17 Prozent waren mit den Informationen zufrieden.

Nach einem Besuch im Autohaus stieg das Wissen, allerdings auch nur graduell: Nur 40 Prozent fühlten sich danach gut informiert, 19 Prozent immer noch nicht.

Nach einer Testfahrt sagten im Schnitt 48 Prozent der Kunden, sie seien dadurch in ihrer Markenwahl bestätigt worden - 15 Prozent jedoch erklärten, die Marke habe sich nicht qualifiziert für einen Kauf.

Völlig bestätigt habe die Umfrage den schon wiederholt zu erkennenden Trend, wonach E-Auto-Kunde weit weniger markenorientiert sind. "Die Markenloyalität in der Verbrennerwelt liegt im Schnitt bei etwa 50 Prozent - das sehen wir im E-Segment noch bei weitem nicht."

Insgesamt sieht Uscale-Geschäftsführer Sprenger noch sehr viel Potenzial bei den Herstellern und bei den Händlern für einen überzeugenden Auftritt beim Kunden. "Auch wenn der Online-Kauf von Autos an Bedeutung gewinnt, bleiben die Autohändler vor Ort wichtig", so Sprenger. Dies gelte auch bei Online-Käufern. Denn selbst die Online-Käufer besuchten vor ihrer Kaufentscheidung im Schnitt knapp zwei verschiedene Händler vor Ort. "Händler haben also zahlreiche Gelegenheiten, Interessierte von ihrer Marke zu überzeugen."