Ikone Golf: Wie wichtig der Kompaktwagen noch für VW ist

50 Jahre ist es her, da rettete der Golf Volkswagen praktisch vor dem Ruin. Und erwies sich schnell als Erfolgsmodell: Er zählt zu den meistverkauften Autos der Welt, und bis heute steht er in Deutschland fast ununterbrochen Monat für Monat an der Spitze der Neuzulassungsstatistik.

Nur: Klassisches Fließheck, Kombi und Co. sind auch bei den Kompakten nicht mehr so gefragt wie früher. Auch in diesem wichtigen Segment sind SUVs die Gewinner. Am Golf geht diese Entwicklung nicht spurlos vorbei, in den letzten Jahren musste er deutlich Federn lassen zu Gunsten von Tiguan, T-Roc und Co.

Das zeigt sich auch in Europa, einem der wichtigsten Märkte für klassische Kompaktwagen. Dort (EU28 plus EFTA) verkaufte VW laut exklusiver Dataforce-Analyse für die Automobilwoche zwischen 2014 und 2023 mehr als die Hälfte seiner Golf.

Allerdings: Wo 2014 noch rund 518.000 neue Golf in Kundenhände gingen, waren es 2023 noch knapp 185.000 Einheiten. Eine Differenz, die auch die etwa 63.000 ID.3 nicht aufwiegen konnten, die ebenfalls im klassischen Kompakt-Segment angesiedelt sind. Zum Vergleich: Die Neuzulassungen kompakter VW-SUVs (T-Roc, Tiguan sowie ID.4 und ID.5) stiegen im selben Zeitraum von knapp 150.000 auf rund 491.000 Einheiten.

Damit liegt VW aber voll im Trend: Denn auch markenübergreifend haben die klassischen Pkw im Kompakt-Segment zunehmen verloren. Laut Dataforce entfielen 2014 in Europa noch rund 70 Prozent aller Neuzulassungen im Kompaktsegment zu den klassischen Fahrzeugkonzepten und nur rund 30 Prozent zu den SUVs. 2023 war es  umgekehrt: Etwa 36 Prozent der Kompakten waren klassische Pkw und rund 64 Prozent  SUVs und Crossover.

Dass diese Entwicklung auch am Golf nicht vorübergeht, versteht sich von selbst. 2014 zählten laut Dataforce 73,3 Prozent und damit rund drei Viertel aller neu zugelassenen Kompakt-Volkswagen zur Golf-Familie, dazu kam ein kleiner Anteil weiterer Modelle wie Jetta oder Beetle. Mit rund 21 Prozent lag der SUV-Anteil aber noch um Welten unter dem heutigen Niveau.

Denn inklusive des kleineren T-Roc, durchaus eine Golf-Alternative, zählten 2023 zwei Drittel aller neugelassenen Kompakt-VWs in Europa zu den SUVs. Der Golf als Fünftürer und Kombi Variant machten dagegen nur noch ein Viertel der europäischen VW-Neuzulassungen im Kompaktsegment aus. Dass der Anteil der sonstigen klassischen Kompaktautos seit vier Jahren zwischen acht und zehn Prozent pendelt, liegt am Elektro-Modell ID.3.

Ein Trend nicht nur in Europa, der sich auch in den weltweiten Produktionszahlen niederschlägt: Seine Rolle als unangefochtener Primus hat der Golf – inklusive aller Derivate – schon lange verloren. Knapp 310.000 Einheiten des Kompakten rollten 2023 noch vom Band, und damit 6,4 Prozent der globalen Produktion von Volkswagen Pkw.

Kein Vergleich zu 2014: Vor zehn Jahren entstanden noch etwas über eine Million neue Golf – was 16,4 Prozent der globalen VW-Produktion entsprach.

Profiteur dieser Entwicklung ist vor allem der Tiguan. Bereits seit 2018 produziert VW mehr Tiguan als Golf: 2023 liefen über 633.000 Exemplare des Kompakt-SUVs vom Band. Mehr als doppelt so viele Exemplare wie vom Golf also und glatte 13 Prozent des Produktionsvolumens der Marke – obwohl 2024 ein komplett neuer Tiguan an den Start ging.

Aber auch andere VW-SUVs setzen dem Golf zu: So bewegt sich der kleinere T-Roc, seit 2017 auf dem Markt, 2023 mit rund 290.000 Einheiten auf gleichem Niveau wie der Golf. 2021 und 2022 lag seine Produktion sogar über der des Dauerbrenners.

Dennoch will VW auch künftig am Golf festhalten. Anfang der 2030er-Jahre soll die neunte, dann vollelektrische Generation auf die Straße rollen. Und komplett abgeschrieben ist die Wolfsburger Ikone ja tatsächlich nicht am Markt: Zum Beispiel in Deutschland stiegen die Golf-Neuzulassungen in den ersten vier Monaten um 71 Prozent.

Allein im April waren es sogar 166 Prozent. Und auch im wichtigen Flottenmarkt setzte der Golf von Januar bis April 2024 Bestmarken: Mit knapp 20.000 Einheiten sei der Golf seit Beginn der Dataforce-Aufzeichnungen im Jahr 2001 noch nie so erfolgreich in ein Jahr gestartet, so die Frankfurter Experten.

Wer also schon heute Abgesänge auf den Golf anstimmt, ist ein bisschen früh dran. Eine Bürde trägt der aktuelle Golf allerdings mit sich herum: Bis zum Start der Generation muss er noch ganz schön lange durchhalten.