Klartext von einem intimen Kenner der Branche. Nach über 20 Jahren im VW-Konzern und zuletzt zwei Jahren an der Spitze der Audi-Tochter Audi Sport verließ Sebastian Grams im vergangenen September überraschend die Automobilindustrie. Der Top-Manager äußerte sich seitdem bisher nicht ausführlich – nicht zu den Gründen für seinen überraschenden Abgang bei Audi, aber auch nicht zur Situation der Branche allgemein und vor allem nicht zu seinen beruflichen Plänen. Im Exklusiv-Interview mit der Automobilwoche spricht Grams erstmals über die Vorgänge aus dem Herbst 2023, die generelle Situation bei Audi und warum er sich für den ungewöhnlichen Wechsel in die Private-Equity-Branche entschieden hat.
Herr Grams, Sie sind im September 2023 überraschend als Geschäftsführer der Audi Sport GmbH zurückgetreten. Seitdem haben Sie geschwiegen. Welchen Eindruck haben Sie aktuell von der deutschen Autoindustrie?
Sie befindet sich in schwierigem Fahrwasser. Die Situation ist aus meiner Sicht durchaus problematisch.
Warum haben Sie diesen Eindruck?
Immer mehr neue Hersteller drängen gerade in den Markt und wollen ein Stück vom Kuchen abhaben. Die Konkurrenz wird größer und die deutsche Automobilindustrie ist nicht gut aufgestellt. Hersteller, die einen Multitraktionspfad verfolgen, also antriebsoffene Strategien haben, sind zumindest besser dran als Hersteller, die nur elektrisch unterwegs sind. Ich halte es für gefährlich, nur auf Elektromobilität zu setzen. Grundsätzlich fehlt der deutschen Automobilindustrie aber Geschwindigkeit und Umsetzungskraft im Vergleich zu neuen Playern aus China und auch aus den USA.
Ein hartes Urteil. Was machen diese neuen Player besser?
Sie sind viel schneller. Ein chinesischer Hersteller benötigt heute für ein komplett neues Produkt von der Entwicklung bis zum Markteintritt nur 48 Monate. Mit dieser Geschwindigkeit können Sie in Europa mit chinesischen Wettbewerbern nicht mithalten. Auch strategische Entscheidungsprozesse gehen viel schneller.