Ford Capri: Ist der Name mehr als ein Marketing-Instrument?

Ford hat am Dienstag den seit langem in Aussicht gestellten Capri vorgestellt - und das Leitmotiv ist überdeutlich: "Die Legende ist zurück." Dazu wurde die französische Fußball-Legende Eric Cantona eingeladen, in London vor dem neuen Auto in eine gelbe Jacke zu schlüpfen, in die die Zeile "Je suis Capri" eingestickt ist.

Das Bemühen um die historische Verwurzelung der Marke in Europa hat einen Grund: Ford will und muss positive Schlagzeilen liefern, denn der traditionsreiche Autobauer steht massiv unter Druck. Die Marke mit dem blauen Oval kämpft in Europa gegen Absatzeinbrüche und schwindende Marktanteile.
 

Im Juni hatte Europachef Martin Sander plötzlich seinen Weggang zu Volkswagen angekündigt, wo er - ohne Abklingphase - bereits seit Juli Vertriebs- und Marketingchef für VW Pkw ist. Unmittelbar danach entschied Konzernchef Jim Farley, die Europazentrale in Köln de facto zu entmachten - einen neuen Europachef gibt es nicht mehr, die Vorstände wurden auf Direktorenposten zurechtgestutzt.

In dieser Situation kommt nun im Herbst der Capri als zweites reines E-Modell mit rein europäischen Wurzeln auf den Markt, fast zeitgleich mit dem gerade erst in Serie gegangenen Explorer.

Der Name Capri löst bei vielen älteren Semestern nostalgische Erinnerungen an ein (bezahlbares) europäisches Muscle-Car aus, an unbeschwerte Sommer mit (günstigem) "Capri"-Eis und an eine Saft-Tüte mit hohem Zucker- und geringem Fruchtanteil.

Der erste Capri "1300" mit 50 PS und 1288 Kubikzentimeter Hubraum wurde im Januar 1969 vorgestellt - übrigens nicht wie geplant auf der Insel Capri, sondern wegen schlechten Wetters auf dem Festland in Neapel. Das Auto passte in eine Zeit des Aufbruchs, der Rebellion und der Fahrfreude.

An diese Zeiten will Ford nun mit der Wiederbelebung des historischen Namens anknüpfen. "Rebellious to its core" lautet eines der vielen Marketing-Attribute, die man sich in Köln dafür ausgedacht hat. Das neue Modell "verleiht Elektroautos endlich wieder eine Seele - die Legende ist zurück", formulieren die Ford-Marketingexperten.

Doch reicht es aus, ein neues Modell nur dem Namen nach mit der Vergangenheit zu verknüpfen und ihm eine 70er-Jahre-Farbe ("vivid yellow") zu verpassen? Außer dem Coupé-förmigen Heck hat der neue Capri wenig gemeinsam mit den Ikonen der 70er Jahre. Diese waren durch eine überlange Motorhaube, eine flache Silhouette und nicht zuletzt durch einen bezahlbaren Preis geprägt.

All diese Eigenschaften fehlen allerdings dem neuen Capri. Er ist hochbeinig, seine Front ist weitgehend identisch mit dem SUV Explorer und nicht zuletzt kostet das bestens ausgestattete Modell zum Start mindestens 51.950 Euro.

Retro-Modelle wie der Mini oder der Fiat 500 haben zwar gezeigt, dass ein selbstbewusster Preis durchaus kein Hinderungsgrund für sehr erfolgreiche Longseller sein muss - allerdings zeigen sie auch, dass dazu die optische Verwandtschaft mit dem Original eindeutig sein muss. Auch der kommende Renault R5 und der danach folgende R4 nehmen ihre Abstammung vom historischen Vorbild sehr ernst.

Der neue Capri ragt aus dem zunehmend verwechselbaren Einerlei neuer Elektro-Modelle heraus. Seine Herleitung aus der Vergangenheit ist aber überflüssig und wenig glaubwürdig.

Nicht zuletzt werden viele potenzielle Kunden, die ein sportlich designtes E-Auto mit hohem Alltagsnutzen suchen, beim Stichwort Capri eher an den erwähnten Fruchtsaft denken als an ein Kultauto, das im Dezember 1986 zum letzten Mal gebaut wurde.

Der eine oder andere Interessierte könnte sich angesichts des Namens sogar daran erinnern, dass der historische Capri kulturell mit der "Halbstarken"-Kultur und einem proletarischen Umfeld in Verbindung gebracht wird. Bei einem Auto mit Top-Technologie, das oberhalb von 50.000 Euro angesiedelt ist, könnte dies auch abschreckend wirken.

Bei Opel in Rüsselsheim wird man gewiss genau beobachten, wie die Kunden in den Autohäusern auf den neuen Capri reagieren. Zwar ist ein elektrischer Manta dem Vernehmen nach weiterhin in der Entwicklung, doch ob dieser Arbeitstitel am Ende überleben wird, kann heute niemand sagen.