Ingolstadt: Wie sich das Audi-Stammwerk für das Elektro-Zeitalter rüstet

Es gibt Orte in Deutschland, deren Namen oft nur in einem Atemzug mit dem dort ansässigen Autohersteller genannt werden. Wolfsburg ist das Synonym für Volkswagen, die Kreisstadt Sindelfingen in Baden-Württemberg ist fest mit dem dortigen Mercedes-Werk verbunden, und die oberbayerische Stadt Ingolstadt kennt man in der ganzen Welt als Heimat von Audi.

Im Norden des 140.000-Einwohner-Orts erstreckt sich auf einer Grundfläche von 2,8 Millionen Quadratmetern das Stammwerk, die Verwaltung und die Technische Entwicklung des Premiumherstellers. Knapp 40.000 der weltweit 87.000 Mitarbeiter sind hier beschäftigt.

Fast ein Viertel der Jahresproduktion von zuletzt 1,9 Millionen Fahrzeugen entfallen zudem auf den Standort Ingolstadt. Hier lässt Audi die wichtigen Volumenmodelle A3 und Q2 bauen. Auch der A4 (inzwischen in A5 umbenannt) kam lange aus Ingolstadt. Die neue Generation des Fahrzeugs entsteht aber seit diesem Sommer im Werk Neckarsulm.

Dagegen wandelt sich Ingolstadt zum reinen Elektrowerk und stemmt die wichtigen Anläufe des Q6 e-tron und des A6 e-tron, der beiden ersten Elektromodelle auf Audis PPE-Architektur, mit der CEO Gernot Döllner nach langer Modellflaute wieder zum Angriff blasen will.

„Eine große Herausforderung, aber auch eine große Chance für uns“, sagt Ingolstadts Werkleiter Siegfried Schmidtner, der mit seinem Team im Stammwerk einmal mehr den „Schneepflug des Konzerns“ gibt, wie der gebürtige Ingolstädter es nennt. Also das Werk, das den Weg für neue, erfolgreiche Modelle freiräumt.

Für die beiden neuen PPE-Modelle verdichtete Audi sein Stammwerk in diesem Herbst auf zwei nach Antriebsstrang sortierte Montagelinien. Eine für die Verbrenner-Modelle und eine für die beiden Elektro-Flaggschiffe.

Diese Mischfertigung soll nach derzeitigen Plänen bis spätestens 2030 anhalten, bevor Ingolstadt dann mit Auslaufen der aktuell eingerüsteten Verbrenner zum reinen Elektrowerk wird.

Rund 70 Jahre nach der Grundsteinlegung für das heutige Werk 1958 will Audi in Ingolstadt dann nur noch Stromer bauen. Angefangen hatte alles am 21. August 1959 mit dem Dreizylindermodell DKW Junior, das an der Ettinger Straße im Norden der Stadt an der Donau vom Band lief.

Dass die Fabrik ausgerechnet in Ingolstadt entstand, hatte dabei pragmatische Gründe. Die Stadt liegt günstig direkt an der heutigen Autobahn A9 zwischen Nürnberg und München. Es gab freie Gebäude, und gleichzeitig lagen die anderen Standorte der damaligen Auto Union aus vier Herstellern alle in der sowjetischen Besatzungszone.

Deshalb wurde am 3. September 1949 die Auto Union in Ingolstadt wiedergegründet. Nach zehn Jahren beengter Automobilfertigung in der Innenstadt entstand ab 1958 das Fahrzeugwerk, in dem der Premiumhersteller noch heute Autos baut.

Und auch in einem anderen Teil von Ingolstadt hat Audi inzwischen ein weiteres Zuhause gefunden. Nach einer aufwendigen und teuren Bodensanierung errichtete der Hersteller zusammen mit der Stadt Ingolstadt auf dem ehemaligen Gelände einer Raffinerie im Süden den neuen IN-Campus.

Dort sitzt die Softwareschmiede Cariad. Untergebracht wurden auch das 10.000 Quadratmeter große Rechenzentrum von Audi und das neue, 100 Millionen Euro teure Fahrsicherheitszentrum der Technischen Entwicklung.

In einem gemeinsamen Projekthaus auf dem neuen Campus forschen zudem Experten von Audi und externen Firmen zusammen an Zukunftstechnologien.