Wenn Porsche am Mittwoch seine Halbjahreszahlen präsentiert, dann dürfte von der euphorischen Stimmung nach dem Börsengang vor knapp zwei Jahren nicht mehr viel übrig sein. Der Aktienkurs steht derzeit rund zehn Euro unterhalb des Ausgabepreises von 82,50 Euro. Bei vielen Kennzahlen wie Absatz oder Rendite liegt Porsche deutlich unter Vorjahr, das zeigt auch die aktuell gesenkte Prognose. Die vielen Modellwechsel in diesem Jahr sind sicher ein Grund für die derzeitige Schwäche. Porsche-Chef Oliver Blume spricht bewusst von einem Jahr des Übergangs. Aber nicht alles lässt sich damit erklären. Hier die fünf wichtigsten Probleme des Sportwagenherstellers.
Porsche-Analyse: Das sind die fünf drängendsten Probleme
Die Halbjahreszahlen von Porsche sind bescheiden ausgefallen, wie die aktuell gesenkte Prognose zeigt. Ja, es ist ein Jahr der vielen Modellwechsel. Aber die Probleme liegen tiefer.
Am meisten zu denken geben muss Oliver Blume die aktuelle Schwäche in China. Nach dem Einbruch im vergangenen Jahr steht im ersten Halbjahr 2024 ein Rückgang des Absatzes um ein Drittel auf nur noch knapp 30.000 Einheiten in sechs Monaten zu Buche. Auf diesem Niveau bewegte sich das Unternehmen zuletzt 2015. Vor allem der Taycan gilt inzwischen als praktisch unverkäuflich, aber auch die Nachfrage nach dem 911 und dem Panamera ist zurückgegangen. Das liegt zum einen an der Immobilienkrise und der daraus resultierenden Zurückhaltung der Kunden. Diese halten ihr Geld in dieser Situation lieber zusammen.
Es liegt aber auch am Händlernetz, in dem es seit längerer Zeit rumort. Weil Porsche den Preiskampf nicht mitgehen will, gehen die Verkäufe zurück. Das passt den Händlern nicht, die ihre Gewinne schwinden sehen. Von einem „Aufstand“ war sogar wiederholt zu lesen, was immer dies bedeuten mag. Mit Porsche-Deutschland-Chef Alexander Pollich wird nun ein hierzulande erfolgreicher Vertriebler nach China geschickt – der aber wenig Erfahrung mit asiatischen Märkten hat. Ob er die Probleme wirklich lösen kann, bleibt abzuwarten.
Eines der Hauptprobleme bei Porsche hat sich der Chef selbst eingebrockt. Zum 1. September 2022 hat Blume auch die Leitung des VW-Konzerns übernommen, zusätzlich zu seiner Aufgabe bei Porsche. Seither wird die Kritik an dieser Doppelrolle immer lauter, selbst in der Vorstandsetage. „Wir wollten doch mit dem Börsengang schneller und schlanker werden, aber das Gegenteil ist eingetreten“, heißt es aus dem Umfeld.
Aktionärsvertreter wie Ingo Speich von Deka Investment sehen unvereinbare Interessenkonflikte: „Der CEO in Wolfsburg war immer in der Rolle, zwischen den Marken auszugleichen, etwa bei Budgets für Audi und Porsche. Das funktioniert jetzt nicht mehr“, sagt Speich. Blume selbst streicht die Vorteile heraus, etwa bei der Schaffung von Synergien. Doch je größer die Probleme bei Porsche werden, desto größer dürfte der Druck auf ihn werden, zumindest einen Teil der Arbeit in Zuffenhausen an jemand anderen abzugeben.
Porsche hat wie kaum ein anderer Hersteller die Elektrifizierung vorangetrieben. Im Jahr 2030 sollen bereits 80 Prozent der Neuwagen rein elektrisch fahren. Also alle bis auf den 911, der bis zum endgültigen Verbot mit Benzin fahren soll. Ein ebenso ehrgeiziger wie löblicher Plan. Doch daraus wird angesichts des schleppenden Elektro-Hochlaufs nichts. Deshalb hat Porsche seine Ziele kassiert und betont nun, ähnlich wie etwa Mercedes-Chef Ola Källenius, dass dies von der Nachfrage der Kunden auf den einzelnen Märkten abhänge.
Anders als Mercedes ist Porsche allerdings bei seinen Antrieben nicht wirklich flexibel. Der Macan kann wegen seiner veralteten Plattform nur noch bis Mitte 2026 als Verbrenner parallel zum neuen Elektromodell laufen, bei der Baureihe 718 mit Boxster und Cayman gibt es im nächsten Jahr einen harten Schnitt. 80.000 E-Macan bräuchte es, um profitabel zu sein. Die Zahl scheint kaum erreichbar.
Der Panamera als Verbrenner ist eben neu erschienen, bringt aber seit jeher nicht die großen Stückzahlen. Der für 2027 geplante K1 kommt rein elektrisch. Bleibt nur der Bestseller Cayenne, um sich ein wenig Luft zu verschaffen. Der kommt zwar im nächsten Jahr auch elektrisch, soll aber als Verbrenner bis über 2030 hinaus gebaut werden. Allerdings ist das Modell 2018 in der dritten Generation angelaufen, der Lebenszyklus soll damit praktisch auf mehr als zwölf Jahre ausgedehnt werden. Ob Porsche mit diesem Angebot die Kunden überzeugen kann?
Die Software macht nicht nur dem Volkswagen-Konzern insgesamt, sondern auch der Tochter Porsche mächtig zu schaffen. Vorgänger Herbert Diess hatte mit der Marke Cariad versucht, aus Ingenieuren Coder zu machen, was gründlich schiefging. Nicht nur der Porsche Macan und der Audi Q6 e-tron verspäteten sich rund zwei Jahre, auch die für 2027 angedachten Konzern-Leuchtturmprojekte auf der SSP-Plattform wie der Porsche K1, aber auch Audis Landjet oder VWs Trinity, könnten deutlich später kommen.
Noch mehr Verzug aber kann sich Blume kaum leisten. Er hat daher bereits gegengesteuert und mit Sajjad Khan einen erfahrenen Digital-Experten in den Vorstand geholt. Khan war davor bei Mercedes, wo er das Betriebssystem MB.OS auf die Beine gestellt hat. Für den K1 plant Porsche nach Informationen der Automobilwoche erstmals einen Alleingang bei der Software.
Cariad wird dabei zwar noch Software zuliefern, aber nicht mehr die Führungsrolle in der Entwicklung übernehmen. Stattdessen will Porsche mit selbst gewählten Partnern wie beispielsweise Applied Intuition selbst vorangehen. Mit der US-Software-Firma war im März eine verstärkte Zusammenarbeit angekündigt worden. Ob nun alles besser wird, muss sich zeigen.
Dass die Marge mit 14,2 Prozent Prozent im ersten Quartal mickrig ausfiel und auch in den ersten sechs Monaten kaum besser sein dürfte, liegt auch an den derzeit hohen Kosten bei Porsche. Die parallelen Modellanläufe kosten viel Geld in der Forschung und Entwicklung. Zum Beispiel muss die Software extra Schleifen drehen. Das Lieferantenwerk muss um die neuen Komponenten herum justiert werden, was nicht immer reibungslos läuft, wie der Fall Varta zeigt.
Um den Batteriehersteller aus Ellwangen, der den Hybrid-Akku für den 911 liefert, ist es schlecht bestellt. Wieder einmal wird an einem Plan zur Restrukturierung gebastelt. Da Porsche den Lieferanten aber dringend für seine Ikone braucht, wird ein Einstieg bei Varta immer wahrscheinlicher. Der dürfte zumindest einen höheren zweistelligen Millionenbetrag kosten.
Das kann Porsche zwar verschmerzen, es zeigt aber die aktuelle Anfälligkeit der Lieferketten, die viel Aufmerksamkeit und Engagement erfordert. Jetzt kommt auch noch der Engpass wegen eines Hochwasssers bei einem Aluminium-Lieferanten hinzu, der die Auslieferungen im Jahr 2024 bremst. Angesichts der galoppierenden Kosten könnte bei Porsche in den nächsten Jahren erneut ein Ergebnisprogramm aufgelegt werden. Das letzte sollte bis 2025 zehn Milliarden Euro einbringen, danach pro Jahr drei Milliarden Euro.