Kreislaufwirtschaft in der Autoindustrie läuft noch nicht rund

Auf der Kreislaufwirtschaft ruhen große Hoffnungen - gerade weil sie hilft, unabhängiger von klassischen Lieferketten und Lieferanten zu werden. Um einen geschlossenen Kreislauf zu erreichen, müssen ihn die Konstrukteure so entwickeln, dass sich Fahrzeuge und deren Bauteile leicht in Gruppen sortenreiner Materialien zerlegen lassen. "Sortenrein" ist wichtig, damit es nicht zum Downcycling kommt. Mischen sich etwa hochwertige Stahl- oder Alulegierungen mit anderem Material, enden sie oft als Baustahl oder Getränkedose statt in einem neuen Auto.

Automobilhersteller und einige Zulieferer haben sich konkrete Ziele für den Anteil der Recyclingmaterialien in Neufahrzeugen gesetzt. Bei BMW bestehen Neufahrzeuge nach Unternehmensangaben derzeit zu rund 30 Prozent aus recycelten oder wiederverwendeten Materialien. Langfristig soll der Wert auf 50 Prozent wachsen. Mercedes-Benz will bis 2030 im Flottendurchschnitt 40 Prozent erreichen. Forvia will seine Innenraumprodukte 2025 zu 30 Prozent aus Recycling-Kunststoff herstellen.

Damit sind diese Unternehmen noch die Ausnahme. Die Experten des Beratungsunternehmens Capgemini beklagen "einen alarmierenden Mangel an Fortschritten bei der Kreislaufwirtschaft in der Automobillieferkette". Sie hatten 2023 in zehn wichtigen Automobilproduktionsländern weltweit herausgefunden: Der Anteil recycelter Materialien in Neufahrzeugen stieg von 12,7 Prozent im Jahr 2021 auf lediglich 17,5 Prozent.

Recyclingfreundlichkeit hat BMW im Konzeptfahrzeug i Vision Circular gezeigt. Dort finden sich keine Verklebungen oder Verbundwerkstoffe. Bei den Vordersitzen können Metall und Textil dank eines Schnellverschlusses einfach getrennt werden. In der Fahrzeugfront ist die Elektronik in einer Sensorinsel zusammengefasst, die sich en bloc herausnehmen lässt. In der Karosserie empfehlen Fraunhofer-Forscher das Laserstrahllöten statt Schweiß-, Niet- und Klebverbindungen. Die Lötnähte lassen sich bei rund 900 Grad Celsius trennen, ohne die Metalle zu schädigen.

In Innenräumen finden sich oft Bauteile aus verschiedenen Materialschichten. Von solchen Gemischen rückt Polestar im Modell Polestar 4 ab. Dort werden dem Hersteller zufolge "alle Schichten bestimmter Komponenten aus demselben Grundmaterial hergestellt und können so effektiver und effizienter recycelt werden".

Der Zulieferer Hella führt ein Forschungsprojekt, in dem das Konzept für einen möglichst nachhaltigen Scheinwerfer entwickelt werden soll. Der Scheinwerfer soll sowohl reparatur- wie auch gut recyclingfähig sein. Mit an Bord sind auch BMW, Covestro, Hochschulen und Institute.

Bei Frontscheiben gibt es bislang keine Alternative zum Verbundsicherheitsglas mit einer dünnen Kunststoffschicht zwischen zwei Glaslagen. Daher hat Audi mit Glasherstellern einen Prozess entwickelt, bei dem alte Scheiben zerkleinert und Kunststoff- sowie Klebstoffreste abgetrennt werden. Das Glas wird eingeschmolzen und in neuen Scheiben verwendet.

Die Batterie als relativ neues Bauteil im Auto wäre prädestiniert, "Design for Recycling" von Beginn an einfließen zu lassen. Fachleute sehen die Branche aber auf einem anderen Weg. Im Vordergrund stünden die Erhöhung der Energiedichte und die Reduzierung der Montagekosten, so Experten des Instituts PEM an der RWTH Aachen und die Berater von Roland Berger in ihrem jüngsten Battery Monitor. Der Trend zu immer stärkerer Integration "gipfelt in Batteriesystem-Designs, die komplett mit einem aushärtenden Harz gefüllt werden, das zur Strukturfestigkeit der Karosserie beiträgt". Das führe zu "ungelösten Herausforderungen bei Reparatur und Recycling".