Luxusstrategie von Mercedes: Viel bleibt Källenius nicht mehr, um sie zu retten

Mercedes-Chef Ola Källenius bleibt seiner Marschrichtung treu. Günstige Modelle fliegen aus dem Programm, am oberen Ende der Preisskala wird ausgebaut. "Wir werden die wertvollste Luxus-Automarke der Welt stärken und in eine neue Ära führen", kündigte er auf der Automesse in Schanghai selbstbewusst an.

Wohin die Reise geht, zeigt das Showcar Vision V, das in China Weltpremiere feierte. Eine Glaswand, die sich auf Knopfdruck verdunkeln lässt, trennt in dem Van das Cockpit vom loungeartigen Passagierbereich. Sind die Türen geschlossen, verwandelt sich der Van in ein fahrbares Kino.

Hinter dem Fahrersitz gleitet aus einer mit Wurzelholz und Nappa-Leder gestalteten Konsole ein Fernseher mit 65 Zoll Bildschirmdiagonale nach oben. Elektrisch verstellbare Sitze aus röhrenförmigen Kissen lassen sich praktisch zum Bett umfunktionieren. Der Sound kommt aus 42 Lautsprechern. Je nach Bedarf kann sich der Vision V in ein Büro, eine Spielzone, ein Einkaufszentrum oder eine Karaoke-Bar verwandeln.

Mit VLE und VLS soll es in Zukunft zwei Van-Modelle geben, die alte V-Klasse ist damit passé. Während die T-Klasse als günstiger Einstieg in die Welt der Mercedes-Vans unlängst gestrichen wurde, wie die Automobilwoche exklusiv berichtete, wird das Angebot im Luxus-Bereich deutlich ausgebaut. Damit sind nahezu alle Modelle bekannt, die Källenius für seine Marken-Strategie in den nächsten Jahren ins Rennen schickt.

Bisher waren die Versuche, das Portfolio gezielt in Richtung margenträchtiger Fahrzeuge umzubauen, jedoch nicht von Erfolg gekrönt.

So hat der Absatz im Top-Segment 2024 um 14 Prozent nachgelassen, von 328.268 auf 281.492 Einheiten. Vor allem die S-Klasse (minus 26 Prozent) und die Edelmarke Maybach (minus 24 Prozent), aber auch AMG und G-Klasse haben Federn gelassen. 

Zwar konnte sich der Anteil der teuren Fahrzeuge am Gesamtabsatz im ersten Quartal 2025 mit 15 Prozent etwas erholen. Doch 2021 wurde mit einem Anteil von 16 Prozent der vorläufig höchste Wert erreicht, danach ging es wieder bergab.

Källenius bleibt trotzdem zuversichtlich: "Wir kommen mit über 25 neuen Modellen bis 2027, da liegt die Gewichtung eher im oberen Bereich“, sagt er. Einen Schub sollen die überarbeitete S-Klasse oder die neuen AMG-Modelle bringen, die aber erst 2026 erwartet werden.

Dabei war das Ziel ein anderes. Mit dem Bild eines Diamanten, der nach oben spitz zuläuft, versinnbildlichte Källenius das seiner Meinung nach falsch aufgestellte Modellportfolio. Sein Ziel ist es, diesen Diamanten durch die Luxus-Strategie auf den Kopf zu stellen: Im Top-Segment für Wachstum sorgen, während das Einstiegssegment allmählich ausläuft.

Doch die Kunden sind diesen Weg bisher nicht mitgegangen. Vor allem in China kommt die Höher-Positionierung der Marke derzeit nicht an. Zwar rühmt sich Källenius, dass die S-Klasse nach wie vor das Segment anführt. Doch die Zahlen gehen seit Jahren zurück, während die Schwaben bei den Elektromodellen wie viele andere ausländische Hersteller keinen Fuß in die Tür bekommen.

EQS, EQE und die jeweiligen SUVs werden bisher von den Kunden kaum beachtet. Sie sind schlicht zu teuer im Vergleich mit der heimischen Konkurrenz von BYD, Geely, Changan oder SAIC. Der Elektroanteil am Markt aber nimmt stetig zu, weshalb es für die S-Klasse in Zukunft nicht leichter werden dürfte. 

Ob ausgerechnet Transporter im Stile des Vision V dies ändern können, ist zumindest fraglich. Zumal die Chinesen auch hier bereits ein üppiges Angebot haben. Xpeng ist mit dem X9 vertreten, BYD hat über die Submarke Denza den D9 im Sortiment. Geely schickt mit dem Zeekr 9 Grand seine Edelmarke vor, auch der Voyah Dream spielt in diesem Segment und könnte wie alle anderen chinesischen Luxus-Transporter sogar den Weg nach Deutschland schaffen.

Mit der Premiere des Vision V und den abgeleiteten Serienfahrzeugen soll auch der Absatz wieder zulegen. Eigentlich wollte Källenius im Volumen pro Jahr um fünf Prozent wachsen, tatsächlich ging es von 2,385 Millionen Einheiten im Jahr 2019 auf nunmehr 1,983 Millionen Einheiten nach unten.

Der Rivale BMW konnte mit einer ähnlichen Profitabilität und einer breiten Präsenz in allen Segmenten sein Volumen der Kernmarke in dieser Zeit immerhin von 2,17 auf 2,2 Millionen leicht steigern. Ebenso wie Audi halten die Premium-Konkurrenten an Einstiegsmodellen fest, um die Kunden an die Marke heranzuführen.

Damit die operative Umsatzrendite, die im ersten Quartal 2025 bei nur noch 7,3 Prozent  lag, nicht noch weiter erodiert, setzt Källenius vor allem auf Sparen. Bis 2027 sollen die Kosten dauerhaft um fünf Milliarden Euro pro Jahr sinken.

Dafür wurden die Prämien gekürzt, die Tariferhöhung zum Teil einkassiert, außerdem sollen Mitarbeiter über Abfindungsprogramme gehen. Im Gegenzug hat der Betriebsrat die lang ersehnte Beschäftigungsgarantie bis 2035 bekommen.

Viele Stellschrauben hat Källeniius nun nicht mehr zur Verfügung. Wenn die Modelloffensive verpufft und beispielsweise auch der CLA als neues Zugpferd im Kompaktsegment floppt, dürfte es für den Vorstandschef selbst ungemütlich werden. Allerdings ist seine Strategie festgezurrt. Eine Kurskorrektur dürfte es, wenn überhaupt, erst im nächsten Jahrzehnt geben.