Cariad: Wie die VW-Tochter gegen den Bedeutungsverlust kämpft

Nach der spektakulären Entscheidung des VW-Konzernvorstands, ein Joint Venture für Softwareentwicklung mit dem US-Elektro-Start-up Rivian zu gründen, sucht die unternehmenseigene Softwareschmiede Cariad jetzt nach ihrem zukünftigen Platz im Unternehmen. Fest steht bereits: Die Entwickler werden Kompetenzen verlieren.

Einen ersten Fingerzeig über die Rolle der 2019 von Ex-CEO Herbert Diess gegründeten Einheit gab Konzernchef Oliver Blume schon bei der Bekanntgabe des Deals mit Rivian.

„Cariad wird ein wichtiger Teil unserer Softwarestrategie der Zukunft sein. Bei Cariad gibt es auch die Bereiche autonomes Fahren, Infotainment und Konnektivität. Wir sehen das als perfekte Kombination. Der östliche Ansatz mit Xpeng, der westliche Ansatz mit Rivian“, sagte Blume.

Für das China-Geschäft hatte sich Volkswagen im April mit dem chinesischen Hersteller Xpeng verbündet, um ein Betriebssystem zu entwickeln. Für mindestens den nordamerikanischen Markt, aber auch für Europa, sollen den Wolfsburgern jetzt die Rivian-Entwickler helfen.

Was beide Kooperationen eint: Die eigene Softwareschmiede Cariad schaut dabei vom Spielfeldrand zu. Statt der eigenen Entwickler geben die neuen Partner zukünftig den Ton an. Ein Schritt, der in der Branche von Kennerinnen begrüßt wird.

„Wir erwarten, dass das Joint Venture zwischen VW und Rivian softwaredefinierte Fahrzeugfunktionen und -features schneller auf den Massenmarkt bringen wird – als zentrale Softwareplattform für mehrere OEMs“, sagt Maria Anhalt, Chefin des Erlanger Softwareunternehmens Elektrobit.

Anhalt weiter: "Der Fokus auf die zonale Architektur von Rivian ist von Bedeutung, da diese die elektronischen Steuereinheiten (ECU) und Verkabelung erheblich reduziert. Dadurch können in jedem Fahrzeug Kosten gesenkt und eine höhere Rechenleistung für andere wertschöpfende Funktionen bereitgestellt werden. Diese Branchennews verdeutlichen, dass Kollaboration die Transformation in der Autoindustrie beschleunigt."

Die Entwicklung einer zonalen Architektur hatte die Cariad bisher vor allem im neu gegründeten Software-Defined-Vehicle-Hub mit Volkswagen und Audi vorangetrieben, wo Ex-Rivian-Mann Sanjay Lal als Chef des Projekts je ein konkretes Fahrzeugmodell für die Kernmarke VW und den Ingolstädter Premiumhersteller entwickeln soll.

Jetzt bekommt Lal Verstärkung von seinen Ex-Kollegen bei Rivian, die ebenfalls im Hub mitarbeiten werden. Wie genau die Hierarchie in der Einheit aussieht, ist aktuell offen. In den letzten Monaten hatte die Cariad eigentlich erst zahlreiche namhafte Tech-Experten in das Software-Hub gelotst.

Fakt ist aber: Im ohnehin schon kompliziert verschachtelten VW-Konzernreich ist die Kooperation mit Rivian nicht gerade eine Nachricht, die in der neuen Mannschaft für mehr Tempo sorgt. Schon jetzt warnen Beobachter vor Kompetenzgerangel im als Prestige-Projekt gestarteten Software-Hub des Konzerns. Noch vor Ende des Jahrzehnts soll die erstmals selbst entwickelte Architektur SDV 1.0 fertig sein.

Die mit mehreren Standorten über ganz Deutschland verteilte Cariad wird zukünftig in jedem Fall Kompetenzen abgeben müssen.

Hoffnungswert für die Entwickler ist die Allianz mit Bosch im Bereich der Fahrassistenzsysteme, bei der es zuletzt Fortschritte gab. Aktuell bedienen sich die Konzernmarken Audi und Porsche bei den schon marktreifen Lösungen des israelischen Unternehmens Mobileye.

Mittelfristig sollen die Entwicklungen von Cariad und Bosch im Konzern zum Einsatz kommen. 2026 soll eine Robotaxi-Variante des ID.Buzz von Volkswagen Nutzfahrzeuge mit der Technik marktreif sein.