So kämpft die Branche in Ungarn um Fachkräfte

Lange Zeit war Ungarn das gelobte Land für Europas Autoindustrie: niedrige Lohnkosten, hohe Arbeitsbereitschaft, eine massive Subventionspolitik der rechtsnationalen Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban und kurze Wege in die Konzernzentralen der Hersteller in Westeuropa. 

Audi (in Györ) und Mercedes (in Kecskemét) betreiben deshalb seit Längerem Produktionswerke in Ungarn, BMW zieht seine neue Fabrik in Debrecen im Eiltempo hoch. Anfang Februar wurde das Zentralgebäude des neuen Standorts fertiggestellt. Es soll in der neuen Werksstruktur das Verbindungsglied zwischen den Produktionstechnologien Karosseriebau, Lack und Montage sein. „In wenigen Monaten wird hier in Debrecen bereits die Vorserienproduk­tion starten und dabei neue Maßstäbe setzen. Das bezieht sich nicht nur auf das Fahrzeug, sondern auch auf die Prozesse hier im Werk“, sagt Hans-Peter Kemser, der den Standort von BMW leitet.

Doch der Ungarn-Boom für Europas Autoindustrie stößt noch vor der Fertigstellung des dann modernsten BMW-Werks an Grenzen. Denn der Arbeitsmarkt, auf dem die Hersteller und Zulieferer Fachkräfte für ihre ­neuen Fabriken finden wollen, ist mittlerweile leer gefegt. Aktuell bekommt das der chinesische Batteriehersteller CATL zu spüren, der im Februar seine Rekrutierungskampagne für die geplante neue Fabrik unweit des BMW-Werks in Debrecen startete. Die Chinesen suchen in Summe 9000 Beschäftigte für ihre Sieben-­Milliarden-Investition im Osten Ungarns. Das neue Werk soll ab 2025 unter anderem BMW und Mercedes mit modernsten Batteriezellen beliefern.

Doch dafür fehlt es an Fach­kräften, die an den komplizierten Fertigungslinien arbeiten wollen. Speziell diese Jobs gelten im Vergleich zu Aufgaben in der Fahrzeugmontage von Herstellern ­unter Interessenten als äußerst unbeliebt.

Ungarns rechte Regierung will jetzt gegensteuern und fördert ganz entgegen der eigentlichen politischen Linie die Anwerbung von Facharbeitern aus Dritt­staaten. Speziell Zulieferer würden so schon Arbeitskräfte rekrutieren, heißt es aus Gewerkschaftskreisen. Auch arbeitet die Orban-Regierung daran, unter anderem nach Österreich aus­gewanderte Ungarn von einer Rückkehr in die Heimat zu überzeugen. Bisher mit mäßigem ­Erfolg.

„Die Lage im ungarischen Arbeitsmarkt ist weiterhin herausfordernd“, bestätigte BMW auf Anfrage der Automobilwoche. Die Münchner suchen aktuell landesweit nach Fachkräften wie Fer­tigungsplanern, Instandhaltern und Anlagenführern, die für das Werk benötigt werden.

Der Premiumhersteller setzt dabei auf ein Paket aus gutem Lohn und Zusatzleistungen für Beschäftigte. „Aufgrund der Arbeitgeberattraktivität der Marke BMW, angemessener Vergütung und unserer zahlreichen Zusatzleistungen wie zum Beispiel Gesundheitsdienst oder Betriebsgastronomie erreichen wir derzeit unsere Planziele bei den Einstellungen“, heißt es aus dem Vier­zylinder-Gebäude in München. 

Mehr als 1000 Beschäftigte ­stellte BMW bereits ein, 2000 ­sollen es beim Vorserienstart der Neuen Klasse Ende des Jahres sein. Für Zulieferer wie CATL ist die Suche noch schwieriger. Die Chinesen werben auf Messen und starten Kampagnen in sozialen Netzwerken. Und der Kampf um Fachkräfte wird sogar noch härter: Zuletzt schaltete BYD ­erste Stellenanzeigen für sein neues Werk für E-Autos im südungarischen Szeged. Der chine­sische Hersteller sucht bis 2025 Tausende Mitarbeiter.

Aus dem Datencenter:

Batteriezellwerke in Europa im Jahr 2030