Boxberg. Bosch will klassische Fahrerassistenzsysteme mit internetfähigen Navigationslösungen vernetzen, um neue Sicherheits- und Umweltfunktionen anbieten zu können und das automatisierte Fahren möglich zu machen. "Schon jetzt erzielen wir mit unseren Sicherheits- und Fahrerassistenzsystemen einen Umsatz von gut fünf Milliarden Euro. Im Laufe der Dekade erwarten wir ein jährliches Wachstum von zehn Prozent", sagte Bernd Bohr, Chef der Kfz-Techniksparte, auf dem Motorpressekolloquium in Boxberg, wo Bosch eine eigene Teststrecke unterhält. Dieser Zuwachs lasse sich vor allem auf dem Fahrerassistenz-Markt realisieren. Ein Treiber dabei sind dem Manager zufolge neue NCAP-Regularien. Die Sicherheitsorganisation vergibt ab 2014 nur noch die Höchstwertung von fünf Sternen, wenn mindestens ein Fahrerassistenzsystem an Bord des Fahrzeugs ist.
Die Basis für neue Sicherheitsfunktionen im Auto sind verschiedenste Sensoren. Dazu gehören Radar- und Ultraschallsensoren ebenso wie neuerdings eine Stereokamera, die Spurhaltesysteme und Kreuzungsassistenten möglich macht. Künftig will Bosch mit dem Internet vernetzte Navigationssysteme als so genannten "elektronischen Horizont" nutzen. Das Navigationssystem liefert basierend auf seinen digitalen Kartendaten und der voraussichtlichen Route des Fahrers eine detaillierte, weit vorausschauende Information über den Streckenverlauf, die in den kommenden Jahren zunehmend um Krümmungs-, Steigungs- und Fahrspurinformationen erweitert wird. "Künftige Fahrerassistenzsysteme nutzen zunehmend hochaktuelle, zuverlässige Daten. Für deren Erfassung bauen wir derzeit ein entsprechende Infrastruktur auf", so Gerhard Steiger, Vorsitzender des Geschäftsbereichs Chassis Systems Control.Gesammelt werden Daten von Fahrzeugsensoren oder auch Smartphones. Ein Beispiel ist die iPhone-App "MyDrive Assist" von Bosch, die mit Hilfe der Smartphone-Kamera im Vorbeifahren Verkehrszeichen erfasst, dem Fahrer anzeigt und auch anonym an einen zentralen Server in der Cloud meldet. Von dort werden die Informationen wieder an andere Fahrzeuge übermittelt und dem "elektronischen Horizont" mitgeteilt. "Mit diesem Crowd-Sourcing der Verkehrsdaten schaffen wir eine technologische Voraussetzung für künftige hochautomatisierte Fahrfunktionen", erklärt Steiger. Die Vermarktung solcher Daten könnte auch ein neues Geschäftsfeld für Bosch werden. "Wir sehen eine Rolle für Bosch beim Zusammenbringen von solchen Daten mit Domänenwissen zur Fahrdynamik wie dem ESP", stellt Bohr klar. In der Praxis könnte sich aus aggregierten Informationen aus den Fahrzeugen auf der Straße wie Temperatur, ESP-Verhalten, Scheibenwischerfunktionen etc. zum Beispiel eine Glatteiswarnung für einen bestimmten Straßenabschnitt ableiten lassen.Bosch treibt Vernetzung des Autos voran
Der Stuttgarter Autozulieferer Robert Bosch will internetfähige Navigationssysteme zunehmend als Sensoren für künftige Fahrerassistenzsysteme nutzen. Mit Hilfe von Apps sollen anonym Verkehrsdaten gesammelt und vermarktet werden.
Neue Services durch "elektronischen Horizont"
Mit Hilfe des "elektronischen Horizonts" kann die Navigation besonders energieeffiziente Routen empfehlen. Bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor lassen sich laut Bosch abhängig vom Straßennetz dadurch bis zu zehn Prozent Kraftstoff sparen. Außerdem kann der Fahrer rechtzeitig Hinweise erhalten zu Baustellen, Ortseinfahrten und Tempolimits. Nimmt er den Fuß rechtzeitig vom Gas, sind dadurch Spriteinsparungen von sieben Prozent auf Landstraßen möglich.
Um eine echte Serienreife des automatisierten Fahrens zu schaffen, müssen laut Bosch noch mehrere grundlegende technische Meilensteine erreicht werden. Bezüglich der Navigationsdaten ist es erforderlich, dass die Position des Fahrzeugs zu den in der Karte angegebenen und mittels Sensorik erfassten Umgebungsobjekten bis auf einige Dezimeter genau ermittelt wird. "Hierzu müssen GPS-Ortung zur Grobortung und Umfeldsensorik zur Feinortung zusammenwirken", so Steiger.Die Verbindung des Autos mit dem Internet ermöglicht auch im Aftermarket neue Services. Bosch bietet mit der "fun2drive"-App, für jedermann die Möglichkeit, Fehlercodes aus der Diagnoseschnittstelle auszulesen. Für Flottenbetreiber wollen die Stuttgarter in einem weiteren Angebot Fahr- und Servicedaten sowie Fehlercodes der Flottenfahrzeuge an die Zentrale übertragen, um so eine bessere Service- und Reparaturplanung zu erreichen.