Stuttgart. Daimler will mit fünf weiteren Partnern insgesamt 350 Millionen Euro in den Aufbau eines landesweiten Wasserstoff-Tankstellennetzes investieren und so dem Brennstoffzellenantrieb zum Durchbruch verhelfen. Die "H2 Mobility"-Initiative - mit dem Stuttgarter Autohersteller, den Gasproduzenten Air Liquide und Linde sowie den Mineralölkonzernen OMV, Shell und Total – haben sich in einer Grundsatzvereinbarung auf die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens geeinigt. Es soll bis zum Jahr 2023 ein öffentliches Netz mit rund 400 Wasserstoff (H2)-Tankstellen realisieren - heute gibt es gerade einmal 15 solcher öffentlichen Tankstellen in Deutschland. "Tankstellen für diesen umweltfreundlichen Kraftstoff sind noch selten. Das will die 'H2 Mobility'-Initiative ändern: Bis 2023 soll es in Deutschland mehr Wasserstofftankstellen geben als heute konventionelle Tankstellen an Autobahnen. Damit schaffen wir für die alltagstaugliche Brennstoffzellen-Technik Schritt für Schritt eine flächendeckende Infrastruktur", so Daimler-Forschungs- und Entwicklungschef Thomas Weber.
Daimler hat bis heute eine Milliarde Euro in die Brennstoffzellentechnologie investiert und schon 1994 das erste Fahrzeug mit diesem alternativen Antrieb vorgestellt. Dabei wird Wasserstoff in Energie und Wasserdampf umgewandelt. Schon vor 20 Jahren haben die Stuttgarter den Durchbruch dieser Technologie erwartet. Sie geriet aber immer wieder ins Abseits: Einerseits weil die Autoindustrie dem Thema Umwelt keine große Bedeutung beimaß, andererseits weil Mineralölkonzerne die hohen Investitionen scheuten und ihr Kerngeschäft nicht gefährden wollen. Im Herbst 2009 wurde dann zusammen mit der Bundesregierung die neue Initiative H2-Mobility gestartet. Als wieder nichts voranging, kündigten Daimler und Linde im Jahr 2011 an, einen zweistelligen Millionen-Betrag in 20 H2-Tankstellen investieren zu wollen. Inzwischen allerdings hat Daimler eingeräumt, dass bei heutiger Technologie die Fahrzeuge auf Grund der hohen Kosten nicht marktfähig sind. Nun wollen die Stuttgarter mit Nissan und Ford einen neuen Antrieb enwickeln, der nicht mehr kostet als ein Dieselhybrid - also einen Aufpreis zwischen 3000 und 5000 Euro. Das erste Auto aus der Kooperation soll 2017 auf den Markt kommen. Hyundai fertigt gerade eine Kleinserie, Toyota will 2015 ein Fahrzeug auf den Markt bringen. Auch Kia und Honda arbeiten an Brennstoffzellenfahrzeugen.Daimler und Partner investieren 350 Millionen Euro
Die Initiative der Industrieunternehmen enthält auch einen Appell für Unterstützung an die Politik. Gleichzeitig mit der Bekanntgabe des geplanten Joint Ventures legte der Beirat der NOW (Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie) ein Papier zur Weiterentwicklung desNationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellen-technologie (NIP) vor. "Neben der fortzuführenden Unterstützung von Forschung und Entwicklung zur Absicherung der technologischen Basis, müssen bereits jetzt auch die politischen Weichen für die Marktaktivierung ab 2014 gestellt werden", heißt es darin. Den gesamten Mittelbedarf für die Weiterentwicklung des NIP für den Zeitraum von 2014 bis 2023 beziffert NOW auf etwa 3,9 Milliarden Euro. Davon werde die Industrie 2,3 Milliarden Euro übernehmen. Die erforderliche Unterstützung durch die öffentliche Hand für F&E Aktivitäten und zeitlich befristete stark degressive Markteinführungsinstrumente belaufe sich auf etwa 1,6 Milliarden Euro verteilt auf zehn Jahre. Bis 2023 kann NOW zufolge so ein selbsttragender Markt entstehen.
"Entscheidend für den langfristigen Erfolg ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Industrie, Wissenschaft und Politik, getragen von einer gemeinsamen, langfristig angelegten Strategie", erklärt Professor Werner Tillmetz, Vorsitzender des NOW-Beirates. Das Strategiepapier nennt für das Jahr 2025 unter anderem folgende Ziele: Bundesweit sollen mehr als 500 öffentliche Wasserstofftankstellen entstehen. Sie sollen über eine halbe Million Brennstoffzellen-PKW und 2000 Brennstoffzellenbusse im Linienbetrieb des Öffentlichen Personennahverkehrs versorgen.Die "H2-Mobility"-Initiative will in den kommenden vier Jahren die ersten 100 Wasserstoff-Stationen in Betrieb nehmen. Ziel ist, zwischen den Ballungsgebieten mindestens alle neunzig Autobahn-Kilometer eine H2-Tankstelle anzubieten. Nach dieser Planung stehen in den Metropolregionen ab 2023 jeweils mindestens zehn Wasserstoffstationen zur Verfügung. "Bereits heute betreibt Shell ein Wasserstoff-Tankstellennetz in Deutschland und Kalifornien, das auf innovativsten Techniken beruht – unter anderem die weltgrößte H2-Tankstelle in Berlin. Nach erfolgreichem Joint-Venture-Start wird Shell eine ganz wesentliche Rolle bei der Entwicklung des künftigen H2-Tankstellennetzes in Deutschland spielen. Innerhalb der Mobilität der Zukunft ist Wasserstoff ein wichtiger Baustein", so Peter Blauwhoff, Chef der Deutschen Shell Holding GmbH.