Der Nfz-Industrie geht es in Summe weltweit ja nicht gerade hervorragend. Vor allem in Europa ist die Lage angespannt. Wir erwarten nun vornehmlich Impulse durch den Trend, die Effizienz und Wirtschaftlichkeit von Nutzfahrzeugen weiter zu erhöhen – und zwar ausdrücklich auch auf den aufstrebenden Märkten: Also Technologien zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs, zur Erhöhung der Sicherheit und zur immer umfassenderen intelligenten Vernetzung der Fahrzeuge. Zu unseren Messehighlights gehörte die Vorstellung der dritten Generation von Nutzfahrzeugreifen. Wir zeigten aber unter anderem auch einen neu entwickelten Kraftstoffqualitätssensor, etwa für Biosprit und zur Ermittlung des Wassergehalts, sowie ein intelligentes Kamerasystem für Nutzfahrzeuge, mit dem der Fahrer in Echtzeit eine komplette Rundumsicht sowie auch eine "Draufsicht“ auf sein Nutzfahrzeug erhält.
"Erwarten 2013 Marktwachstum von bis zu drei Prozent"
Der Verlauf des ersten Halbjahres bestätigt unsere zuletzt getroffene Markteinschätzung, bei der wir für Europa von einem Rückgang der Nutzfahrzeugproduktion in Höhe von fünf Prozent und für die NAFTA-Region von einem Anstieg in der Größenordnung von acht bis zwölf Prozent ausgehen. Wachstumspotential für Continental sehen wir vornehmlich in den Schwellenländern wie etwa Indien und China. Zum Beispiel bei der Herstellung von Lkw-Reifen. In China entwickelt sich das Premiumsektor erst. Da ist Brasilien bei der Zahlungsbereitschaft für Premiumprodukte schon weiter. Zunehmend strengere Emissionsstandards in den BRIC-Ländern bieten Wachstumsmöglichkeiten für Antriebsprodukte und unser ContiTech-Geschäft, zum Beispiel mit Schlauchleitungen.
Wir sind gut unterwegs. Mit Blick auf unsere Halbjahreszahlen sehen wir uns auf Zielkurs für ein weiteres Rekordjahr. Den Umsatz konnten wir in den ersten sechs Monaten 2012 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um knapp 11 Prozent auf 16,5 Milliarden Euro steigern. Wir wachsen somit schneller als der Markt. Gleichzeitig legte das operative Ergebnis um fast 26 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro zu. Die Marge beträgt 9,7 Prozent nach 8,6 Prozent im ersten Halbjahr 2011. Aufgrund der guten Entwicklung im ersten Halbjahr rechnen wir nunmehr mit einem Anstieg des Konzernumsatzes um mehr als sieben Prozent auf leicht über 32,5 Milliarden Euro. Zudem haben wir wie angekündigt auch im zweiten Quartal neue Arbeitsplätze geschaffen. Das Unternehmen hat inzwischen rund 170.000 Beschäftigte, das sind etwa 7000 mehr als vor einem Jahr. Gleichwohl müssen wir die Unsicherheiten auf den weltweiten Absatzmärkten, die schwierige wirtschaftliche Situation in einigen Mitgliedsländern der Europäischen Union und die Verlangsamung des Wachstums der Weltwirtschaft weiter sehr genau im Blick behalten.
Strategische Eckpfeiler unserer Wachstumsziele sind unsere Ausrichtung entlang der Megatrends der Automobilindustrie und der Wachstumsmärkte sowie das Ziel, unsere Abhängigkeit von dem vergleichsweise volatilen Erstausrüstungsgeschäft zu reduzieren. Wir wollen statt bisher knapp 30 Prozent mindestens 40 Prozent unseres Umsatzes außerhalb der Erstausrüstung erwirtschaften. Grundsätzlich sind wir als Systemlieferant in allen Zukunftstechnologien sehr gut positioniert. Sei es beim Thema Elektromobilität, der Vernetzung des Autos in sich und mit seiner Umwelt oder auch beim Trend zum teil- beziehungsweise vollautomatisierten Fahren. In allen Bereichen leisten wir Pionierarbeit und legen den Grundstein für nachhaltiges Wachstum. Ebenso sind wir sehr breit in allen relevanten Automobilmärkten aufgestellt und können deshalb – trotz der aktuellen Rückgänge auf dem europäischen Markt – insgesamt wachsen. Dabei konzentrieren wir unsere Investitionen vornehmlich auf die BRIC-Zukunftsmärkte. Mit zwei Milliarden Euro wollen wir in diesem Jahr rund 20 Prozent mehr investieren als 2011. Für die Reifendivision etwa haben wir Ende vergangenen Jahres mit einem Volumen von einer Milliarde zusätzlich in vier Jahren ein in der Unternehmensgeschichte einmaliges Investitionsprogramm aufgelegt, um unsere Produktionskapazitäten der globalen Nachfrage anzupassen. Es soll die potenziellen Produktionsstückzahlen weltweit um mehr als 20 Millionen Reifen aufstocken. Insgesamt sind das Reifengeschäft und unser Geschäft mit Gummiprodukten bei ContiTech wichtige Stützen: Beide Bereiche haben in der Krise für die notwendige Stabilität gesorgt. Deshalb bauen wir unsere Aktivitäten insbesondere in Feldern wie dem Ersatzreifengeschäft oder dem ContiTech-Geschäft außerhalb der Erstausrüstung aus, ohne dort das Wachstum zu vernachlässigen. So haben wir erst kürzlich unser Industriegeschäft mit Spezialförderbändern mit einem Zukauf gestärkt.
Der Ölpreis wird vor allem durch geopolitische Risiken und Spekulationen getrieben, wie zum Beispiel über einen möglichen Konflikt im Nahen Osten. Mittelfristig wird der Ölpreis also auch durch die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm, weitere geldpolitische Stimuli in den USA, die Entwicklungen in der Eurozone und in Syrien bestimmt. Aber Öl wird bestimmt nicht billiger. Bei Seltenen Erden hat sich der Preisabschwung von 2011 in einigen Rohstoffgruppen aufgrund des Abschwungs der Weltwirtschaft fortgesetzt. Eine Bodenbildung der Preise könnte erreicht sein – allerdings auf einem immer noch sehr hohen Niveau im Vergleich zu früheren Jahren. Für die kommenden zwölf Monate erwarten wir hier keine wesentliche Änderung. Bei Stahl ist momentan eine Seitwärtsbewegung zu beobachten. Die Preise von Naturkautschuk haben in den vergangenen Jahren fast Jojo gespielt: Aktuell liegen sie wieder bei rund drei Dollar pro Kilogramm. Aufgrund des wirtschaftlichen Umfelds und Interventionen der Hauptproduzenten in Bezug auf die Preisentwicklung gehen wir derzeit insgesamt von leicht steigenden Preisen aus.
Zwar spüren wir die rückläufigen Abrufzahlen, weil die von Ihnen genannten Autohersteller wegen der Euro- und Finanzkrise zum Teil mit deutlichen Absatzrückgängen fertig werden müssen. Generell verzeichnen wir Rückgänge aber nur bei den Kunden, die sich ganz überwiegend auf die europäischen Märkte konzentrieren. Insgesamt hat der weltweite Automobilmarkt noch eine Menge Potenzial, davon profitieren wir durch unsere weltweite Aufstellung ebenso wie von der Exportstärke deutscher Autohersteller wie dem VW-Konzern, BMW oder Daimler. Deren Erfolge in den wachsenden Märkten in Asien und den USA helfen uns ebenso wie die gute Auftragslage bei anderen Kunden in Nordamerika oder Asien, das Minus in Europa auszugleichen.
Bisher sehen wir keine Notwendigkeit, derlei Schritte einzuleiten. Das Jahr 2012 dürfte keine nennenswerten Überraschungen mehr bringen.
Es gab einen Hype nach der Messe in Detroit 2009. Die Sinuskurve schlägt jetzt in die andere Richtung um, bis hin zum Totreden der E-Mobilität. Beides ist unsinnig. Erst wenn wir es schaffen, E-Fahrzeuge auf den Markt zu bringen, die in Preis, Größe und Komfort einem herkömmlichen Verbrenner in nichts nachstehen, werden wir eine nennenswerte Anzahl von Elektroautos auf deutschen Straßen sehen. Dieser Zeitpunkt ist unserer Meinung nach frühestens in zehn, realistisch aber eher in 15 Jahren erreicht. Wir können, wenn die Weltwirtschaft einigermaßen stabil bleibt, 2020 auf etwa 100 Millionen Pkw und leichte Nutzfahrzeuge kommen. Wir halten es derzeit für realistisch, dass dann etwa zehn Prozent der 100 Millionen produzierten Fahrzeuge in irgendeiner Art elektrifiziert sind. Etwa zwei Prozent fahren dann rein elektrisch, Hybride machen rund acht Prozent aus. Damit käme man 2020 bei rein elektrisch betriebenen Fahrzeugen in eine Größenordnung von zwei Millionen Stück. Trotz aller Herausforderungen ist Continental von der langfristigen Marktfähigkeit der Elektromobilität überzeugt. Wir sehen uns als einen der führenden Wegbereiter. Schon wegen der schieren Marktgröße wird China unserer Einschätzung nach Leitmarkt für Elektrofahrzeuge. Dies muss es auch werden, will es eines Tages einen ähnlichen PKW-Bestand pro 1000 Einwohner erreichen, wie beispielsweise Deutschland: Würde dieser Bedarf mit Verbrennern abgedeckt, würde das jährlich weltweit geförderte Öl alleine durch die chinesische PKW-Flotte verbraucht werden. Vollelektrische Autos werden nach unserer Erwartung vor allem in Megacities vorfahren. Ich denke da an kleine Fahrzeuge, maximal viersitzig, ausgerüstet mit Technologien für die Umfelderkennung, um Unfälle garantiert zu vermeiden. Damit sind weitere Gewichtsreduzierungen möglich. In Deutschland müssen wir bei der E-Mobilität den Anspruch auf die Technologieführerschaft erheben und umsetzen. Wenn das gelingt, werden unsere Produkte zu einem weiteren Verkaufsschlager.
Ja, absolut. Mithilfe der starken Nachfrage nach individueller Mobilität in den aufstrebenden Schwellenländern zu wachsen, ist ein zentrales Element unserer Strategie. Noch hängen wir zu 60 Prozent von Europa ab. Mehr als ein Drittel der weltweit produzierten PKW stammt aber bereits aus den BRIC-Ländern. Alleine China steuert 23 Prozent hinzu. Deshalb lokalisieren wir unsere Wertschöpfungskette in den Märkten und nutzen unser umfassendes Technologie-Know-how sowie unser globales Entwicklungs- und Produktionsnetzwerk, um für Hersteller direkt vor Ort attraktive Produkte und Lösungen zu entwickeln und zu produzieren. So wollen wir beispielsweise bis 2016 ein Drittel unseres Umsatzes im Bereich Automotive in Asien erwirtschaften. Ein Großteil unserer Investitionen fließt deshalb in die BRIC-Länder, in denen wir neue Produktionskapazitäten schaffen und die Entwicklungsstandorte vor Ort stärken. So haben wir zum Beispiel erst kürzlich ein neues Entwicklungszentrum für Antriebsprodukte in Brasilien und in Singapur für Anzeige- und Informationstechnologien eingeweiht. In China ist im August unser Werk für Zweirad-Reifen in Hefei angelaufen. Gleichzeitig haben wir die Erweiterung unseres Werks in Jiading und den Bau eines zweiten Werks in Wuhu beschlossen. Neben dem klaren Wachstumsziel möchten wir uns mit dieser Strategie auch von lokalen konjunkturellen Entwicklungen unabhängig machen. Dass diese Ausrichtung bereits Früchte trägt, haben unsere Halbjahreszahlen gezeigt. Die schwächelnde Konjunktur in Europa und die damit verbundenen Rückgänge beim Autoabsatz konnten wir durch das Wachstum in den BRIC-Ländern und den USA mehr als ausgleichen.
Über Verkäufe diskutieren wir momentan nicht. Wir prüfen dagegen potentielle Zukäufe ständig. Wir wollen aber zunächst vor allem organisch wachsen, denn Vorrang hat der Abbau der Netto-Finanzschulden von derzeit noch deutlich über sechs Milliarden Euro. Unser Ziel ist, den Verschuldungsgrad (Gearing-Ratio; Anm. d. Red.) von derzeit knapp über 80 Prozent auf 60 Prozent zu reduzieren. Das trauen wir uns zu bis Ende 2013/ Anfang 2014. Dann haben wir auch wieder mehr Flexibilität für Akquisitionen ebenso wie Investitionen. Denn wir wollen durchaus noch weiße Flecken auf der Landkarte tilgen. Bei Powertrain haben wir etwa in Japan ein sehr überschaubares Geschäft. Bei Reifen können wir in Asien noch enorm zulegen. Und bei ContiTech etwa in Brasilien, mit seinen Rohstoffen wie Öl vor den Küsten. Da gibt es große Chancen für unser Industriegeschäft.
Wir haben aktuell noch keine allzu großen Schwierigkeiten, unsere offenen Positionen zu besetzen. Aber das hat auch seinen Grund: Wir bieten eine Vielzahl attraktiver Jobs. Zudem dürfen sich Neueinsteiger bei uns auf ein spannendes und leistungsförderndes Umfeld freuen, in dem Faktoren wie offene Türen, flache Hierarchien und Flexibilität selbstverständlich sind. Die Rekrutierung an sich dauert aber trotzdem inzwischen länger als noch vor vier, fünf Jahren. Der DAX-Aufstieg hilft uns, mehr Präsenz in der Öffentlichkeit zu zeigen. Aber wir wissen auch: Der Kampf um die besten Talente wird härter – denn die jetzt auf den Arbeitsmarkt kommende Generation Y kann den Wegfall der Babyboomer, zumindest zahlenmäßig, nicht auffangen. Der Blick auf die nächsten fünf bis zehn Jahre erfüllt uns schon mit Sorge. Auch die Politik ist deshalb am Zug: Die Zuwanderung ausländischer Akademiker und Fachkräfte muss erleichtert, die Lücke so zumindest teilweise geschlossen werden. Aber das wird nicht reichen. Daher müssen junge Leute fundierter ausgebildet und besser auf berufliche Herausforderungen vorbereitet werden. Gerade in wichtigen MINT-Fächern muss die Begeisterung sehr früh geweckt und gehalten werden – Abbrecherquoten von 30 Prozent bei Ingenieur- und Naturwissenschaften an den Universitäten sind untragbar! Als Continental leisten wir unseren Beitrag durch diverse Aktivitäten an Schulen und Universitäten. In der Form, dass unsere Mitarbeiter als Botschafter für Technik den Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis machen.
Das Verhältnis ist sehr gut. Wir arbeiten konstruktiv zusammen. Und zwar in vielen Bereichen, bei der Vorentwicklung, in der E-Mobilität, auch bei Projekten kurz vor der Serieneinführung. Zum Beispiel kooperieren wir so hervorragend bei Turboladern, dass wir eine sehr gute Chance sehen, bald nach Ford und einem europäischen Hersteller einen dritten Kunden gewinnen zu können.
Zunächst gebührt großer Dank unseren 170.000 Mitarbeitern weltweit, die das möglich gemacht haben. Der Einzug in den DAX wird uns helfen, bei der Refinanzierung bis 2014 bessere Konditionen zu erhalten. Wir haben jüngst mit einer Dollar-Anleihe schon schnell gehandelt. Wir werden zudem noch sichtbarer in der Öffentlichkeit, das ist gut für die Rekrutierung junger Talente. Und wir erwarten einen positiven Effekt für das Selbstbewusstsein. Es ist wie im Sport: Die Motivation kommt automatisch mit dem Erfolg. Gewinnermentalität gehört zur DNA von Continental.
Zuallererst Qualität. Das war so und bleibt so. Denn wir können noch so exzellente Ideen haben – wir müssen sie vor allem mit höchster Güte in Serie zu den Kunden zu bringen. Sonst sind unsere Ideen wertlos. Dann Innovationsstärke: Wir leben von der Kreativität und wollen ein Umfeld für deren freie Entfaltung schaffen. Dabei spielt unsere Unternehmenskultur eine entscheidende Rolle. Mit 400 Führungskräften haben wir deshalb jüngst vier zentrale Werte unserer Kultur herausgearbeitet: Vertrauen, Freiheit des Handels, Verbundenheit und Gewinnermentalität.
Im Vergleich zu ersten acht Monaten erwarten wir keine signifikanten Veränderungen. Der Start in das Jahr 2013 hängt davon ab, wie es Finanzmarkt und Politik gelingt, Vertrauen zu schaffen. Die Verschuldung in den USA und Europa muss unter Kontrolle gebracht werden. Nach den Präsidentschaftswahlen in den USA kann – wer immer US-Präsident wird – es sich nicht leisten, den leichten Aufschwung zu gefährden. Wir rechnen damit, dass der Markt weltweit auch 2013 weiter zwischen ein und drei Prozent wächst. Dabei ist zu erwarten, dass Europa leicht rückläufig ist oder stagniert. In Nordamerika kann der Markt leicht zulegen und in Asien wachsen. 2013 könnten also, wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, rund 82 Millionen Fahrzeuge verkauft werden, nach rund 80 Millionen laut Experten-Prognose in diesem Jahr. Damit könnte Continental gut leben.