Nissan plant nach Leaf komplette Elektroflotte

Lissabon. Nissan plant für die kommenden Jahre neben dem Leaf drei weitere Elektrofahrzeuge. Bis 2014 wird es neben dem Kompakten einen Lieferwagen und einen sportlichen Kleinwagen der noblen Schwestermarke Infiniti mit E-Antrieb geben. "Dies ist nur der Startschuss für den Aufbau einer ganzen Elektrowagen-Familie", sagte Pierre Loing, Produktplanungs-Chef und Leiter des Bereichs Elektrofahrzeuge, am Rande der ersten internationalen Fahrpräsentation des Leaf in Lissabon.

Produktentwicklungschef Francois Bancon sagte der Automobilwoche, es werde unter anderem ein weiteres Fahrzeug geben, das ähnlich unkonventionell wie die Nissan-Crossover-Modelle Qashqai oder Juke sein werde. Basis sei die Studie LandGlider. Dieser Zweisitzer wurde 2009 auf der Motorshow in Tokio gezeigt.

Beginnen wird das Elektrozeitalter bei dem japanischen Hersteller jetzt aber mit dem Leaf. Im Gegensatz zu vielen anderen Elektroautos wurde der Leaf eigens für den Einsatz als E-Fahrzeug entwickelt. Er basiert nicht auf der modifizierten Plattform eines Verbrennungsmotor-Modells.

Der Fünfsitzer in dem Format des VW Golf kommt ab Ende Dezember in den USA und in Japan in den Handel und wird in Europa ab Anfang 2011 ausgeliefert. Nach Deutschland wird der Leaf aber wohl erst Anfang 2012 gelangen. "Das ist ein denkwürdiger Tag für uns", sagte in Lissabon Nissan-Deutschlandchef Andreas Gabriel zum Auftakt der ersten Fahrpräsentation des Elektroautos. Im Gegensatz zu vielen Studien und Vorserienmodellen verschiedener Wettbewerber sei der Leaf ein alltagstaugliches Serienauto, das nach jahrelanger Entwicklung und monatelangen Tests nun an die Kunden ausgeliefert werde, betonte Gabriel.

Zu Beginn der Entwicklung des Leaf hatten die Entwicklungsingenieure von Nissan den wohl spannendsten Auftrag ihrer bisherigen Karriere erhalten: die Konstruktion des ersten Serien-Elektrofahrzeuges der Japaner, das vor allem nicht eines darf: Kinderkrankheiten aufweisen. Nach jahrzehntelanger Entwicklung kann der Auftrag jetzt als erledigt gelten.

Bei einer längeren Testfahrt mit dem Kompaktwagen können Journalisten aus ganz Europa derzeit in Lissabon das neuartige Auto im Alltagsverkehr bewegen. Auch die Automobilwoche hatte Gelegenheit dazu. Sichtbare oder spürbare Mängel fanden wir nicht. Das Auto lässt sich kinderleicht bedienen und die Verarbeitungsqualität ist vergleichsweise hoch. Das nahezu lautlose Gleiten würde jedes kleinste Geklapper in dem Leaf zu Gehör bringen - doch zu hören gibt es außer dem leichten Sirren des Elektromotors nichts. Im Normalmodus zeigt der Leaf mit dem typischen Drehmomentverlauf von Elektroantrieben jedem großen Diesel die Rücklichter, im Eco-Modus ist der Antritt aber merklich verhaltener.

Die ersten Kunden des Leafs werden ab Dezember in den USA und in Japan ihren "Null-Emission-Wagen" erhalten. Anfang 2011 werden dann auch die ersten Käufer in Europa ihren Leaf erhalten, angefangen mit Portugal, Großbritannien, Irland und den Niederlanden. Diese Länder hat Nissan ausgesucht, weil ihre Regierungen den Kunden die höchsten Geschenke beim Kauf eines E-Autos macht, meist 5000 Euro pro Fahrzeug.

In einer zweiten Welle werden ab Mitte 2011 die Märkte in Frankreich, Spanien, Dänemark und in der Schweiz folgen. Ganz zum Schluß dann, frühestens ab Ende 2011, vermutlich eher Anfang 2012, sind auch Deutschland, Italien und Griechenland an der Reihe. In diesen Ländern sind bislang keine staatlichen Kaufanreize vorgesehen - in Deutschland allerdings arbeiten verschiedene Ministerien längst auch daran, wie die Automobilwoche erfuhr (mehr dazu in der nächsten Automobilwoche-Ausgabe am Dienstag, 2. November.) Deutschlandchef Andreas Gabriel kalkuliert für den deutschen Markt mit einem Preis - ohne staatliche Anreize - von 34.000 bis 35.000 Euro.

Nissan bietet für den Erwerb des Leaf drei verschiedene Wege an: den Kauf als Ganzes, ein spezielles Leasing als so genanntes Personal Contract Purchase-Paket (PCP) oder ein PCP-Paket inklusive Mobilitätsgarantie. Der komplette Kaufpreis variiert dabei von Land zu Land je nach staatlicher Unterstützung. In Portugal kostet der Leaf beispielsweise 30.250 Euro, in Irland 29.995 Euro, in Großbritannien sogar nur 27.446 Euro.

Das entscheidende Bauteil des Leaf, die Lithium-Ionen-Batterie, stammt aus einer Kooperation mit dem japanischen Technologiekonzern NEC, dem Joint Venture Automotive Energy Supply Corporation (AESC). AESC verkaufe seine Batterien auch an jeden anderen Autobauer, betont Nissan.

Die Batterie hat eine Kapazität von 24 kW/h und arbeitet mit einer Spannung von 345 Volt. Damit kommt der Leaf nach Angaben von Nissan im Normalmodus auf eine Reichweite von 160 Kilometern. Bei einer sehr vorsichtigen Fahrweise im Eco-Modus jedoch seien auch bis zu 220 Kilometer möglich, erklären die Nissan-Techniker. Das untere Ende der Reichweite stellen allerdings nur rund 75 Kilometer dar, die bei sehr forscher Fahrt auf der Autobahn schnell erreicht sein können.

Für eine komplette Batterieladung benötigt der Leaf im Normalfall sieben bis acht Stunden. Eine Schnellladung an speziellen Ladestationen ermöglicht aber auch eine Beladung auf 80 Prozent der Kapazität in nur 30 Minuten. In Portugal hat der Staat dazu bereits über eine derzeit noch staatliche Organisation Mobi.E flächendeckend ein Netz von 50 Schnellladestationen und 1380 normalen Ladestationen aufgebaut. Über ein einheitliches Steckersystem und eine für alle Anbieter verpflichtende Clearingstelle können künftig auch die Elektroautos anderer Hersteller an diesen Stromtankstellen aufgeladen werden.

Unter der Haube des Leaf steckt ein Wechselstrom-Synchronmotor mit 80 kW/109 PS, der den Wagen in 11,3 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigt und eine Höchstgeschwindigkeit von 145 km/h ermöglicht. Das Drehmoment liegt bei 280 Nm, was vergleichbar ist mit einem großen 2-Liter-Dieselmotor oder einem 2,5-Liter Benziner. In der Länge misst der Leaf 4,45 Meter, in der Breite 1,77 Meter.

Ausgestattet ist der Kompaktwagen mit einem umfassenden Sicherheitspaket, ABS, ESP und Rückfahrkamera. Bei niedrigem Tempo bis zu 30 km/h erzeugt ein Geräuschgenerator einen Ton, damit das flüsterleise Auto von Fußgängern wahrgenommen werden kann. Der Leaf hat ein elektroauto-typisches einstufiges Automatik-Getriebe und wird über die Vorderräder angetrieben.

Den Nissan-Entwicklern ist es gelungen, die flach bauenden Batterien komplett im Wagenboden zu integrieren. Dadurch bleibt der Kofferraum in Kompaktwagengröße erhalten: rund 330 Liter fasst das Abteil. Mit umgeklappter Rückbank ergeben sich 680 Liter. Hier zahlt sich besonders aus, dass der Leaf anders als viele Hybridautos eigens für den E-Antrieb konstruiert wurde und keine elektrifizierte Version eines herkömmlichen Verbrennungsmodells ist. Das Trockengewicht des Leaf beträgt ohne Fahrer 1525 Kilogramm, das Gesamtgewicht gemäß EU liegt bei 1965 Kilogramm. Das scheint sehr hoch zu sein, im Stadtverkehr aber kann der Leaf dank seines hohen Drehmoments diese Masse flott nach vorne bewegen. Besonders spürbar wird das Gewicht aber im Eco-Modus und bergauf. Dann muss sich der E-Motor sehr mühen, um noch ein Gefühl von Beschleunigung zu erzeugen.

Nissan gibt auf alle Standard-Komponenten des Leaf eine branchenübliche Garantie von drei Jahren oder 100.000 Kilometern. Auf die Elektrokomponenten jedoch gibt der Hersteller inklusive der Batterien fünf Jahre Garantie. Damit wolle Nissan alle Ängste vor der neuen Technik ausräumen, erklärt Deutschlandchef Gabriel.