"Thors Hammer" soll zuschlagen

Stockholm. Volvo hat in der Nacht zum Mittwoch sein neues Flaggschiff XC90 der Fachpresse vorgestellt. Der Großraum-SUV ist ein extrem wichtiges Auto für die Schweden, weil er das erste Auto mit der grundlegend neuen Plattform SPA darstellt und auch das erste Auto ist, dass Volvo seit der Übernahme durch die chinesische Geely-Gruppe in Alleinverantwortung ohne Beteiligung von Ford entwickelt hat.

„Heute ist einer der wichtigsten Tage unserer Unternehmensgeschichte. Wir präsentieren nicht nur ein Fahrzeug, sondern auch die Weiterentwicklung der Marke Volvo," sagteVolvo-Vorstandschef Hakan Samuelsson in Stockholm . "Heute beginnt eine neue Ära. Der Volvo XC90 bereitet den Weg für viele neue und aufregende Modelle in den kommenden Jahren", so Samuelsson.

Mit dem Siebensitzer will Volvo insbesondere wieder verlorenes Terrain in den USA zurückerobern, wo die Schweden in den vergangenen Jahren deutlich Marktanteile verloren hatten. "In den USA braucht man einen aktuellen Siebensitzer, und den haben wir jetzt wieder", sagte Samuelsson bei der Vorstellung des neuen Wagens der Automobilwoche.

Die neue skalierbare Produkt-Architektur (SPA) des XC90 soll die Kostenbasis von Volvo gründlich verschlanken und zu erheblichen Synergieeffekten führen. In den nächsten vier Jahren will Volvo seine gesamte Palette im 60er und 90er-Segment (XC90, S90, XC 60, V60) auf diese neue Plattform stellen. Danach wird auf einer eigenen kleineren Plattform die gesamte 40er Baureihe stehen. Sie wird zur Zeit gemeinsam mit Geely in Göteborg entwickelt.

Für Volvo ist der neue XC90 so wichtig, dass die Schweden für ihn sogar ihr Markenemblem änderten: Der nach oben rechts zeigende Pfeil, der bislang steiler nach oben ragte, folgt jetzt exakt dem gleichen Winkel der diagonalen Querstrebe des Kühlergrills. Das Logo bildet zusammen mit den T-förmigen Tagfahrleuchten, die in Anlehnung an das Werkzeug des nordischen Donnergotts als „Thors Hammer“ genannt werden, das neue Markengesicht. Es wird in allen neuen Volvos zu finden sein.

Punkten soll der XC90 vor allem in drei Bereichen: Zum einen will Volvo damit seinen Führungsanspruch im Bereich der aktiven und passiven Sicherheit unterstreichen. So verfügt der XC90 unter anderem über eine "Run off Road Protection" sowie über einen Kreuzungsbremsassistenten. Dazu gibt es die neueste Version des Sicherheitspaketes "City Safety", die seit 2011 in allen Volvos serienmäßig an Bord ist und im Kern aus einem Notbremsassistenten besteht. „Die neuen Systeme sind ein weiterer Schritt auf dem Weg zu unserem Ziel, dass 2020 niemand mehr in einem neuen Volvo ernsthaft verletzt oder getötet wird“, erklärte dazu Entwicklungschef Peter Mertens.

Ein zweites wesentliches Unterscheidungsmerkmal der Marke soll mit dem neuen XC90 die einfache Bedienbarkeit der immer zahlreicher werdenden Funktionen werden. Unter dem Motto "designed around you" - gebaut um Sie herum - versucht Volvo, die komplexen Funktionen in eine selbsterklärende HMI namens "Sensus" zu integrieren. Dafür entschieden sich die Schweden für einen tabletgroßen Touchscreen-Monitor, hinter dem eine der aufwändigsten Hardware-Komponenten der Autobranche steckt. Das Gerät verfügt über Leistungsdaten, die nach Angaben der zuständigen Managerin Nina Aberg über denen des aktuellen iPad von Apple liegen.

Durch den Einsatz des Touchscreens wirkt das Cockpit des XC90 so aufgeräumt wie kaum ein zweites Premiumfahrzeug dieser Größe. Komplettiert wird die HMI durch ein aufwändiges Audiosystem von Bowers & Wilkins. Es besteht unter anderem aus einem Klasse-D Verstärker mit 1400 Watt und insgesamt 19 Lautsprechern.

Punkten will Volvo beim XC90 schließlich auch mit schwedischer Eleganz und edlen Materialien, die man sonst eher im Bereich der extremen Luxusautos kennt. Dazu gehört der Einsatz von besonders weichem Leder und Holz sowie handgefertigte Details wie beispielsweise ein Schalthebel aus Kristallglas von Orrefors, einem schwedischen Glashersteller, sowie in Diamantschnitt ausgeführte Bedienknöpfen.

In einem wichtigen Punkt allerdings überlässt Volvo bewusst der Konkurrenz die Dominanz: und zwar bei der verfügbaren Motorisierung. "Wir behaupten, es ist an der Zeit, mit dem Zylinderzählen aufzuhören", sagt dazu Entwicklungschef Mertens. Volvo hat sich bereits vor drei Jahren entschieden, künftig nur noch auf Vierzylinder zu setzen. Vorstandschef Samuelsson ist sicher, dass die Volvo-Kundschaft diesen Weg mitgehen wird: "Die Gesellschaft geht klar in Richtung vier Zylinder. So viel Stahl und aluminium zu verbauen, um eine Spitzenleistung 20 Sekunden lang zu erhalten, das ist nicht vernünftig. Unsere Kunden verstehen das und wollen dies auch ihren Nachbarn zeigen."

Diese Zurückhaltung bei der Motorisierung gilt nun auch für das Flaggschiff XC90. In der Topversion des XC90 kommt ein neuer Twin-Engine-Antriebsstrang zum Einsatz, der einen 2,0-Liter-Benziner mit Turbo- und Kompressor-Aufladung und einen Elektromotor kombiniert. Die Systemleistung der Plug-in-Hybrid-Version beträgt dadurch rund 294 kW (400 PS) bei einem CO2-Ausstoß von 60 Gramm pro Kilometer und einem Verbrauch von 2,7 Litern je 100 Kilometer (NEFZ). Volvo rechnet damit, dass rund fünf Prozent der XC90-Kunden sich für diese Twin-Engine-Lösung entscheiden.

Verfügbar sind im XC90 ferner auch die bekannten Dieselmotoren D5 mit 225 PS und einem NEFZ-Verbrauch von 5,3 Liter sowie ein D4 mit 190 PS und einem Normverbrauch von 4,9 Liter. Hinzu kommen zwei Benzintriebwerke: der T6 mit Kompressor- und Turboaufladung, der 320 PS entwickelt, sowie ein T5 mit 254 PS. Alle Motoren werden mit einem Achtgang-Getriebe geschaltet.

Wer einen XC90 fahren will, muss nun mindestens 49.400 Euro auf den Tisch legen. Dafür gibt es das Einstiegsmodell D4 Kinetic mit einem Dieselaggregat von 190 PS und Frontantrieb.

Deutlich luxuriöser fällt eine "First Edition" aus, die ab Montag, 3. September, 16 Uhr ausschließlich im Internet bestellt werden kann und auf 1927 Exemplare limitiert ist - im Jahr 1927 wurde die Firma Volvo gegründet. Diese Version hat Vollausstattung, Automatik-Getriebe, ist in Onyx-Schwarz-Metallic lackiert und verfügt über einen D5-Dieselmotor mit 225 PS. Dafür müssen die geneigten Käufer allerdings auch 90.200 Euro hinblättern.

Volvo kündigte in Stockholm an, künftig noch stärker auf den Direktvertrieb über das Internet zu setzen. Ab 2015 soll die gesamte Modellpalette online bestellbar sein. Dabei sollen die Fahrzeuge allerdings stets über das etablierte Händlernetz ausgeliefert werden. "Wir wollen kein Eigengeschäft starten, sondern setzen auf unsere bewährten Vertriebspartner", sagte Vertriebschef Alain Visser der Automobilwoche.