Stuttgart. Daimler treibt die Restrukturierung der chinesischen Pkw-Vertriebsorganisation voran und hat dafür sogar einen China-Experten von Audi abgeworben. Im Stuttgarter Zentralvertrieb wurde ein eigener Bereich "Vertriebssteuerung China" geschaffen, der alle Pkw-Vertriebsfunktionen mit Bezug zum chinesischen Markt koordinieren und bündeln soll. Dies teilte der Stuttgarter Autohersteller mit. Die Leitung des neuen Bereichs werde mit Bernhard Auer (47) ein erfahrener Chinaexperte und Vertriebsspezialist übernehmen. Er berichtet direkt an den Vice President Sales Mercedes-Benz Cars, Matthias Lührs. Auer hat zuletzt bei der Audi AG den für China und Hong Kong verantwortlichen Vertriebsbereich geführt.
"Wir haben im letzten halben Jahr bereits zahlreiche Maßnahmen für unser China-Geschäft eingeleitet und kommen Schritt für Schritt voran. Im Mai setzte Mercedes-Benz den positiven Absatztrend aus den vorigen Monaten fort. Und wir bleiben gemeinsam mit dem Vertrieb in Deutschland natürlich weiter auf dem Gas", sagt Hubertus Troska, der seit vergangenem Dezember das neu geschaffene Vorstandsressort China bei Daimler übernommen hat. "Entscheidend für unseren nachhaltigen Erfolg ist, neben der Erweiterung und Verjüngung unserer Modellpalette, unter anderem der konsequente Ausbau unseres Händlernetzes. So erschließen wir stetig Städte und Regionen, in denen Mercedes-Benz bislang nicht ausreichend vertreten war."Daimler hat mit der Pkw-Marke Mercedes hohe Ambitionen auf dem chinesischen Markt, ist im vergangenen Jahr aber durch nicht-wettbewerbsfähige Vertriebsstrukturen unter die Räder gekommen. Im Gegensatz zu den Konkurrenten Audi und BMW unterhielten die Schwaben zwei getrennte Vertriebsorganisationen - einmal für importierte Fahrzeuge und einmal für die lokal im Joint Venture mit der chinesischen BAIC gefertigten Autos. Die Großhandelseinheiten machten sich gegenseitig Konkurrenz beim Händler und dadurch das Geschäft kaputt. Die Marke Mercedes hat im Jahr 2012 die Verkäufe gerade einmal um 1,5 Prozent auf 190.485 Fahrzeuge erhöht. Zum Vergleich: Audi wuchs um knapp 30 Prozent auf 405.838 Fahrzeuge, BMW um über 40 Prozent auf 326.444 Einheiten. In China will Mercedes bis 2015 auf ein Volumen von 300.000 Einheiten kommen. Davon sollen zwei Drittel aus lokaler Produktion stammen. Troska und China-ChefNicholasSpeeks sorgten vor einigen Wochen für weltweite Negativ-Schlagzeilen als die Automobilwoche einen Brief an die chinesischen Händler öffentlich machte, in denen die Mercedes-Manager den Händlern unter anderem Faulheit vorwarfen und mit Konsequenzen drohten.Daimler holt China-Spezialisten von Audi
Daimler sieht Troska hingegen gestärkt: Vertreter der fünf für Mercedes-Benz in China wichtigsten Händlergruppen (Boshi Group, China Grand Automobile, Lei Shing Hong, Pangda, Zhongsheng) haben den Manager einstimmig zum Vorsitzenden der Carl Benz Academy China (卡尔·奔驰学院) gewählt. Die Berufung Troskas sei ein Vertrauensvotum für das China-Management von Daimler und Mercedes-Benz, unterstrich der Autohersteller. Die Carl Benz Academy ist eine gemeinsame Institution von Mercedes-Benz in China und seinen wichtigsten lokalen Händlergruppen und bietet in Zusammenarbeit mit renommierten internationalen Universitäten eine weiterführende Berufsausbildung (MBA Business Administration) für Führungskräfte aus dem Automobilsektor an – bislang kam das Angebot der Academy rund 80 Mitarbeitern von Mercedes-Benz und seinen Händlern in China zugute. Die Händler haben sich verpflichtet, die Carl Benz Academy mit RMB 100 Millionen (gut 12 Millionen Euro) zu unterstützen.
Inzwischen hat Mercedes den Pkw-Großhandel unter einem Dach in der Beijing Mercedes-Benz Sales Service Co vereint. Außerdem soll das Händlernetz stark ausgebaut werden. In China sollen jährlich durchschnittlich 50 neue Händlerbetriebe dazukommen – insbesondere abseits der bekannten Megastädte. In diesem Jahr wird die Zahl übertroffen: 75 neue Betriebe werden ans Netz gehen, davon 36 in Städten, in denen die Marke bislang nicht vertreten war. Damit verfügt Mercedes dann über deutlich mehr als 300 Händler in China. Dazu kommt der Ausbau der Schulungskapazitäten. Mit der jüngst erfolgten Eröffnung eines neuen Schulungszentrums in Chengdu (Provinz Sichuan), dem größten außerhalb Deutschlands, und einem bereits geplanten weiteren Trainingscenter in Schanghai hat Mercedes insgesamt sieben solcher Einrichtungen in China. Dazu wollen die Schwaben das Aftersales-Geschäft steigern: Eine entsprechende, mehrstufige Initiative der neuen Vertriebsgesellschaft BMBS in China ist bereits angelaufen und umfasst unter anderem attraktive, wettbewerbsfähige Wartungs-, Service- und Garantiepakete.