Was Sie zum Thema Software Defined Vehicle wissen müssen

Das Software Defined Vehicle (SDV) – oder Software-definierte Fahrzeug – ist die Weiterentwicklung vom hauptsächlich auf Mechanik beziehungsweise Hardware basierenden Auto hin zu vornehmlich elektronisch gesteuerten und dadurch in erster Linie von Software abhängigen Autos.

Die Pkw-Software ermöglicht dabei zum Beispiel den Einsatz digitaler Fahrassistenzsysteme, die die Sicherheit der Fahrzeuginsassen und anderer Verkehrsteilnehmer erhöhen. Darüber hinaus wandelt sich durch Software das Radio zum Infotainmentsystem, Autos vernetzen sich mit anderen Verkehrsteilnehmern und der Straßeninfrastruktur, und durch Over-The-Air-Updates (OTA) bleibt das Auto während des gesamten Lebenszyklus immer auf dem neuesten Stand. Durch Entwicklungen wie "break-by-wire" und "steer-by-wire" werden sogar das Bremsen und Lenken zu Software-Funktionen.

Software-definierte Fahrzeuge bilden darüber hinaus die Grundlage für den Wandel der Industrie hin zum batterieelektrischen Antrieb sowie für die Einführung automatisierter und autonomer Fahrfunktionen. Daraus ergeben sich nicht nur Veränderungen bei der Produktion und den dabei verwendeten Plattformen, sondern auch mehr Möglichkeiten im Vertrieb und sogar neue Geschäftsmodelle in der Automobilbranche.

Der entscheidende Unterschied zwischen Software-definierten Autos und herkömmlichen Autos ist die gesteigerte Funktionalität. Dabei geht es im Kern um vier Bereiche:

• Sicherheit: Fahrassistenzsysteme, automatisiertes und autonomes Fahren, Car-to-X-Kommunikation
• Komfort: Infotainment, Streaming, Gaming, Personalisierung, Mobilitätsdienste, Carsharing
• Wartung: Telematik-Funktionen (etwa bei Versicherern), Intelligente Kfz-Diagnose, integrierte Warnsysteme, Performance-Analyse, Daten im Realbetrieb
• Updates: Lösung von Problemen oder nachträgliche Optimierung des Autos Over The Air, Umsatz durch variabel buchbare Upgrades, Features und Apps nach dem Pkw-Verkauf

Es handelt sich hierbei um einen Paradigmenwechsel in der Autoindustrie: Während hauptsächlich auf Hardware basierende Fahrzeuge nach dem Verkauf bis zum Ende ihres Lebenszyklus in der Regel bis auf Ersatzteile weitgehend unverändert bleiben, bieten Software-definierte Autos Möglichkeiten, die weit über das herkömmliche Geschäftsmodell der Hersteller hinaus gehen – etwa durch neue Vertrags-, Abonnement- und Abrechnungsmodelle in Vertrieb und Service.

So will zum Beispiel der Stellantis-Konzern bis 2030 rund 20 Milliarden Euro Umsatz mit Software-gestützten Produkten und Abonnements erzielen. Anders als auf Hardware basierende Fahrzeuge, die bereits im Moment des Kaufs durch den ersten Kunden stark an Wert verlieren, rechnen Experten damit, dass Software-definierte Autos um ein Vielfaches wertstabiler sein werden, weil die Software ständig auf dem neuesten Stand gehalten wird.

Vernetzte Fahrzeugfunktionen erhöhen die Komplexität Software-definierter Autos im Vergleich zu herkömmlichen Autos stark. Zentrale Architekturen und Plattformen müssen dem steigenden Anteil der Elektronik im Auto gerecht werden und trotzdem über verschiedene Modellreihen und -generationen hinweg skalierbar bleiben. Und das alles im besten Fall bei schnellen Software- Release-Zyklen, um mit der sich ständig wandelnden Kundennachfrage mitzuhalten.

Im Kern steht dabei die Frage nach dem Auto-Betriebssystem oder Pkw-OS (Operating System). Wie beim Smartphone handelt es sich dabei um das übergreifende IT-System, das hinter den auf dem Display im Cockpit sicht- und bedienbaren Instrumenten und Tafeln zur Steuerung von Infotainment, Kommunikation, Navigation, Musik, Klimaanlage und so weiter steckt. Zudem kontrollieren die Auto-Betriebssysteme grundlegende Elemente der Fahrzeugelektronik, zum Beispiel das zentrale Karosserie-Steuergerät.

Große Autohersteller wie Volkswagen (VW.OS) und Mercedes-Benz (MB.OS) entwickeln eigene Betriebssysteme. Dieser Ansatz ist zwar teuer und kostet zudem viel Zeit bei der Entwicklung, dafür ermöglicht das eigene digitale Ökosystem aber größere Kontrolle über die gewonnenen Nutzerdaten und verspricht Einnahmen durch deren zukünftige kommerzielle Auswertung. Zusätzlich können Hersteller auf die Betriebssysteme etablierter Elektronikkonzerne wie Google (Android Automotive) und Apple (Carplay) sowie verschiedene IT-Dienstleister und Open-Source-Systeme zurückgreifen.

Die Möglichkeit, mit einem Software-definierten Auto über dessen gesamten Lebenszyklus Geld zu verdienen, hat eine Kehrseite: Die Hersteller müssen dafür sorgen, dass die Software in allen im Umlauf befindlichen Autos fortlaufend aktualisiert wird und sicher ist vor etwaigen Cyber-Angriffen und Datenschutzverletzungen. Das erwarten Kunden vom Smartphone, und das werden sie auch vom Software-definierten Auto zu Recht erwarten. Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen werden dabei zu Schlüsseltechnologien.

Der dazu nötige Überwachungs- und Kontrollaufwand wird teuer. Ob die Hersteller ihn in-house übernehmen oder externe Dienstleister damit beauftragen, ist weitgehend offen. Ähnliches gilt für das Speichern der gewaltigen Datenmengen Software-definierter Autos. Diese liegen überwiegend auf den herstellereigenen Servern, aber spätestens bei Over-The-Air-Updates kommen Cloud-Plattformdienste ins Spiel, die ihrerseits ein Geschäft machen wollen.

Weitere Schwierigkeiten sind die Komplexität moderner Autos mit vielen Steuergeräten unterschiedlicher Zulieferer und die damit verbundene Kopplung von Fahrzeug-Funktionen an Hardware-Komponenten. Dadurch sind Modellpflegen oder neue Modellgenerationen für Upgrades notwendig. Ziel der Industrie auf dem Weg zum Software-definierten Auto ist deshalb die Trennung von Software und Hardware auf den einzelnen Steuergeräten und der Einsatz von wenigen großen Zentralrechnern statt hunderter Steuergeräte mit ihrer jeweils eigenen Software.

Der Weg zu vollständig Software-definierten Autos wird gerade erst geebnet, und es wird noch dauern, bis die fortlaufend aktualisierte Software in monatlichen Zyklen ihren Weg ins Auto findet, wie wir es schon heute von unseren Smartphones gewohnt sind.

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