Es war fast wie in alten Zeiten, als der VW-Konzern mit seinen Marken noch der unangefochtene Marktführer in China war. Der Reihe nach präsentierten VW, Audi, Porsche, Bentley und Lamborghini ihre Neuheiten am traditionellen Vorabend vor Start der Auto China in Peking (25. April bis 4. Mai 2024). Fast hatte es den Anschein, als müsse sich das Unternehmen nach 40 Jahren China-Präsenz vor etwa 500 geladenen Gästen im Phoenix Center selbst Mut machen für die kommenden schweren Jahre.
VW-Chef Blume verspricht in Peking "China-Speed"
Modelle in Europa entwickeln und in China verkaufen – das funktioniert nicht mehr für VW. Deswegen ändert der Konzern seine Strategie radikal. Wie die aussieht und welche Modelle dabei herauskommen, zeigt VW in Peking.
Das zumindest ist gelungen. Im Mittelpunkt des Interesses stand das Showcar ID.Code, das 2026 auf den Markt kommen soll und einen Ausblick gibt auf die Designsprache des Konzerns, umringt von den chinesischen Besuchern, die ihre Smartphones gezückt haben. Mit der Fähigkeit zum autonomen Fahren auf Level vier sowie Technologie aus dem Baukasten des neuen Partners XPeng soll der ID.Code verdeutlichen, wohin die Reise für die Marke geht. „So läuten wir eine neue Ära der Mobilität in China ein”, sagt Markenchef Thomas Schäfer.
Das ist notwendig, da VW vor allem mit seinen rein elektrischen Modellen derzeit keinen Stich macht. Ob ID. 3 oder ID.4, die Verkaufszahlen stiegen zwar zuletzt, doch mangelndes Platzangebot und rückständiges Infotainment gehen an den Bedürfnissen der chinesischen Kunden vorbei. Auch der zur Messe mitgebrachte ID.7 dürfte vorerst nichts an der Schwäche im BEV-Bereich ändern. Autos in Deutschland zu entwickeln und dann für den chinesischen Markt anzupassen, das funktioniert längst nicht mehr.
„In China for China”, heißt deshalb die neue Strategie. Dafür hat VW seine Entwicklung in China nochmals deutlich gestärkt und steckt 2,5 Milliarden Euro in sein neues Joint Venture mit JAC in der Provinz Anhui. Als Brücke in die Zukunft entsteht hier die Submarke ID.UX, die mit einer markanten Designsprache und konsequent in China entwickeltem Infotainment die Kunden wieder für VW gewinnen will. Der ID.Unyx als erstes Modell soll noch in diesem Jahr auf den Markt kommen, bis 2027 sollen es fünf E-Autos sein.
Darüber hinaus entwickelt die in Hefei ansässige Volkswagen China Technology Company (VCTC) die erste China-spezifische Elektro-Plattform des Konzerns. Auf der China Main Plattform (CMP) sollen ab 2026 mindestens vier zusätzliche Modelle für das elektrische Einstiegssegment entstehen. Wichtig sei es gewesen, die jeweiligen Modelle für die Joint Venture-Partner, zu denen neben JAC auch FAW und SAIC zählen, stärker zu trennen.
„Die ist auch deshalb sinnvoll, damit sich die Händler nicht gegenseitig Konkurrenz machen”, sagte Schäfer im Gespräch mit der Automobilwoche.Viel Zeit bleibt nicht, wenn das Unternehmen seine hart erarbeitete Führungsrolle nicht aufs Spiel setzen will. Immer wieder ist an diesem Abend vom „China-Speed” die Rede. Konzernchef Oliver Blume spricht von einem Fitnessprogramm, welches das Unternehmen für den Wettbewerb auf den globalen Märkten stärke. China-Chef Ralf Brandstätter verspricht, dass in Zukunft alle drei Jahre ein neues Modell oder ein Facelift anstehe, alle drei Monate soll es ein Update aus der Ferne geben.
Mit dieser Strategie will VW zurück in die Erfolgspur. Auf dem Capital Market Day einige Stunden zuvor hatten CEO Oliver Blume und China-Chef Ralf Brandstätter bereits ehrgeizige Ziele formuliert. So plant der Volkswagen-Konzern, im Kompaktsegment bis 2026 Kostenparität gegenüber den lokalen Wettbewerbern zu erreichen. Im Klartext beutet dies Einsparungen von 40 Prozent, die etwa über die Vereinfachung der Elektronik-Architekturen mit deutlich weniger Steuergeräten erreicht werden soll.
Auch die Skalierung der Plattform mit dem Partner Xpeng sowie die Einführung der LFP-Batterietechnologie könne zur Kostensenkung beitragen, so Brandstätter. Der operative Gewinn in China soll bis 2027 auf mehr als zwei Milliarden Euro wachsen, bis zum Ende des Jahrzehnts sogar drei Milliarden Euro erreichen. Einkalkuliert ist dabei, dass es die nächsten Jahre wohl eher nach unten gehen wird. 2030 will die Volkswagen Group in China einen Absatz von vier Millionen Fahrzeugen und einen Marktanteil von 15 Prozent erreichen.
Im vergangenen Jahr waren es 3,2 Millionen Fahrzeuge und 14,5 Prozent Marktanteil. 2022 wurden 15,1 Prozent Marktanteil erreicht. Neben der Kernmarke VW sollen auch Audi, Porsche, Bentley und Lamborghini zum Erfolg beitragen. Mit dem elektrischen Porsche Macan, dem erneuerten Taycan oder dem Audi Q6 in der Langversion stellte das Unternehmen viele neue Modelle im Premiumsegment vor.
Obwohl der Gegenwind derzeit scharf bläst, macht sich am Abend in Peking auch Zuversicht breit, „Wir sind hungrig, wir sind fokussiert, wir werden kämpfen”, sagt Konzernchef Blume am Ende. 50 Millionen Kunden hat Volkswagen in China in den vergangenen 40 Jahren gewinnen können. In den nächsten 40 Jahren sollen viele weitere dazu kommen.