GWM legt Expansion auf Eis – und erwägt Verkauf von Verbrennern

Der chinesische Autobauer Great Wall Motor will sein europäisches Headquarter schließen und Europa künftig aus China betreuen. Was für den chinesischen Hersteller schwierig ist, kann für die Emil-Frey-Gruppe als Importeur für den deutschen Markt eine Chance sein.  

Die GWM-Neuausrichtung kam überraschend: „Wir bedauern diese schwierige Entscheidung: GWM wird den Betrieb der Great Wall Motor Deutschland, ihrem europäischen Hauptsitz in Deutschland, ab August 2024 einstellen und damit alle Arbeitsverträge beenden“, teilte der Hersteller mit. Zudem verlagert GWM das Teilelager von Nürnberg nach Amsterdam und vergrößert es zugleich deutlich.

Thiemo Jahnke, Brandmanager Great Wall Motor Deutschland, begründete die Entscheidung mit den derzeit schwierigen Marktverhältnissen und den drohenden EU-Strafzöllen, mit deren Einführung GWM rechnet. Es sei ohnehin ein extrem taktischer Markt, bei dem keiner Geld verdient, so Jahnke. „Die EU-Strafzölle ziehen unseren Business Case weiter ins Negative.“

Neben Deutschland ist GWM noch in Großbritannien sowie mehreren kleineren nordischen Ländern und Israel aktiv.

Die Neuausrichtung des chinesischen Herstellers kann sich für die Emil-Frey-Tochter O! Automobile, die als Importeur für den deutschen Markt zuständig ist, auch positiv auswirken. O! Automobile rückt näher an den Hersteller heran.

„Für uns geht es ganz normal weiter. Es ändert sich der Ansprechpartner und die Kommunikation. Wir kommunizieren nicht mehr mit München, sondern mit den Kollegen in Baoding“, sagt Johannes Brandenburger, Geschäftsführer O! Automobile. Das sei für die Emil-Frey-Tochter nichts Neues, da man von Anfang an auch mit den Kollegen aus dem chinesischen Headquarter in intensivem Kontakt stand.

Das könnte mit Blick auf die künftige Ausrichtung von Vorteil. Denn GWM kehrt dem europäischen Markt nicht den Rücken. „Wir wollen die Expansion nicht stoppen, sondern legen sie lediglich auf Eis, um sie gegebenenfalls später wieder aufnehmen zu können“, so Jahnke.

Zugleich will der chinesische Hersteller sein Angebot überarbeiten. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, das Line-up zu erweitern“, sagt Jahnke. Denkbar ist die Einführung von Verbrennermodellen: Damit würde GWM nicht nur seinen deutschen Markt deutlich ausbauen, sondern auch von möglichen EU-Zöllen auf chinesische Elektroautos unabhängiger sein.

Als größter europäischer Importeur könnte die Frey-Gruppe ihre Erfahrungen und Wünsche verstärkt einbringen. Dies gelang ihr bereits bei Mitsubishi, wo vor einigen Jahren ein Rückzug aus Europa zur Debatte stand.

„Wir analysieren den Markt und tauschen uns dann mit den Kollegen in China intensiv über neue Produkte aus. Letztlich entscheidet der Kunde“, so Brandenburger.  Wichtig sei, dass GWM das Geschäft in den Ländern weiter ausbaut, in denen die Fahrzeuge schon verkauft werden.

Wie stark der Einfluss der Frey-Gruppe ist, zeigte sich beim Marktstart. Great Wall Motors wollte die Wey-Modelle ursprünglich im Agentursystem verkaufen, O! Automobile setzte sich jedoch mit dem selektiven Vertriebssystem durch.

Die Entwicklung dürfte auch anderen chinesischen Herstellern zusetzen. „Dass Elektroauto derzeit weder in Deutschland noch in anderen europäischen Ländern laufen, ist natürlich Gift für chinesische Hersteller, die derzeit nach Europa kommen“, sagt Martin Benecke Senior Manager S&P Global.

Die Folgen sind klar: „Damit verschiebt sich bei ihnen alles nach hinten“, so Benecke. Aus seiner Sicht hat bis auf MG „keiner der chinesischen Hersteller auch nur annährend die Erwartungen erfüllt.“

Dabei hat sich GWM durchaus auf einen schwierigen Start eingestellt, allerdings wohl nicht so schwierig „Um die Marke in einem Land zu etablieren, brauchen wir mehrere Jahre, da sind Volumen eher zweit- oder gar drittrangig“, sagte Steffen Cost, der bei Great Wall Motor als COO noch bis Ende August für das operative Geschäft in Europa zuständig ist, Anfang des Jahres.

Entsprechend vorsichtig seine Prognose für das laufende Jahr: etwa 20.000 verkaufte Einheiten. Doch auch das dürfte noch deutlich zu optimistisch sein. In Deutschland, dem wichtigsten Markt, kam GWM laut Kraftfahrtbundesamt (KBA) in den ersten fünf Monaten (Stand 28. Mai) auf knapp 1050 Neuzulassungen.

Brandenburger ist zuversichtlich: „Wir greifen weiter an und werden in diesem Jahr mehr verkaufen als 2023.“ Im vergangenen Jahr waren es rund 4700 Ora und Wey.