Gebrauchtwagenhandel: Der Markt verteilt sich neu

Mit Neuwagen ist bei vielen Händlern nicht mehr viel zu verdienen. Von den drei Säulen im Autohandel – Neuwagen, Gebrauchtwagen und Aftersales – sind dort, wo die Hersteller am stärksten mitreden, die Erträge mit Abstand am geringsten.

So lag der Deckungsbeitrag im Neuwagenbereich laut dem Institut für Automobilwirtschaft (IfA) 2023 am Ende bei durchschnittlich 2,6 Prozent. Bei Gebrauchten sind es 4,0, in der Werkstatt gar 12,5 Prozent.

„Vertragshändler brauchen einen funktionierenden Gebrauchtwagenbereich – und das sind im Schwerpunkt junge Gebrauchtwagen –, um das Geschäftsmodell Autohaus aufrechtzuerhalten“, sagt Benedikt Maier, stellvertretender Direktor des IfA.

Auf der Suche nach neuen Erträgen machen sich auch an dieser noch starken Säule zunehmend die Hersteller zu schaffen. „Ziel ist, der zentrale Steuermann im Markt zu werden – auch im Gebrauchtwagenmarkt“, so Maier.

Den umfassendsten Ansatz dazu hat Volkswagen mit seiner Finanzsparte VWFS gewählt. Der Konzern will Fahrzeuge im Idealfall über den gesamten Lebenszyklus in der eigenen Bilanz halten. Bereits jetzt bleiben etwa 60 Prozent der Neuwagen in den Büchern des Konzerns.

Kommt ein Fahrzeug nach zwei bis vier Jahren aus dem Leasing zurück, soll es noch ein zweites oder drittes Mal ins Leasing gehen. Die angestrebten Quoten liegen bei 60 und 40 Prozent für die Zyklen zwei und drei. Der Vorteil: An jedem neuen Leasingvertrag verdient VWFS 600 bis 700 Euro plus Versicherung.

Darüber hinaus bleiben die Fahrzeuge länger in den Werkstätten der VW-Partner und sorgen dort für Serviceerträge. Normalerweise beginnen viele Kunden mit Autos ab fünf Jahren in freie Werkstätten abzuwandern.

Einen anderen Ansatz wählt BMW. Die Münchner dehnen ihr Agenturmodell auch auf junge Gebrauchtwagen bis 18 Monate aus und verkaufen diese künftig auf eigene Rechnung mit den Händlern als Vermittler. Auch die Aufbereitung der Fahrzeuge verlagert BMW von den Händlern in eigene Aufbereitungszentren. Bei den Händlern sollen künftig nur noch ein paar Demo-Fahrzeuge stehen. Der Rest soll in einem Zentrallager auf den Verkauf warten.

Stellantis wiederum baut mit Spoticar Trade eine B2B-Gebrauchtwagenplattform, auf der Gebrauchte im eigenen Bestand verauktioniert werden. Mitbieten können nicht nur Stellantis-Partner, sondern alle Händler – Vetragshändler werten das als Tabubruch. So aber wird der Bieterkreis erhöht und damit die Ertragschancen.

Stellantis bietet zudem auch Aufbereitung, Finanzierung und Versicherung an. 400.000 Gebrauchtwagen will Stellantis auf diese Weise 2025 verkaufen. Später soll dann mit Spoticar Direct sogar der Direktverkauf an Endverbraucher folgen – der Hersteller geht unmittelbar in Konkurrenz zu seinen Partnern, die dann wohl nur noch an der Auslieferung der Autos verdienen.

Gehen die Pläne der Hersteller auf, bedeutet das für den Handel Einbußen. „Auch wenn Händler oder Agenten in die Vermarktung der Gebrauchten einbezogen werden, wird sich jeder Hersteller seine eingebrachte Leistung vergüten lassen. Das kann nur von der Marge des Händlers abgehen“, sagt Maier.

Doch der Gebrauchtwagenmarkt ist komplex, die Risiken für die Hersteller enorm. Da wäre einmal die zusätzliche Logistik: Die Gebrauchtwagen müssen etwa bei BMW vom Händler zur Aufbereitung, ins Lager und dann wieder zum Händler. "Das kostet nochmals Geld und muss über Effizienzen in den Prozessen im Zentrallager amortisiert werden", sagt Maier.

Zudem müssen die Hersteller den richtigen Preispunkt finden. Das ist bei Gebrauchtwagen, wo jedes Fahrzeug eine eigene Historie hat, deutlich schwieriger als bei Neuwagen. Die Preisvorstellungen für Leasingverträge und Serviceleistungen gerade bei älteren Fahrzeugen passten häufig nicht zu den Vorstellungen der Kunden, so Maier.

Es sei kein Zufall, dass die Idee der längeren Fahrzeugbindung bisher nur auf dem Papier aufgegangen sei. „Bei den Herstellern stehen zu oft nicht das Ertragspotenzial je Fahrzeug über den Lebenszyklus, sondern die abgesetzten Einheiten im Vordergrund.“

Nicht zu vernachlässigen sind die Folgen für die Bilanzen. Diese blähen sich auf, wenn Tausende mit Fremdkapital finanzierte Fahrzeuge im Herstellerbestand stehen. „Die großen Fahrzeugbestände bedeuten eine hohe Kapitalbindung. Beim aktuellen Zinsniveau kostet dies richtig Geld.“ Das muss erwirtschaftet werden, was nicht leicht werden dürfte.