Für VW-Beschaffungsvorstand Dirk Große-Loheide sind eine gelebte Partnerschaft mit den Lieferanten und ein starkes Netzwerk die Schlüssel zum Erfolg. In einer gemeinsamen Anpassungsfähigkeit sieht er die beste Möglichkeit, um im Wettbewerb bestehen zu können.
Herr Große-Loheide, Volkswagen hat 2024 das Engagement auf der IZB deutlich verstärkt. Was ist Ihre Motivation für diese Präsenz?
In den aktuell herausfordernden Zeiten in der Automobilindustrie ist für Volkswagen und seine Zulieferer eine gute Zusammenarbeit und robuste Partnerschaft essenziell für die weitere Wettbewerbsfähigkeit. Zudem haben wir das Feedback und den Wunsch unserer Partner nach mehr persönlichem Austausch wahr- und ernst genommen.
Deshalb intensivieren wir auf der IZB unser Engagement und unsere Sichtbarkeit mit einem neuen Dialogkonzept. Unsere vier Volkswagen Group Hubs zu den Themen "Interieur & Exterieur","Elektronik &Connectivity","Powertrain & Batterie" sowie "Metall, Karosserie & Fahrwerk" bieten über die gesamte Messezeit hinweg einen guten Rahmen.
Auf der IZB präsentieren sich Beschaffung und Technische Entwicklung in einer Art Tandem. Hat sich in der Zusammenarbeit zwischen den Bereichen etwas geändert?
Wir haben schon immer eng zusammengearbeitet und das machen wir auch heute noch – mit der doppelten Schirmherrschaft zeigen wir diesen Schulterschluss noch deutlicher. Eins geht nicht ohne das andere. Insbesondere in der frühen Phase und in den Sourcings können wir in Gemeinschaftsleistung die Wettbewerbsfähigkeit unserer Fahrzeuge und unserer Industrie sicherstellen.
Dazu braucht es Transparenz und den direkten und offenen Austausch in beide Richtungen. Das haben wir auf der IZB auch zum Leitthema gemacht: "Empowering Partnerships: Competitiveness, Sustainability and Acceleration".
Im ersten Halbjahr 2024 sind wieder mehr Zulieferer in die Insolvenz geraten. Wie viel Sorgen bereitet Ihnen das?
Natürlich beobachten wir die Marktlage mit entsprechender Sorge. Und das in mehrfacher Hinsicht. Zum einen, weil es einen gewissen Trend widerspiegelt. Der Wettbewerb ist aktuell in der Automobilindustrie bekanntermaßen hart. Das Umfeld hat sich verschärft: Der Übergang von der Verbrenner- in die E-Antriebs-Welt, neue Wettbewerber und sich schnell ändernde Kundenanforderungen erfordern eine erhöhte Innovationsgeschwindigkeit, angepasste Geschäftsmodelle und Kostenstrukturen.
Dazu kommt eine gewisse politische Unsicherheit. Eine Transformation in dieser Größe ist ein enormer Kraftakt – es geht um das richtige Timing, kundenorientierte Produkte und die politisch unterstützte Infrastruktur. Das bekommen alle zu spüren, auch wir. Daher ist es wichtig, sich entsprechend neu auszurichten und gleichzeitig mit Partnern enger zusammenzurücken.
Und zum anderen?
Zum anderen sehen wir natürlich, dass teils langjährige Partner insolvenzgefährdet sind, Geschäfte auslagern oder Strukturen neu denken. Das zeigt, dass wir immer weiter an Innovationen, Optimierungen und Kostensenkungen feilen müssen, um im Wettbewerb zusammen zu bestehen und den Standort Deutschland überlebensfähig zu machen. Noch mehr Grund, Zukunftsideen frühzeitig gemeinsam zu entwickeln und der Welt zu zeigen, dass wir es auch in Europa schaffen können, wettbewerbsfähig Autos zu bauen.
Was unternimmt Volkswagen, um seine Lieferanten zu stützen?
Viele unserer Lieferanten sind bereits langjährige Partner. Doch auch Volkswagen selbst ist und bleibt ein starker und zuverlässiger Partner. Besonders in Krisenzeiten haben wir unsere Zulieferer nicht im Stich gelassen. Volkswagen hat in Bezug auf die Lieferantenrisiken, mit denen die gesamte Zulieferindustrie in den vergangenen Jahren zu kämpfen hatte, intensiv unterstützt. Ohne diese Unterstützung wäre die Zulieferer-Branche in Corona-Zeiten teils massiv in Schieflage geraten.
Partnerschaften laufen in meinen Augen dann gut, wenn beide Seiten ihr Bestes einbringen. Deshalb ist es für mich keine Einbahnstraße: Fairness, Effizienzsteigerungen, Qualität und Zuverlässigkeit sowie die tatkräftige Unterstützung der wesentlichen Strategien sollten im Fokus stehen. Für mich ist klar: Gelebte Partnerschaft und ein starkes Netzwerk sind die Schlüssel zum Erfolg.
Welche Bereiche in der Lieferkette bereiten Ihnen noch Sorgen?
Wir befinden uns in Zeiten, in der Krisen zum täglichen Bild gehören. Daran gewöhnt man sich natürlich nicht, doch statt sich nur Sorgen zu machen, kommen wir ins Handeln. Naturkatastrophen, Kriege, Finanzkrisen oder Cyberattacken: Statistisch gesehen haben wir täglich mittlerweile mehr als ein Ereignis, das unsere Lieferketten gefährdet. Und dennoch können wir unsere 114 Produktionswerke in der Regel stabil versorgen. Wir betrachten die gesamte Lieferkette, um sie robuster und widerstandsfähiger aufzustellen.
Schon in Hinblick auf die Nachhaltigkeit und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz gehen wir mit unseren S-Ratings der Lieferanten in die qualitative Absicherung. Gleichzeitig bestehen weitere Risiken, die wir frühzeitig erkennen und bei denen wir genauso frühzeitig in die Problemlösung gehen müssen. Das unterstützen wir durch unser Risikomanagementsystem SaRA, welches potenzielle Risiken schon vor Vergabe analysiert und so die passenden strategischen Entscheidungen möglich macht.