Aufsteigerin: Karin Radström hat einen klaren Auftrag

Auf der IAA Transportation in Hannover kam es im September zu einer denkwürdigen Szene. Am traditionellen Vorabend von Daimler Truck holte Karin Rådström ihren Vorgänger Martin Daum in einer charmanten Geste auf die Bühne und fragte ihn nach seinem schönsten Moment während seiner Amtszeit. Daum erzählte von seinen Erfahrungen in einem Hilfskonvoi. Doch es war ihm deutlich anzumerken, dass er an seinem plötzlich verordneten Abgang zu knabbern hatte.

Nur einige Wochen zuvor hatte Aufsichtsratschef Joe Kaeser mehr oder weniger im Alleingang entschieden, dass Daums Vertrag nicht mehr verlängert wird und Rådström zum 1. Oktober an die Spitze des Dax-Konzerns mit rund 100.000 Mitarbeitern aufrückt.

Auf einer eilig anberaumten Pressekonferenz sagte Kaeser, der Schritt sei wohlüberlegt. Dieses Vorgehen habe man bewusst gewählt, da Rådström so die Budgetplanungen für das nächste Jahr mitbestimmen könne.

Nach dem holprigen Übergang muss die Schwedin jetzt liefern. An ihrer Kompetenz zweifelt niemand. Die ehemalige Leistungssportlerin im Rudern wurde 2021 vom Konkurrenten Scania abgeworben, um die angeschlagene Marke Mercedes-Benz im wichtigen Markt Europa wieder in die Erfolgsspur zu führen.

Als sie anfing, schrieb die Division operativ noch einen dreistelligen Millionen-Verlust. Im Jahr 2023 stand dagegen ein Gewinn von 2,2 Milliarden Euro in den Büchern. Die Umsatzrendite lag bei über zehn Prozent.

Rådström schwört auf Kundennähe, auf Kostenkontrolle und Teamwork. Statt langer Abstimmungsschleifen bevorzugt sie Eigenverantwortung der Mitarbeiter und flache Hierarchien. Sie scheut aber auch harte Maßnahmen nicht. In Brasilien mussten Tausende Mitarbeiter gehen, um die Landesgesellschaft konkurrenzfähig aufzustellen.

Gegen widrige Marktbedingungen ist auch Rådström machtlos. So brach das Geschäft von Mercedes-Benz in diesem Jahr wegen der mauen Konjunktur in Europa regelrecht ein. Laut Prognose rechnet das Unternehmen mit maximal 135.000 Einheiten, im vergangenen Jahr waren es noch 159.000.

Im Werk Wörth wurde daher bereits Kurzarbeit angeordnet, die Verträge Tausender Leiharbeiter liefen aus. Um die kriselnde Sparte muss sich nun ihr Nachfolger Achim Puchert kümmern, mit dem Rådström ihr Team komplettiert hat.

Die Herausforderungen für die Managerin, die zwei Kinder hat und mit ihrem Mann in einem südlichen Randbezirk Stuttgarts in einem unprätentiösen Haus lebt, sind gewaltig. So muss sie auf der einen Seite die technologische Transformation zu emissionsfreien Fahrzeugen organisieren.

Ein wesentlicher Pfeiler soll der kürzlich vorgestellte eActros 600 für den Langstreckeneinsatz sein. „Wir haben 2000 Bestellungen, ohne dass die Kunden das Fahrzeug getestet haben – das ist mehr, als ich zu diesem Zeitpunkt erwartet hätte“, sagte sie auf der IAA.

Insbesondere die realistische Reichweite von 500 Kilometern überzeuge. Rådström hält es für möglich, dass 2030 jeder zweite Lkw bei Mercedes in Europa elektrisch angetrieben sein wird.

Auf der anderen Seite soll sie das Unternehmen aber vor allem profitabler machen und robuster gegenüber konjunkturellen Schwankungen. „Die besten Wettbewerber haben eine Umsatzrendite von 14 bis 15 Prozent“, sagte der mächtige Aufsichtsratschef Kaeser. Daran müsse man sich orientieren, um etwa auch Preisnachlässe leichter abfedern zu können.

Mit höheren Margen im Geschäft werde sich auch die Marktkapitalisierung verbessern, so Kaeser. Diese liegt aktuell bei rund 29 Milliarden Euro, während die besten Konkurrenten auf das Doppelte kommen. Kaeser: „Ich sehe keinen Grund, warum wir das nicht auch erreichen können.“