BMW-Vorstandschef Oliver Zipse hält das Verbrenner-Aus in der EU ab dem Jahr 2035 für einen Fehler. „Es beschneidet erfolgreiche Technologien, aber schafft keine ausreichenden Investitionen in neue Pfade und Technologien, um Europas Klimaziele zu erreichen“, sagt Zipse im Automobilwoche-Interview. Es gebe andere Möglichkeiten als ein Verbot, zum Beispiel den Anteil CO2-armer oder -neutraler Kraftstoffe zu erhöhen. Gleichwohl hält er die Elektromobilität für BMWs stärksten Wachstumstreiber. Entsprechend hoch sind seine Erwartungen an die Neue Klasse.
Herr Zipse, der Start der Neuen Klasse macht den Eindruck eines fundamentalen Wechsels. BMW hat die Entwicklung neu strukturiert, geht einen radikalen Weg im Design. BMW ist „All in“. Wie viel Risiko muss ein CEO da gehen?
Mit der Neuen Klasse legen wir die Messlatte in der Tat so hoch wie noch nie. Das Jahr 2025 ist der perfekte Zeitpunkt dafür, weil wir ohnehin die nächste Generation vieler Technologien eingeführt hätten. In Kombination mit einer neuen Architektur eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten – pünktlich zum weiteren Hochlauf der Elektromobilität.
Für die Elektromobilität ist es wirklich der richtige Zeitpunkt?
Man darf sich von der Debatte in Deutschland nicht irritieren lassen. Hier gab es einen Rückgang im Markt, weil Ende 2023 die Förderung gestrichen wurde. Aber bei BMW wächst der BEV-Absatz in Deutschland auch 2024. E-Mobilität wird für die nächsten Jahre unser stärkster Wachstumstreiber bleiben – auch und gerade wegen der Neuen Klasse.
Wir hörten mal von sechs Modellen der Neuen Klasse, dann hörten wir von acht. Wie viele Neue-Klasse-Modelle wird es geben?
Lassen Sie sich überraschen. Wir fangen mit zwei Modellen an: Wir beginnen im heutigen BMW-X3-Segment, dann werden wir eine sportliche Limousine bringen. Das sind bei uns die volumenstärksten Segmente. Wir starten also bewusst im Herzen der Marke BMW und werden das Angebot dann schnell in weitere Segmente ausrollen.
Die Marktanteile deutscher Autohersteller in China schwinden, und die chinesischen Marken wachsen rasant in ihrer Heimat. Wie viel Marktanteil kann BMW hier noch halten?
China ist mit 23 Millionen Einheiten mit Abstand der größte Markt der Welt. Und es sollte niemanden überraschen, dass auch dieser Markt sich normalisiert. Das heißt auch, dass hier wie in anderen Industrienationen lokale Hersteller perspektivisch die meisten Fahrzeuge fertigen werden.
In den USA oder Deutschland ist das schon lange der Fall. BMW hat je nach Markt zwischen drei und vier Prozent Marktanteil. Wenn wir also in einem Markt mit 23 Millionen Fahrzeugen vier Prozent hätten, ist das sehr erfolgreich.
Sprechen wir über Freihandel, der durch aufziehenden Protektionismus einzelner Länder gefährdet erscheint. Was ändert sich durch die zweite Amtszeit von Donald Trump für BMW?
Unsere zweite Heimat ist in South Carolina. In den vergangenen 30 Jahren haben wir dort über 13 Milliarden Dollar investiert – unabhängig davon, ob es gerade einen republikanischen oder demokratischen Präsidenten gab. Im Werk Spartanburg produzieren wir jährlich um die 400.000 Fahrzeuge, von denen über die Hälfte in mehr als 100 Märkte exportiert wird.
BMW ist also einer der größten Fahrzeug-Exporteure der USA – mit entsprechender Bedeutung für die Wertschöpfung vor Ort. Jetzt bereiten wir den Standort auf die E-Mobilität vor: Ganz in der Nähe in Woodruff bauen wir ein neues Batteriewerk für die sechste Generation unserer Hochvoltspeicher. Bald kommen also auch BEV-Modelle aus Spartanburg.