Design und Luxusnischen: Wie sich Turin gegen den Niedergang als Autometropole stemmt

Mit der Konzeptstudie Quintessenza, die auch auf der CES in Las Vegas gezeigt wurde, bereitet der Designer und Karosseriebauer Italdesign seine Rückkehr auf den US-Markt vor. Mit der Mischung aus einem Oberklasse-Offroad-Coupé und einem Pick-up will die Audi-Tochter den US-Kunden "unser technologisches und innovatives Potenzial, gepaart mit unseren Zukunftsvisionen demonstrieren“. Das sagte eine Sprecherin bei einem Besuch in der Zentrale in Turin. Die USA sollen in der globalen Strategie eine "Schlüsselrolle“ spielen.

Italdesign ist eine der Firmen, die den Autostandort Turin immer mehr prägen. Denn Fiat, das industrielle Herz der Region, schwächelt. Die Stellantis-Marke macht mit Kurzarbeit von sich reden. Immerhin: Ein Kompromiss zwischen dem mittlerweile geschassten Stellantis-Chef Carlos Tavares und Italiens Regierung sieht einen Verzicht auf Werksschließungen vor.

Um so wichtiger sind für die Region Unternehmen wie Italdesign. Die FIrma wurde 1968 von Giorgetto Giugiaro und Aldo Mantovani gegründet und hat Modelle wie den ersten VW Golf, den Passat, den legendären DeLorean DMC-12 und den Fiat Panda entworfen. Dann kam die Krise. 2010 übernahm die VW-Gruppe Italdesign.

In den Hallen des Dienstleisters im Vorort Moncalieri arbeiten 800 der 1200 Beschäftigten. Sie forschen an neuen Materialien, entwickeln Carbon-Komponenten und entwerfen Fahrzeuge wie das Superluxus-Elektro-Coupé Asso di Picche, eine Neuinterpretation einer 1973 vorgestellten Karmann-Studie mit einer durchsichtigen Polycarbonat-Schale. Dazu kommen Vorserien für den VW-Konzern und Spezialanfertigungen für Kunden.

Mit einem Umsatz von 267 Millionen Euro (2023) gehört Italdesign zu den größeren Auto-Unternehmen in Turin. 80 Prozent der Erlöse werden mit der VW-Gruppe erwirtschaftet.

Konkurrent Pininfarina hat sich nach schwerer Krise zwar dank des indischen Großaktionärs Mahindra erholt und etwa den ins Autogeschäft drängenden Foxconn-Konzern dabei unterstützt, Fahrzeuge zu entwickeln. Doch das Engineering wurde geschlossen. Pininfarina ist nur noch ein Schatten früherer Zeiten.

So wie Turin. Einst wurden in der Industriestadt 1,5 Millionen Autos gefertigt. 2024 waren es nur noch 25.920. Das Stellantis-Werk im nahen Grugliasco wurde Ende 2023 geschlossen. Stellantis hat dort noch 11.000 Mitarbeiter. Die Autoindustrie trägt noch fünf Prozent zur Wertschöpfung der Provinz Turin bei. Insgesamt brach die Automobilproduktion in Italien 2024 um 46 Prozent ein und war so niedrig wie seit 1956 nicht mehr.

Der langjährige Pininfarina-Manager Paolo Garella hat sich mit seiner Manifattura Automobili Torino (MAT) und rund 40 Mitarbeitern in einer Nische eingerichtet. Im ländlichen Vorort Rivalto hat MAT das legendäre Rallye-Modell Lancia Stratos mit einem Ferrari-F430-Motor für Brose-Eigner Michael Stoschek komplett neu konzipiert. Und das mit 438 km/h weltweit schnellste Elektro-Hypercar Aspark SP600 mit 2000 PS kommt ebenfalls aus dem Hause MAT.

Garella setzt auf reiche Privatkunden, „die ein einzigartiges Fahrerlebnis suchen und bereit sind, für ein maßgeschneidertes Fahrzeug bis zu fünf Millionen Euro auszugeben“. MAT fertigt Prototypen und designt und produziert Kleinstserien unter eigenem Emblem und im Auftrag Dritter.

Die Ingenieurfirma Danisi Engineering von Gründer und CEO Giacomo Danisi lebte früher fast nur von Fiat. Doch als es dort immer weiter bergab ging, „habe ich mich bewusst für einen Kurswechsel entschieden und auf die Nische der superexklusiven Autos gesetzt, auch wenn ich zunächst viel Umsatz verloren habe“, sagt Danisi.

Das Unternehmen entwickelt heute Komponenten, Prototypen und Kleinstserien von Luxusfahrzeugen, die bis zu zwei Millionen Euro kosten können. Auch Simulatoren für Mercedes-AMG oder Bugatti werden produziert. Danisi hat superreiche Autofans im Visier, die Exklusivität und Fahrspaß suchen. Der Umsatz wird mit 15 Millionen Euro angegeben. Ein malaysischer Minderheitseigner hält 30 Prozent der Anteile.