Continental besiegelt das Ende eines Traums

Am Ende war es reine Formsache: Der geplanten Abspaltung von Continentals Automotive-Sparte musste die Hauptversammlung am 25.04. zwar noch zustimmen, doch schon wenige Tage zuvor verkündete der alte und neue Auto-Chef Philipp von Hirschheydt den Namen des neuen Unternehmens: Aumovio. 

Doch auch wenn sich Continental mit den Großaktionären, allen voran Schaeffler, seiner Sache bereits sicher war, warb Vorstandschef Nikolai Setzer vor den Aktionären noch einmal um deren Zustimmung zum Spin-off und betonte mehrfach, wie oft sich Continental im Laufe seiner über 150-jährigen Geschichte bereits gewandelt habe – vom Hufpuffer-Hersteller zum High-Tech-Konzern.

Mit dem Wandel meint es Continental ernst: Seit Beginn der Zweitausender-Jahre hat das Unternehmen durch zahlreiche Zukäufe einen vielschichtigen Konzern geschaffen, und der soll nun wieder aufgelöst werden. Neben dem Automotive-Bereich soll auch der "Alles-aus-Gummi-außer-Reifen"-Bereich ContiTech abgespalten werden. 

Beide Bereiche seien Champions in ihren Gebiet und reif für die Eigenständigkeit, erklärt Setzer und weiter: Continentals Fähigkeit zum Wandel werde nun zum Wettbewerbsvorteil. In Zeiten wachsender technologischer Anforderungen und immer kürzeren Entwicklungsphasen, aber auch geopolitischer Herausforderungen und sich dramatisch verändernden Lieferketten könnten flexible und fokussierte Unternehmen Chancen besser nutzen als komplexe Organisationen, betont der CEO. 

Wie sich die eigenständigen Unternehmen zukünftig schlagen, muss sich zeigen. Sicher ist, dass die verbleibende Continental AG von der Trennung profitieren wird. Die profitable Reifen-Sparte musste in der Vergangenheit häufig schlechte Zahlen der anderen Bereiche ausgleichen. 

Zwar steuerte Automotive 2024 rund 50 Prozent des Umsatzes von knapp 40 Milliarden Euro bei – erzielte jedoch nur eine operative Rendite von 2,3 Prozent. ContiTech kam immerhin auf 6,2 Prozent, Tires hingegen 13,7 Prozent.

Dazu kommt: Bislang litt der Mischkonzern Continental an der Börse unter einem Konglomeratsabschlag und in den vergangenen Jahren zählte die Kursentwicklung der Continental AG zu den schlechtesten im DAX. Auch hier sollen die schlechten Zahlen der Automotive-Sparte ausschlaggebend gewesen sein. Dem Chef-Aufseher Wolfgang Reitzle soll dies schon länger ein Dorn im Auge gewesen sein, er soll in den vergangenen Jahren die Aufspaltung vorangetrieben haben. Schon auf die Ankündigung der Trennung von Automotive reagierte die Börse positiv.

Umgetrieben hat die anwesenden Aktionäre unter anderem die Frage nach dem Umgang mit der Zoll-Politik der USA. Nordamerika ist nach Europa der zweitgrößte Markt für Continental, 20 Prozent des Umsatzes erfolgten in den USA, erläuterte CEO Setzer. Insgesamt verfolge das Unternehmen den Ansatz, vor Ort für den Markt zu produzieren. Ein Großteil der Importe käme zudem aus Mexiko und entspräche den USMCA-Richtlinien. 

Vor allem die bald eigenständige Reifensparte könnten die Einfuhrzölle zukünftig aber hart treffen: 50 Prozent der in den USA verkauften Reifen werden aus Europa importiert. Konkrete Zahlen zu den möglichen Auswirkungen nennt Continental aber noch nicht. 

Die Zustimmung zum Automotove-Spin-Off wurde schließlich erwartungsgemäß erteilt – mit 99,95 Prozent; allein Großaktionär Schaeffler hält rund 46 Prozent. Die Abspaltung soll rückwirkend zum 01. Januar 2025 in Kraft treten. Das neue Unternehmen Aumovio mit Sitz in Frankfurt geht im Herbst an die Börse – jeder Conti-Aktionär bekommt für zwei Aktien eine Aumovio-Aktie – und wird mit Barmitteln in Höhe von 1,5 Milliarden Euro ausgestattet.

Geld, das ausschließlich von Continental kommt, denn für den Spin-Off erhält das Unternehmen keinen Cent. Im Gegenteil: Die Einmalkosten für die Trennung sollen sich auf rund 300 Millionen Euro belaufen. Das, so heißt es während der Hauptversammlung, sei auch einer der Gründe, warum Continental für ContiTech einen Verkauf präferiert – dieser würde frisches Geld in die Kasse spielen, dass wiederum den Aktionären in einer Sonder-Dividende zugutekommen könnte, wie Finanzchef Olaf Schick betonte. 

Öffentliche Kritik an der Abspaltung sowohl des Automotive-Bereichs wie auch von ContiTech gab es bei der Hauptversammlung vor allem von wenigen bei Continental beschäftigten Einzelaktionären – auch mit Blick auf weitere Personaleinsparungen. Auf die Frage, ob zukünftig noch mehr Personal abgebaut werde – allein der Automotive-Bereich hat zuletzt 10.000 Stellen gestrichen und Standorte geschlossen –  antwortete HR-Vorständin Ariane Reinhart ausweichend und schloss zukünftige Maßnahmen nicht aus. Man arbeite konsequent daran, das Unternehmen zukunftsfähig aufzustellen. 

Bezüglich der Aufspaltung des Konzerns erklärte Reinhart, sehe man eine "gewisse Akzeptanz" in der Belegschaft. Begründet wurde dies damit, dass das Gros der rund 2500-Holding-Angestellten das Angebot, in die zukünftig eigenständigen Bereiche zu wechseln, angenommen hätten. Die übrigen Holding-Mitarbeiter werden nach Abschluss der Neuorganisation in der Tire-AG verbleiben. Aus Mitarbeiterkreisen hieß es dagegen, viele der Beschäftigten, die bereits in den einzelnen Bereichen arbeiten, sähen die Aufspaltung kritisch. 

Ariane Reinhart wird die zukünftige Personalpolitik nicht mehr verantworten. Sie scheidet Ende Juni aus dem Continental.Vorstand aus. Ebenso verlässt CFO Olaf Schick, der zurück zu Mercedes geht. Reinharts Nachfolgerin im Personalressort wird Ulrike Hintze, Roland Welzbacher folgt auf Schick.

Auto-Chef Philipp von Hirschheydt verabschiedet sich ebenfalls vom "alten" Vorstand, er wird neuer CEO von Aumovio. Und auch Conti-CEO Nicolai Setzer hat bereits angekündigt, demnächst seinen Stuhl räumen zu wollen. Wie sich die neuen Vorstände von Continental und Aumovio genau zusammensetzen, steht noch nicht fest.