"Ich habe mich in meinem ganzen Berufsleben noch nie so oft bei meinen Kunden entschuldigen müssen wie in den letzten sechs Monaten. Was wir zurzeit an Leistung abliefern, schmerzt mich zutiefst", sagt Liqui-Moly-Chef Ernst Prost. Grund für die schlechte Laune, die er auch zeigt (siehe Foto), ist die Umstellung der Software beim Öl- und Additivspezialisten im Januar. Eigentlich sollte sie helfen, Kosten zu senken, doch jetzt vermiest sie die Halbjahresbilanz. "Wären wir börsennotiert, müsste ich eine Gewinnminderungswarnung herausgeben, sagt Prost.
Die Software managt unter anderem Einkauf, Produktion, Versand und Rechnungslegung. Die alte sei Jahrzehnte alt gewesen und immer mehr an ihre Grenzen gestoßen, heißt es vom Unternehmen. "Daher wurde sie, nach jahrelanger Vorbereitung, zum Jahreswechsel abgelöst. Doch statt der erwartbaren, kleineren Einführungsprobleme gab es massive Schwierigkeiten, die bis heute andauern." Und das wirkt sich direkt auf den Geschäfsbetrieb aus, wie Prost betont: "Trotz der Unterstützung durch renommierte Softwarehäuser gelingt es uns noch immer nicht, auf dem Level zu produzieren und zu liefern, das wir erwarten und das unsere Kunden von uns erwarten."
Neben dem Ärger gibt es auch finanzielle Folgen, beispielsweise wenn Container nur zur Hälfte mit Ware gefüllt werden können, Speditionen länger warten müssen oder Waren per Luftfracht geschickt werden müssen, um doch noch rechtzeitig anzukommen. "Unsere Kunden können nichts für unsere Probleme, daher tun wir alles, um die Auswirkungen für sie so klein wie möglich zu halten, und übernehmen die Extra-Kosten dafür", sagt Prost. Zudem gebe es zusätzliche Kosten für Fehlersuche und Problembesetitgung.
Auch in den Geschäftszahlen hinterlässt das Spuren. Der Umsatz im ersten Halbjahr ging um 0,8 Prozent auf 259,6 Millionen Euro zurück, weil der Auftragsbestand wegen der Computerprobleme nicht abgearbeitet werden konnte. Das Ergebnis fiel allerdings um 30 Prozent auf elf Millionen Euro. "Ich hätte nie gedacht, dass eine Softwareumstellung im Jahr 2019 ein ganzes Unternehmen dermaßen ins Schleudern bringen kann", sagt Prost.
Man sei aber weit von einer bedrohlichen Lage entfernt, betont Prost. "Blinden Aktionismus in Form von Kurzarbeit oder Stellenabbau wird es bei uns nicht geben", sagt er. "Wir halten Kurs, wir bleiben weiter auf Expansionskurs, wir stellen weiter neue Leute ein, wir investieren weiter in neue Produkte und neue Märkte." Die aktuellen Probleme hätten "Bereiche aufgezeigt, wo wir nun investieren werden, um noch besser zu werden", sagt der Liqui-Moly-Chef.
"Der Sturm, den wir gerade erleben, ist viel stärker als vorhergesagt" fasst Prost die Situation zusammen. "Hohe Wellen brechen sich an unserem Schiff, der ein oder andere Matrose wird nass und manchem Passagier ist übel. Aber unser Schiff ist seetüchtig und nicht in Gefahr." Zudem verspricht er: "Bald wird dieser Sturm vorübergehen. Ich hoffe, dass wir zusammen mit unseren Softwarehäusern die Computerprobleme spätestens bis zum Jahresende lösen werden."
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