Expansionskurs: Immer mehr US-Händler kommen nach Europa

Der US-Automarkt spielt in einer anderen Liga. Das gilt nicht nur für die Verkaufszahlen – 2024 wurden jenseits des Atlantiks 15,66 Millionen neue Autos und Pick-ups verkauft, während Europa auf 10,63 Millionen kam. Dies gilt auch im Hinblick auf die Autohändler.

Branchenführer Lithia Motors erreichte 2023 einen Umsatz von 31 Milliarden Dollar (Ende 2023: ca. 28 Milliarden Euro). Der europäische Primus Emil Frey kam auf 17 Milliarden Euro, die deutsche AVAG Gruppe auf "nur" 2,68 Milliarden Euro.

Doch mit ihrer Größe haben manche US-Händler das Marktpotential in der Heimat weitgehend ausgeschöpft. Das sagt Inga Maurer, Senior Partner und Mitglied der Automotive-Abteilung bei McKinsey in den USA. "Es gibt Zeiten, in denen Händlerkonzerne an ihre Grenzen stoßen, wenn es darum geht, wie viele Betriebe oder wie viele Marken sie besitzen können."

Wer weiter expandieren will, braucht Alternativen. Ein Ausweg: Europa. "In der neuen Region gibt es die Möglichkeit zu wachsen, ohne an diese Grenzen zu stoßen", so Maurer.

Zudem sind europäische Händler aus US-Sicht günstig zu haben, sagt Steve Young, Chef des auf Autohandel spezialisierten Marktforschungs- und Beratungsunternehmens ICDP. "Die Bewertungen in den USA sind derzeit hoch im Vergleich zu einem ähnlichen Unternehmen im Vereinigten Königreich."

Tatsächlich gab es eine Reihe Transaktionen: Lithia Motors übernahm die britische Pendragon Gruppe, Penske kaufte die britische Rybrook Group, und Group1 Automotive schnappte sich Inchcape – ebenfalls ein britischer Händler. Auto Nation hat ebenfalls Interesse an Übernahmen.

Doch die Hürden für grenzüberschreitende Expansion sind hoch: Sprache, Kaufverhalten, rechtlicher Rahmen. Zudem lassen sich kaum Synergien heben. "Es gibt nur wenige Synergien bei grenzüberschreitenden Händlern, da fast alle Beziehungen, national sind", so Young.

Am leichtesten ist die Expansion auf die Insel. "Die Sprache und regulatorische Strukturen stimmen in Großbritannien und den USA viel besser überein", sagt Maurer.

Dass vor allem britische Händler übernommen werden, ist also kein Zufall. Einzig große Ausnahme ist Penske, zu dem seit etlichen Jahren die deutsche Jacobs Gruppe gehört.

"Nach unseren Informationen haben die US-Händler wenig Interesse, über Großbritannien hinauszugehen", sagt Young. Es gebe zwar Geschäfte, aber mit einer massiven Expansion nach Europa sei nicht zu rechnen, meint auch Maurer.

Gleiches gilt umgekehrt. Zuletzt wagte 2017 die niederländische Pon Gruppe mit der Übernahme der Indigo Auto Group mit Sitz in Houston den Sprung in die USA. Pendragon wiederum beendete 2021 sein seit 2000 währendes US-Abenteuer.

Die Schwierigkeiten dort sind vielfältig: Zunächst sei es für Unternehmen, die nicht bereits im US-Markt sind, viel komplizierter, eine Genehmigung der Hersteller zu bekommen, erklärt Maurer. Zudem funktioniere das Geschäft anders.

Bestände und Autohäuser seien erheblich größer, und Zusatzgeschäfte wie Finanzierungen und Versicherungen hätten deutlich größeren Stellenwert. Young: "Ich glaube nicht, dass europäische Händler in die USA gehen werden."