Der Markt für gebrauchte Elektroautos entwickelt sich nur langsam. Nun droht die anstehende Rabattschlacht ihn erneut aus den Angeln zu heben.
Die Rabatte für neue E-Autos bringen den BEV-Gebrauchtwagenmarkt massiv unter Druck.
Soll die Transformation zur Elektromobilität gelingen, spielt der Gebrauchtwagenmarkt eine entscheidende Rolle. Der Handel mit gebrauchten E-Autos nahm in den vergangenen Monaten nur langsam Fahrt auf.
Jetzt droht der nächste Rücksetzer: Hersteller können ihre CO2-Ziele 2025 nur erreichen, wenn sie ihre E-Autos mit saftigen Rabatten verkaufen. Das lässt die Preise für E-Gebrauchte weiter kräftig sinken.
„Wir sind schon mitten in der Preisschlacht“, sagt Thomas Peckruhn, Vizepräsident beim Zentralverband Deutsches Kfz-Gewerbe (ZDK). Durch die CO2-Strafen würde richtig Druck auf den Kessel kommen.
Denn um mögliche Strafen zu vermeiden, müssen die Hersteller deutlich mehr Elektroautos in den Markt bringen. Den Druck geben sie im Rahmen der Jahresziele als E-Quote an die Händler weiter. „Bei vielen Herstellern liegt sie zwischen 25 und 30 Prozent“, so Peckruhn.
Schon zum Jahresstart stand der Fahrzeughandel Kopf: Im Rahmen einer Rabattaktion bot Volkswagen den ID.3 zum Preis eines vergleichbaren Verbrenners an. Das lockte viele Kunden. Während die Neuwagen gefragt waren, blieben die Gebrauchten stehen.
Kein Wunder: Bei Leasingmarkt.de gab es neue ID.3 schon für 218 Euro im Monat. Ein in etwa vergleichbarer gebrauchter ID.3 (Erstzulassung 6/2021) kostet 20 Euro mehr im Monat.
„Wenn Neuwagen günstiger als Gebrauchtwagen sind, führt das zur Verwerfung der Restwerte“, sagt ZDK-Präsident Arne Joswig. „Die Hersteller müssen dies sortieren und in den Griff bekommen, sonst wird dies ein Hemmschuh.“ Doch die Händler stehen hier in der zweiten Reihe, entscheidend ist die Preispolitik der Hersteller.
Dabei zeigt die Erfahrung: „Elektroautos können nicht teurer sein als vergleichbare Verbrenner – das hat Volkswagen erkannt und entsprechend reagiert. Wir spüren einen enormen Aufschwung in der Nachfrage“, sagt VW-Händler Heinz-Dieter Tiemeyer. VW habe in den letzten Monaten viel Kritik einstecken müssen, dabei habe sich die Marke hervorragend entwickelt: Die Qualität stimme und die Preisaggressivität sei da.
Tiemeyer lobt Volkswagen für die Rabattaktion im Januar und Februar: Das sei vorausschauend, um frühzeitig Marktanteile zu sichern. Denn mit jedem Monat gewinnt der Preiskampf an Umdrehung: „Im dritten Quartal werden Elektroautos voraussichtlich am günstigsten sein. Bis dahin haben die Hersteller Klarheit über ihre Verkaufszahlen – und die drohenden Strafzahlungen rücken näher.“
Die Auswirkungen auf den E-Gebrauchtwagenmarkt werden massiv sein. Was sich in den letzten Monaten langsam entwickelt hat, bekommt einen mehr als kräftigen Dämpfer. Dabei kommen die im Rahmen der Umweltprämie geförderten E-Autos zunehmend zurück.
Im vergangenen Jahr wechselten knapp 6,5 Millionen Autos den Besitzer, darunter waren immerhin 173.000 BEVs. Doch das heißt auch: Der Anteil der rein elektrischen Gebrauchtwagen betrug drei Prozent.
Einen neuen Besitzer finden die E-Gebrauchten meist nur mit hohen Abschlägen. Das zeigen die DAT-Zahlen: Zum Jahresende hatten reine Elektroautos in Deutschland einen durchschnittlichen Restwert von knapp 52 Prozent. Etwa 13 Prozentpunkte weniger als ein Benziner und 11 Punkte weniger als ein Diesel.
Hersteller und Banken zahlen also hohe Summen: Unterm Strich lösen sich bei einem gebrauchten BEV schnell fünfstellige Beträge in Luft auf.
Das Risiko lehnen Händler in der Regel ab. „Die Verlierer sind die Hersteller, das bekommen sie natürlich bei ihren Renditen zu spüren“, sagt der Chef einer großen VW-Autohausgruppe. „Ich möchte derzeit nicht in ihrer Haut stecken. Rechnen Sie mal: 50 Prozent der UPE eines Porsche oder Mercedes – das ist ein Groschengrab. Das kommt nicht in unsere Bücher.“
Wie sich die Restwerte weiterentwickeln, ist aus Sicht von Christian Wittmann, Principal bei der auf den Automobilhandel spezialisierten Unternehmensberatung rpc, schwierig zu prognostizieren: „Die aktuelle Generation von batteriebetriebenen Fahrzeugen hat kaum noch Hoffnung am Gebrauchtwagenmarkt. Der Wiederverkaufswert in einigen Jahren ist derzeit nicht realistisch zu beziffern.“
Dennoch ist die Volkswagen-Finanztochter VWFS zuversichtlich. „Wir sehen aktuell, dass insbesondere die großen Händlerbetriebe ihr Gebrauchtwagengeschäft mit E-Fahrzeugen deutlich ausbauen und zunehmend besser in der Lage sind, diese erfolgreich an Endkunden zu vermarkten“, sagt ein VWFS-Sprecher. „Aktuell sind wir in der Lage, sowohl die älteren als auch die jüngeren gebrauchten E-Fahrzeuge gut zu vermarkten.“
VW-Händler Tiemeyer ist offen und kauft gebrauchte E-Autos zu. Jedes Fahrzeug werde einzeln bewertet und darauf geachtet, dass es marktfähig sei. „Wir kaufen alles, wenn der Preis stimmt.“ Das gilt wohl auch für die Endkunden.
