Analyse: Tesla schrumpft zum normalen Autobauer

Wenn Elon Musk Termine nennt, sollte man vorsichtig sein. Der Tesla-Chef ist bekannt für vollmundige Ankündigungen, die er oft zumindest verspätet oder gar nicht umsetzen kann. Das geht zurück bis in die Anfangszeit des Unternehmens, schon der Marktstart des ersten Roadsters wurde seinerzeit mehrmals verschoben.

In den folgenden Jahren erschien kein Tesla-Modell zum versprochenen  Termin. Jetzt hat Musk angekündigt, dass Tesla am 8. August ein Robotaxi vorstellen wird. Auch das autonome Fahren verspricht Musk schon seit Jahren, bisher ist der "Autopilot" selbst in der neusten Ausbaustufe des "Full Self Driving" (FSD) jedoch lediglich ein Assistenzsystem auf Level 2. Sprich: Der Fahrer muss jederzeit Kontrolle über das Fahrzeug behalten. 
 
Ob und wann das 25.000-Dollar-Auto auf den Markt kommt, ist derzeit nicht bekannt. Angesichts des aktuellen Mangels an bezahlbaren Elektroautos hätte ein solches Fahrzeug sicher Chancen auf dem Weltmarkt. Doch Berichten zufolge hat Tesla die Entwicklung eingestellt. Musk hat das dementiert, ohne jedoch näher darauf einzugehen. Stattdessen kündigte Musk die Premiere des Robotaxis für den 8. April an. Der Wagen basiert auf der gleichen Plattform wie das Einstiegsmodell.

Tesla scheint doch "nur" ein Autobauer zu sein, auch wenn Elon Musk hartnäckig versucht, seine Firma als Tech-Unternehmen dazustellen. Tech-Konzernen wie Apple oder Google sind deutlich profitabler als Autobauer, was sich in einer entsprechend hohen Bewertung an der Börse niederschlägt.

Apple beispielsweise erreichte im vierten Quartal 2023 eine Bruttomarge (Verhältnis Bruttogewinn zu Umsatz) von 45,9 Prozent. Die Google-Mutter Alphabet kam zwischen 2019 und 2023 im Schnitt auf über 50 Prozent. Tesla erreichte im vierten Quartal 17,6 Prozent. Gemessen an den Maßstäben der Autoindustrie ist das immer noch viel. Unter den traditionellen Herstellern erreicht nur Porsche mit seinen Luxusfahrzeugen solche Werte. Die meisten anderen Autobauer bleiben im einstelligen Bereich.
 
Unter den Autoherstellern ist Tesla einzigartig und steht auch nach den jüngsten Rückschlägen gut da. Zwar lieferte das Unternehmen im ersten Quartal weltweit knapp 387.000 E-Autos aus und damit weniger als im Vorjahreszeitraum. Doch das reichte, um sich den Spitzenplatz bei den Produzenten vollelektrischer Autos zurückzuholen. BYD wurde vom Spitzenplatz verdrängt. Zum Vergleich: Der komplette VW-Konzern mit mehr als zehn Marken verkaufte im selben Zeitraum nur knapp 210.000 reine E-Autos.
 
Im Jahr 2008, als der erste Roadster auf den Markt kam, hätte kaum jemand auf den Durchbruch der Elektromobilität gesetzt. Heute kann es sich kein ernstzunehmender Autobauer mehr leisten, die Antriebswende zu ignorieren. Hinzu kommt, dass Tesla auch im Bereich Infotainment lange Zeit vorne lag. Den großen Touchscreen im Armaturenbrett haben die anderen Hersteller ebenso übernommen wie die Over-the-air-Updates.

Tesla war auch der erste Hersteller, der sein Auto um die Software herum gebaut hat. Musk betont gern, dass Tesla notfalls die Autos ohne Profit abgeben könnte. Das Ziel sei, später mit der Software Geld zu verdienen, sagte er vor etwa einem Jahr. Trotzdem ist Tesla kein Software-Unternehmen, sondern verdient sein Geld mit dem Verkauf von Autos. Das Geschäftsmodell unterscheidet sich damit deutlich von Software-Unternehmen wie Google oder Facebook.

Seit Jahresbeginn ist der Kurs der Tesla-Aktien um rund 30 Prozent gesunken, dennoch beträgt die Marktkapitalisierung des Unternehmens immer noch 476,72 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der weltgrößte Autobauer Volkswagen kommt mit mehr als zehn Marken und zahlreichen Modellen auf gerade einmal 70,67 Milliarden Euro, Rivale Toyota immerhin auf 364,85 Milliarden.

Ist das gerechtfertigt? An der Börse geht es um Erwartungen für die Zukunft. Musk hat es in den vergangenen Jahren immer geschickt verstanden, diese zu wecken. Oft ist eingetreten, was er versprochen hat – meist aber mit erheblicher Verspätung.

Aber inzwischen ist Tesla längst nicht mehr der einzige E-Auto-Hersteller. Die Konkurrenz wächst nahezu täglich und Tesla verfügt nur über eine kleine und ziemlich alte Modellpalette. Der jüngst vorgestellte Pick-up Cybertruck wird daran nichts ändern. Die Tesla-Story überzeugt nicht mehr.

Musks Ankündigung sollen den Aktienkurs hoch halten – auch deshalb, weil er mehr als 20 Prozent der Anteile hält und weil seine Vergütung zum Teil vom Aktienkurs abhängt. In den vergangenen zehn Jahren hat das gut funktioniert, Musk war zeitweise der reichste Mensch der Welt.

Doch ob es in Zukunft so weitergeht, ist angesichts der momentanen Aussichten des Unternehmens fraglich.