Gaming im Auto: Will denn keiner spielen?

Mit sechs Absätzen bei LinkedIn endet ein Traum. Vor knapp drei Monaten verkündete Niels Wollny auf dem Karrierenetzwerk in einem Posting die Insolvenz seines Start-ups Holoride, das aus München heraus die Gaming-Welt im Fahrzeug erobern wollte. Unter anderem Audi hatte an die Idee von Holoride geglaubt und sich über die Beteiligungsgesellschaft A4nXT an dem jungen Unternehmen beteiligt.

„Wir haben den In-Car-Entertainment-Markt mutig attackiert und den ersten Schuss daneben gesetzt. Wir waren zu früh, nicht perfekt und haben Fehler gemacht. Aber durch all das haben wir viel gelernt“, schreibt Holoride-Gründer Niels Wollny in seinem Linked-In-Beitrag.

Holoride wollte mithilfe von VR-Brillen Passagieren im Fond ermöglichen, Spiele auf Basis der realen Bewegungen des Autos zu erleben. Das Konzept war technisch beeindruckend, verfing aber bei Kosten von 699 Euro für die Grundausstattung und dann monatlich mindestens zehn Euro für den Zugriff auf alle Funktionalitäten des Systems offenbar nicht beim Kunden. Audi hatte Holoride als erster Hersteller für seine Fahrzeuge angeboten.

Die Insolvenz des einstigen Gaming-Hoffnungsträgers ist nicht der einzige Rückschlag für den Bereich In-Car-Gaming, der noch vor einem knappen Jahr als einer der größten Wachstumsmärkte im Automotive-Bereich galt.

Elektro-Pionier Tesla hatte seit 2022 die Spieleplattform Steam in seine Fahrzeuge integriert und dies aber jetzt im Mai wieder rückgängig gemacht. Zu wenige Kunden hatten das Angebot genutzt.

Steckt also doch weit weniger Potential in Angeboten für Spiele im Fahrzeug-Innenraum als zunächst angenommen?

Timo Möller, Leiter Center for Future Mobility bei McKinsey, sagt: „Der Markt für In-Car-Gaming ist nicht tot. Der Markt ist nur hart in der Realität angekommen. Die Euphorie für das Thema war groß, aber benötigt auch eine entsprechende Umgebung im Fahrzeug. Hier hat sich in den letzten Jahren bei Fahrzeugen für den europäischen Markt relativ wenig getan.“

Anders ist es in China, wo Kunden inzwischen Spiele-Angebote im Fahrzeug fast schon voraussetzen. Über die Hälfte aller potenziellen Käufer eines Elektrofahrzeugs will nach einer Erhebung von McKinsey entsprechende Angebote vorinstalliert wissen. „In China sehen wir weiterhin zahlreiche neue Entwicklungen. Der chinesische Markt bleibt ein Haupttreiber für In-Car-Gaming“, sagt Timo Möller.

Ein Grund, warum auch Audi trotz der Insolvenz von Holoride weiter auf die Entwicklung von Spielen fürs Fahrzeug setzt. „Hier liegt der Fokus auf der Kombination von Gaming/Entertainment-Inhalten mit Cockpit-Funktionen wie Klimaanlage und Sound, um für ein immersives Erlebnis zu sorgen“, teilt der Premium-Hersteller gegenüber der Automobilwoche mit. Auch BMW bietet seine „Air Console“  weiterhin an, bei der das eigene Smartphone zum Spielecontroller im Auto wird.

Mc-Kinsey-Experte Timo Möller sieht zwei große Potenziale für In-Car-Gaming: „Ladepausen mit dem Elektroauto und autonom nach Level 3 oder 4 fahrende Fahrzeuge. Dieser Usecase entwickelt sich erst und verzögert auch den Ausbau großer In-Car-Gaming-Angebote.“