Darum erweitert Mercedes seine exklusive Manufaktur

Ein handgenähtes Lederkissen für die Maybach S-Klasse, ein gesticktes AMG-Logo auf der Fußmatte für die G-Klasse oder der spezielle Lack graphitgrau Magno für den EQS: Individualisierungen sind besonders bei den hochpreisigen Top-End-Fahrzeugen von Mercedes gefragt. Deshalb hat der Autobauer sein Manufaktur-Programm deutlich ausgebaut. Statt 500 Fahrzeugen pro Jahr können jetzt bis zu 5000 mit Sonderzubehör ausgestattet werden.

Im Jahr 2018 hat Mercedes mit der Neuauflage der G-Klasse die systematische Personalisierung eingeführt, inzwischen haben 90 Prozent der Geländewagen mindestens ein Teil aus dem Angebot der Manufaktur verbaut, das vom Holzlenkrad über Nappaleder bis hin zum eingravierten Familienwappen reicht.

Von den im vergangenen Jahr verkauften 328.000 sogenannten Top-End-Fahrzeugen war es laut Standortleiterin Sara Gielen jedes Dritte. Das Potenzial ist also noch gewaltig.

Nachdem Kunden ihr Wunschfahrzeug im Center of Excellence am Standort Sindelfingen konfiguriert haben, werden in der Manufaktur einzelne Komponenten des Fahrzeugs gefertigt. Hier arbeiten rund 200 Innenaustatter, die von Mercedes zum Teil selbst ausgebildet werden.

Sie untersuchen das Leder nach kleinsten Fehlern wie einem Mückenstich, danach werden die benötigten Stücke ausgefräst. Präzision und Handwerkskunst haben oberste Priorität. So dauert etwa die Belederung eines Lenkrads inklusive Handnaht mehrere Stunden.

Im neuen Manufaktur-Studio lässt sich dann beobachten, wie das Fahrzeug mit dem Sonderzubehör ausgestattet wird. Hier sind rund 150 Mitarbeiter beschäftigt. Zu ersetzende Teile werden zunächst als Dummy angeliefert, wenn nötig mit der elektronischen Steuerung etwa im Fall der Sitze.

Diese werden dann ausgebaut und die individuell gefertigten Lösungen eingebaut. Die provisorisch mitgelieferten Teile gehen wieder zurück in die Fabrik und werden bei der nächsten Bestellung wieder genutzt, um Müll zu vermeiden.

Mit Hilfe künstlicher Intelligenz erstellt ein Computerprogramm einen möglichst effizienten Ablaufplan und die Versorgung mit den benötigten Werkzeugen und Komponenten. Fahrerlose Transportsysteme lotsen die Fahrzeuge zur jeweiligen Arbeitsstation.

Pro Tag können bis zu 20 Fahrzeuge ausgestattet werden. „Wir verbinden dabei traditionelle Handwerkskunst mit innovativen, digitalen Produktionsprozessen“, erklärt Produktionschef Jörg Burzer.

Fast alle Kundenwünsche werden erfüllt, vom extravaganten Zigarrenhalter über silberne Champagnergläser bis hin zum gefütterten Handschuhfach. „Nur einen Falkenlandeplatz auf dem Dach einer S-Klasse mussten wir ablehnen“, erzählt eine Mitarbeiterin augenzwinkernd.

Hauptmärkte für die Individualisierung sind die USA mit einem Anteil von 40 Prozent, aber auch China, Südkorea oder die arabische Halbinsel. Deutschland steht nur für einen Anteil von weniger als zehn Prozent.

Das Manufaktur-Programm dient dabei nicht nur der Kundenbindung und dem Markenimage, sondern bringt vor allem Geld. „Wir reden hier von einem signifikanten Beitrag zum Ergebnis, den wir gerne ausbauen möchten“, sagt Burzer, ohne Details zu nennen.

Schätzungen gehen von einem hohen dreistelligen Millionenbetrag aus, der sich durch die neuen Möglichkeiten erzielen lässt. Ein Mercedes Maybach S-Klasse 580 beispielsweise, der in der Grundausstattung knapp 170.000 Euro kostet, kommt mit dem vollen Manufakturprogramm auf über 300.000 Euro.

Dabei wird auf eine möglichst effiziente Logistik geachtet. So wäre es kaum sinnvoll, ein im amerikanischen Werk in Tuscaloosa produzierten Maybach EQS SUV wegen eines Holzlenkrads nach Deutschland einzuschiffen. Stattdessen werden die Teile in die USA geliefert, wenn das Auto auch dort verkauft wird. Gerne würde Mercedes einen Teil der Manufaktur-Arbeiten besonders in ausländischen Märkten an Zulieferer vergeben. „Aber eine derartige Expertise gibt es sonst nirgends“, sagt Burzer.