Vorstände in Autokonzernen: "Rückfall auf eine weibliche Minimalbesetzung"

Wo sind die Frauen in den Vorstandsetagen der Automobilindustrie? Diese Frage wird man sich in den kommenden Monaten noch öfter stellen, wirft man einen Blick auf die Vorstände der Unternehmen.

Zwar rückte mit Karin Rådström bei Daimler Truck eine Frau auf den CEO-Posten. Doch generell scheint der Trend in eien andere Richtung zu gehen. Im Dezember verkündete beispielsweise Mercedes-Benz, den Vorstand umzubauen. Künftig wird hier nur noch eine Frau sitzen, Britta Seeger. Sie ist noch bis April 2025 zuständig für den Vertrieb und übernimmt dann das Personalressort von Sabine Kohleisen.

Diese geht mit Renata Jungo Brüngger (zuständig für Integrität, Governance & Nachhaltigkeit) in den Ruhestand. Zudem geht auch Hubertus Troska. Es folgen Mathias Geisen, Oliver Thöne und Olaf Schick. Von drei Frauen im Vorstand wird künftig nur noch eine da sein.

Damit reiht sich Mercedes, über viele Jahre Vorzeigekonzern in Sachen Diversität bis in den Vorstand, ein in die Reihe der Konzerne, die lediglich eine Frau in ihrer Unternehmensführung vertreten haben – wie beispielsweise BMW mit Ilka Horstmeier und der VW-Konzern mit Hauke Stars.

Mercedes selbst begründet den Schritt mit einer Verjüngung des Konzerns und einer konsequenten Fortsetzung der Transformation.

Auch im VW-Konzern konnte man diese Entwicklung im vergangenen Jahr beobachten: Die Spitzenpositionen im Audi-Vertrieb und im Vertrieb von VW-Pkw wurden ebenfalls mit Männern neu besetzt. Auf Hildegard Wortmann folgte Marco Schubert, für Imelda Labbé kam Martin Sander.

Als ein "Rückfall auf eine weibliche Minimalbesetzung“ ordnet Jens-Thomas Pietralla, Leiter der Europäischen Board & CEO Practice bei der Personalberatung Russell Reynolds, diese aktuelle Entwicklung ein. „Fakt ist, dass Führungspositionen in der Autoindustrie nicht angemessen divers besetzt sind“, sagt er weiter.

Dabei drängt sich die Frage auf: Ist Diversität und die Förderung von Frauen in vielen großen Unternehmen in der Autoindustrie bisher lediglich ein nice to have gewesen und war nie mehr als nur ein Lippenbekenntnis? "Es wirkt fast so“, sagt Pietralla. In Krisenzeiten – und hierin steckt die Autoindustrie – geht man ungern neue Wege.

Im Zuge der Ereignisse in den USA, wo sich Konzerne und Banken, allen voran Marc Zuckerbergs Meta, von Nachhaltigkeits- und Diversitätsprogrammen verabschieden, bekommt diese Entwicklung eine besondere Brisanz.

Dabei konnte man zuletzt den Eindruck gewinnen, dass es mit Diversität in den deutschen Unternehmen, vor allem bei den Dax-40-Unternehmen, aufwärts geht: Mit 25,4 Prozent erreicht der Frauenanteil in den Dax-Vorständen einen Höchststand, zudem stehen erstmals drei Frauen in Dax-Konzernen an der Spitze (Belen Garijo bei Merck, Bettina Orlopp bei der Commerzbank und Karin Rådström bei Daimler Truck).

Seit 2020 nahm der Anteil der Frauen im Top-Management von 13,3 Prozent um zwölf Prozentpunkte auf 25,4 Prozent zu, so eine aktuelle Analyse der Vorstandsgremien durch Russell Reynolds.

"Es gibt viele Unternehmen, auch in Deutschland, die den Mehrwert von diversen Teams erkannt haben", sagt Pietralla. Die Allianz, Airbus, aber auch Daimler Truck zählt er dazu.

"Es reicht aber nicht aus, nur an der Spitze als gemischtes Team aufzutreten. Es muss eine gesunde eine Durchmischung auch in den unteren Ebenen vorhanden sein, die sich dann nach oben auswirkt.“, so der Personalberater. Auch die unteren Ebenen müssten mit guten Leuten, mit guten Frauen, durchmischt sein.

Der Autoindustrie stellt Pietralla deshalb ein "unbefriedigend“ aus – Daimler Truck ausgenommen. Diversität sei bei weitem nicht nur ein hübsches Aushängeschild, sondern vielmehr ein wirtschaftlicher Hebel. "Unternehmen, die nicht die größtmögliche Vielfalt an Perspektiven auf ein Problem nutzen, übersehen vielleicht die beste Lösung", so der Experte.

Daimler Truck beispielsweise ist ein solches Unternehmen, bei dem Aufsichtsratschef Jo Kaeser über Jahre einen Masterplan ausgearbeitet hat: Teil dessen war 2021 die Verpflichtung von Karin Rådström als Chefin der Sparte Mercedes-Benz Lkw und dann im Oktober vergangenen Jahres ihre Ernennung zur CEO des Konzerns.

Er selbst schreibt in einem LinkedIn-Post dazu: „Es braucht eine sorgfältige und konsequente Führungskräfteentwicklung auf allen Ebenen – und manchmal auch eine gehörige Portion Mut, wenn es um die Spitzenpositionen geht.“