Grünheide: IG Metall kritisiert Einschüchterung - Tesla reagiert gelassen

Laut IG Metall zweifelt Tesla in großem Umfang ärztliche Atteste an. Wie die Gewerkschaft mitteilt, berichten immer mehr Mitglieder davon, dass der US-Autobauer die betroffenen Beschäftigten aus dem Werk Grünheide auffordere, Diagnosen offenzulegen oder Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden. Oft folge darauf der Einbehalt von Entgelt. 

Betroffenen Mitarbeitern sollen schließlich Angebote unterbreitet werden, durch Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags angebliche Schulden beim Arbeitgeber, die durch eine Überbezahlung während der Krankheitsphase entstanden seien, tilgen zu können.

"Die vermeintlichen Überbezahlungen sind in fast allen Fällen nichts als haltlose Behauptungen", erklärt IG-Metall-Bezirksleiter Berlin-Brandenburg-Sachsen Dirk Schulze und fordert die Werksleitung in Grünheide auf, "diese Praxis sofort einzustellen." Es müsse Schluss sein mit der völlig unzulässigen Einschüchterung der Kolleginnen und Kollegen, so der Gewerkschafter.

Auf Anfrage der Automobilwoche reagierte Tesla gelassen. Man sei die "populistischen Skandalisierungen der IG Metall und insbesondere von Herrn Dirk Schulze mittlerweile gewöhnt". Bei dem behaupteten "großen Umfang" handele es sich um circa ein Dutzend Fälle pro Monat. Diese entsprächen 0,1 Prozent der Belegschaft von 11.000 Mitarbeitern. Hierbei von einem massiven Vorgehen zu sprechen, sei eine bewusste Verzerrung der Realität, so das Unternehmen weiter.

Grundsätzlich ist der Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall verpflichtet. Tesla erklärt, es handele sich um Fälle, in denen unberechtigte Lohnfortzahlungen geleistet wurden. Hinzu kämen Fälle, "in denen das Bundesarbeitsgericht davon ausgeht, dass eine Krankheit vorgeschoben sein könnte, beispielsweise, wenn sich jemand für genau die Zeit krankschreiben lässt, für die vorher ein Urlaubsantrag abgelehnt worden ist." 

In solchen Fällen bestünden Zweifel an der Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und Arbeitgeber dürften Beweise verlangen. Das "angeblich inakzeptable Vorgehen Teslas ist gängige Praxis in Deutschland", so der US-Autobauer weiter.

Das Thema Fehlzeiten kocht in Grünheide immer wieder hoch. Schon 2023 soll laut einem "Handelsblatt"-Bericht Werksleiter André Thierig bei einer Betriebsversammlung gesagt haben, es gäbe in seiner Fabrik keinen Platz für Leute, die morgens „nicht aus dem Bett“ kämen. Auch sollen Tesla-Manager bereits in der Vergangenheit krankgeschriebene Mitarbeiter zu Hause aufgesucht haben. 

Die IG Metall kritisiert zudem schon länger schlechte Arbeitsbedingungen. „Die Arbeit bei Tesla in Grünheide ist ein Knochenjob“, erklärte Schulze kürzlich bei der Jahrespressekonferenz der Gewerkschaft. Mehr als 80 Prozent der Beschäftigten fühlten sich überlastet, ergab eine Umfrage der Metaller. 

Aus Arbeitnehmer-nahen Kreisen ist zu hören, dass in der brandenburgischen Fabrik häufig Welten aufeinander prallten. Die Managementkultur sei autoritär, das Betriebsklima von Angst geprägt. Dem gegenüber stünden Mitarbeiter, häufig auch mit Migrationshintergrund, die sich über ihre Rechte oftmals gar nicht im Klaren seien.