Mercedes hat ein ernstes Luxusproblem – und Besserung ist vorerst nicht in Sicht

Vor drei Jahren hatte Mercedes-Chef Ola Källenius die Investoren zu einem Kapitalmarkttag in glamourösem Ambiente an die Cote d'Azur eingeladen, um sein Konzept der "Economics of Desire" vorzustellen. An diesem Donnerstag liest sich der Titel deutlich bodenständiger.

In Stuttgart geht es bei der Investorenveranstaltung anlässlich der Pressekonferenz zu den Zahlen für 2024 um "Mastering Transformation". Von Luxus und Begehren keine Rede mehr.

Die Wahl der Überschrift sagt viel aus über den momentanen Zustand des Unternehmens. Källenius musste im September erneut die Prognosespanne für die Pkw-Sparte senken. Wegen der Probleme im wichtigen Markt China rechnet der Konzernchef nur mit einer bereinigten Umsatzrendite von 7,5 bis 8,5 Prozent. Das ist deutlich weniger als in den drei starken Vorjahren, als es 13,1 Prozent (2021), 14,6 Prozent (2022) oder 12,6 Prozent (2023) waren.

Grund dafür ist vor allem der markante Rückgang von 14 Prozent bei Top-End Fahrzeugen wie S-Klasse oder G-Klasse. Mit insgesamt 1,983 Millionen verkauften Fahrzeugen im Jahr 2024 bedeutet dies das fünfte Jahr in Folge mit schrumpfendem Volumen. Gerade die gewinnträchtigen Autos verkaufen sich nicht mehr so gut. Mittlerweile müssen die Hersteller auch bei Luxusfahrzeugen Rabatte einräumen.

Daneben hatte der Konzern erhöhte Sonderkosten angekündigt: Zum einen für die nur schwach nachgefragten Elektroantriebe, weil sie länger brauchen, um verkauft zu werden und für höhere Lagerbestände sorgen. Zum anderen fielen in der schwierigen wirtschaftlichen Situation Zusatzkosten bei Lieferanten und Händlern für Forderungen und Verbindlichkeiten an.

Der Konzernumsatz inklusive  Vans sollte insgesamt 2024 leicht unter dem Vorjahresniveau liegen, als es 153,2 Milliarden Euro waren. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern wird vom Management "deutlich" unter dem Vorjahreswert von 19,7 Milliarden Euro gesehen.

Der Barmittelzufluss aus dem Industriegeschäft – also ohne Finanzdienstleistungen – dürfte auch deutlich unter dem Vorjahreswert von 11,3 Milliarden Euro gelandet sein.

Dass selbst die eigene Mindestanforderung von acht Prozent Rendite in Gefahr ist, schien vor nicht allzu langer Zeit unvorstellbar. Verfehlt hat Källenius auch die Ziele beim Absatzwachstum.

Statt wie geplant fünf Prozent mehr pro Jahr bis 2026 tut sich beim Volumen seit Jahren praktisch nichts. Das Vertrauen in die Aktie hat gelitten. Die LBBW beispielsweise senkte nach den Gewinnwarnungen ihr Kursziel von 86 auf 61 Euro. Aktuell steht das Papier bei knapp über 61 Euro. Bernstein sieht das Ziel in einer aktuellen Analyse bei 60 Euro.

Vor allem in China hat die Marke mit dem Stern gravierende Probleme. Da die kaufkräftige Klientel stark von der Immobilienkrise betroffen ist und die lokale Konkurrenz bei Elektroautos enorm ist, bröckelt der Absatz. Das macht sich vor allem am oberen Ende der Modellpalette bemerkbar, wo traditionell die höchsten Margen zu erzielen sind. Wenn die S-Klasse in Sindelfingen wie derzeit nur im Einschicht-Betrieb gefertigt wird, dann ächzt darunter der gesamte Konzern.

Das alles wäre halb so schlimm, wenn eine schnelle Besserung in Sicht wäre. Stattdessen wartet auf Mercedes auch in diesem Jahr wohl nur Magerkost. UBS-Experte Patrick Hummel erwartet, dass Mercedes-Benz eine operative Marge im Pkw-Geschäft für 2025 und 2026 in einer Bandbreite von sechs bis acht Prozent in Aussicht stellt, also nochmals schlechter als im vergangenen Jahr.

George Galliers von Goldman Sachs sieht nicht nur bei Mercedes die Notwendigkeit, in Europa mehr Autos mit Batterieantrieb zu verkaufen. Das künftige Investorenvertrauen hängt seiner Meinung nach von der Profitabilität neuer Elektromodelle in China und der restlichen Welt ab. Immerhin rechnet er bei Mercedes – im Gegensatz etwa zu Porsche – nicht mit der Notwendigkeit, die Investitionen in großem Stil hochzufahren.

Zwar spricht Mercedes-Chef Ola Källenius gerne von der größten Modelloffensive der Geschichte und der zweiten Welle an Elektrofahrzeugen. Doch die lässt noch auf sich warten. Der mit Spannung erwartete CLA auf der neuen MMA-Plattform wird zwar am 13. März in Rom der Öffentlichkeit präsentiert.

Bis er zu den Kunden kommen wird, dauert es jedoch mindestens bis weit in die zweite Hälfte des Jahres. Auch der neue GLC auf der Plattform MB.EA, der auf der IAA im September Premiere feiert, entfaltet seine Wirkung erst 2026. Danach geht es Schlag auf Schlag, auch Hoffnungsträger wie die kleine G-Klasse kommen auf den Markt.

In der aktuell angespannten Lage bleibt dem Unternehmen nichts anderes übrig, als die Kosten zu senken, um die Rendite zu sichern. So hatte Finanzchef Harald Wilhelm in einer Telefonkonferenz zu den Q3-Zahlen bereits angekündigt, man werde „jeden Stein umdrehen“.

Bis 2027 sollen fünf Milliarden Euro eingespart werden, alle Bereiche sind betroffen. Erste Details zum Programm mit dem Titel „Next Level Performance“ waren vergangene Woche durchgesickert. Obwohl sich die Einschnitte für Beobachter von außen in Grenzen halten, sprach der zuständige Betriebsrat für Untertürkheim, Michael Häberle, bereits von einer "Horror-Liste", die der Belegschaft vorgelegt worden sei.

Dazu zählen ein geringerer Jahresbonus oder der Wegfall der Wahlmöglichkeit zwischen Geld und mehr Freizeit im so genannten T-Zug des Tarifvertrags. Dies würde sich positiv auf das Ergebnis auswirken. Bereits beschlossen ist, dass die Basisvergütung für leitende Führungskräfte, die nicht unter den Tarifvertrag fallen, in diesem Jahr nicht erhöht wird. Diese Regelungen sollen analog für den Vorstand gelten.

Was genau die Auswirkungen des Programms für die nächsten Jahre sind und ob es eine Korrektur der bisherigen Strategie etwa für China geben wird, dürften Källenius und Wilhelm am Donnerstag näher erläutern. Sicher ist nur, dass die Zeiten auch für Mercedes unruhig bleiben. 

(mit Material von dpa)