Vor den Quartalszahlen: Wenig Vertrauen in die Mercedes-Strategie

Am Freitag legt der Mercedes-Konzern seine Zahlen für das dritte Quartal vor. Nach der Gewinnwarnung vor wenigen Wochen steht fest, dass diese eher mau ausfallen. Von Bloomberg geführte Analysten erwarten einen Umsatz von 36,6 Milliarden Euro.

Während dieser auf Jahres- und Quartalssicht nur leicht unter Vorjahr liegt, beläuft sich das Minus beim Nettogewinn mit geschätzten 2,35 Milliarden Euro auf Minus auf 35,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Im Vergleich zum zweiten Quartal beträgt der Rückgang 22 Prozent.

Die Verkaufszahlen sind bereits bekannt, sie liegen konzernweit drei Prozent unter denen des Vorjahres. Besonders schwach entwickelte sich mit minus 31 Prozent die Nachfrage nach Elektroautos. Das Top-End-Segment, von dem das größte Wachstum ausgehen sollte, verzeichnete mit minus zwölf Prozent den größten Rückgang. Die Analysten sind daher zunehmend skeptisch, was die Aussichten angeht.

Angesichts der Probleme nicht nur in China hat beispielsweise die LBBW die Aktie nun heruntergestuft von Kaufen auf Halten und das Kursziel deutlich gesenkt. Für Mercedes-Chef Ola Källenius, der mit seiner Strategie vor allem auf den Kapitalmarkt zielt, ein herber Rückschlag.

Als der Schwede zusammen mit Finanzchef Harald Wilhelm vor zwei Jahren Investoren im noblen Ambiente an die Cote’d’Azur einlud, da zeichneten beide das Bild einer rosigen Zukunft. Mithilfe der Strategie "Economics of Desire“ sollte das Unternehmen auf eine neue Stufe gehoben werden. "Mercedes-Benz richtet sich neu aus, um auch in einem herausfordernden Umfeld eine hohe Profitabilität sicherzustellen“, kündigte Wilhelm an.

Was folgte, waren markante Preissteigerungen für die Autos und im Vertrieb ein klarer Fokus auf die teuren Modelle von S-Klasse bis G-Klasse oder die Sportwagen von AMG. So sollte eine Marge von rund acht Prozent bei sehr ungünstigen Marktbedingungen, zehn Prozent bei ungünstigen und rund zwölf Prozent bei normalen Marktbedingungen möglich sein.

Im Idealfall sollen es gar 14 Prozent sein. Während der Corona-Pandemie ging das Kalkül voll auf, weil Autos knapp waren und die Kundschaft nicht wusste, wohin mit dem Geld. Für Mercedes bedeutete dies eine Rekordmarge von 13,6 Prozent im Jahr 2022 und über 20 Milliarden Euro operativer Gewinn. 

Nun aber ist auch bei Mercedes Ernüchterung eingekehrt. Die Höfe stehen voll mit unverkauften Neuwagen, auch die Marke mit Stern kommt um Rabatte nicht herum. Elektroautos finden ohnehin kaum Abnehmer. In China ist angesichts der Wirtschaftsflaute gerade das Top-Segment unter Druck, was auch BMW, Audi und Porsche zu spüren bekommen.

Der Absatz werde bei Mercedes im Top-Segment weltweit spürbar unter 300.000 Autos bleiben, sagte Wilhelm jüngst vor Analysten – ein Rückgang um rund zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr.

2024 dürfte damit in die Kategorie „sehr ungünstige Marktbedingungen“ eingestuft werden. Laut angepasster Prognose geht das Unternehmen davon aus, dass die operative Marge im Pkw-Geschäft für das Gesamtjahr nur noch zwischen 7,5 bis 8,5 Prozent liegt. Erst im Juli hatte der Vorstand die Zielspanne auf zehn bis elf Prozent gesenkt, dabei aber noch auf ein stärkeres zweites Halbjahr gehofft. Das aber fällt entgegen den Annahmen schwach aus.

LBBW-Analyst Frank Biller weist zudem auf die Schwäche von Mercedes auf dem Heimatmarkt hin. So sei der Absatz von Mercedes im Monat September um 13 Prozent zurückgegangen, während der Gesamtmarkt lediglich um sieben Prozent schrumpfte.

Der Marktanteil der Marke mit dem Stern schrumpfte auf 8,8 Prozent, während beispielsweise Konkurrent BMW die Neuzulassungen im September um 0,7 Prozent verbessern konnte und seinen Marktanteil auf 8,5 Prozent ausbaute. Für 2025 sieht Biller außerdem das Risiko von Strafzahlungen für nicht erreichte CO2-Grenzwerte bei den Neuwagen.

Die LBBW senkt daher ihr Kursziel für die Aktie deutlich von 86 auf 61 Euro. Statt eines Kaufs empfiehlt das Bankhaus Anlegern nur noch, das Papier zu halten. Auch andere Institute korrigierten ihre Einschätzungen. So reduzierte Barclays von Overweight auf Equal Weight und senkte das Kursziel von 76,50 Euro auf 65 Euro.

UBS-Analyst Patrick Hummel schreibt im jüngsten Bericht, dass sich die Aussichten in der Automobilbranche weiter verschlechtert hätten. Die Schweizer Großbank senkte das Kursziel von 78 auf 72 Euro, bestätigte aber die Einstufung auf "Kaufen".

Auch 2025 wird für die Stuttgarter demnach ein durchwachsenes Jahr. Der Umsatz wird sich laut LBBW auf knapp unter 150 Milliarden Euro einpendeln und damit nur etwas besser ausfallen als 2024. Ein Jahr zuvor waren es noch 153 Milliarden Euro. Auch die Rendite im Konzern, zu dem auch die derzeit gut laufenden Transporter zählen, soll unter zehn Prozent bleiben.

„Verwöhnt durch die starken Gewinne in den Corona-Jahren 2021, 2022 und 2023, als Preiseffekte Mengeneffekte massiv überkompensierten, nähern sich viele Margen der Hersteller wieder vorherigen (Normal-)Größen an“, urteilt Autoexperte Frank Schwope.

Mit einem aktuellen Kurswert von knapp 58 Euro steht die Aktie über zehn Prozent schlechter da als noch zu Jahresanfang. Der DAX hat in dieser Zeit über 15 Prozent zugelegt. Vom Jahreshoch von 76,61 ist das Papier weit entfernt. Ola Källenius war im Mai 2019 auch mit dem Ziel angetreten sein, den Börsenwert des Unternehmens deutlich zu steigern. Dies ist bisher nicht gelungen.

So hoch stand der Aktienkurs auch schon im März 2015, unter dem damaligen Daimler-Chef Dieter Zetsche. Allerdings gehörte zu diesem Zeitpunkt noch das komplette Nutzfahrzeuggeschäft zum Konzern, das unter Källenius ausgegliedert und als eigenständiges Unternehmen an die Börse gebracht wurde.

Zwar werden die Gewinne der gesamten Autoindustrie in diesem Jahr geringer ausgefallen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass selbst bei Volkswagen immer noch Milliarden verdient werden. Schwope spricht daher von Jammern auf „hohem oder gar höchstem Niveau“.

Neuen Schwung erwartet die Branche für Ende 2025. Dann soll die weltweite Kaufzurückhaltung ein Ende haben, zumal viele neue Modelle auf den Markt kommen. So hofft Mercedes mit der neuen MMA-Plattform auf einen deutlichen Schub, da größere Reichweiten und ein geringer Strom-Verbrauch die Käufer auch ohne staatliche Subventionen von den Vorteilen eines Elektroautos überzeugen sollen. Es wird auch die Bewährungsprobe für die Strategie von Ola Källenius.