Wie die Nutzfahrzeug-Division ZF stabilisiert

Die Vorbereitungen für die IAA Transportation im September laufen bei ZF Friedrichshafen auf Hochtouren. Der weltgrößte Zulieferer im Bereich Nutzfahrzeugtechnik hat auf seinem Global Technology Day in Jever schon mal einen Ausblick seiner Innovationen auf die Leistungsschau der Branche in Hannover gegeben:
 
Neue Antriebslösungen, um Lastwagen und Busse voll elektrifizieren zu können, sowie das Getriebe TraXon2 Hybrid für schwere Nutzfahrzeuge stehen dabei im Fokus. Mit der Hybridtechnologie wollen die Friedrichshafener den Übergang zu vollelektrischen Fahrzeugen überbrücken und sehen darin einen Weg, die CO2-Ziele zu erreichen.

Anfang 2024 hatte die Europäische Union eine Verordnung verabschiedet, wonach Kohlendioxid-Emissionen von Lastwagen und Reisebussen, die ab 2030 verkauft werden, um mindestens 45 Prozent unter den Werten von 2020 müssen.

Zwischenlösungen sind gefragt, weil die E-Mobilität ins Stocken geraten ist. Bei Pkw wie bei Nutzfahrzeugen liegen die Zulassungszahlen für reine E-Mobile hinter den ursprünglichen Prognosen zurück und sorgen in vielen Märkten für Preiskämpfe.

ZF-Nutzfahrzeugvorstand Peter Laier sagt, dass der Konzern aufgrund seines technologieoffenen Ansatzes, des daraus resultierenden breiten Produktportfolios und der flexiblen Produktionsstätten in der Lage sei, darauf zu reagieren.

Unabhängig von diesen Herausforderungen hatte die Nutzfahrzeugdivision 2023 ein organisches Wachstum von 20 Prozent erzielt und den Umsatz auf 8,7 Milliarden Euro gesteigert. Zum Vergleich: Der Nutzfahrzeug-Gesamtmarkt legte um 15 Prozent zu.

Für Laier ist die Nutzfahrzeugsparte jedenfalls „eine wesentliche Säule des Geschäfts“. ZF hatte 2023 den Beschluss gefasst, im Nutzfahrzeuggeschäft überproportional wachsen zu wollen. „Das zeigt, wie stark das Geschäft bei ZF im Fokus steht“, sagte Laier kürzlich in einem Interview mit der Automobilwoche.

2023 war beim Nutzfahrzeug ein Rekordjahr in Friedrichshafen. Laier räumt aber ein, dass der schrittweise Wandel im Nutzfahrzeug in Richtung unterschiedlicher Antriebsformen zu geringeren Volumen bei Nutzfahrzeuggetrieben führe. Die Kurve verlaufe allerdings bei Weitem nicht so schnell nach unten, wie das beim Pkw laut Prognosen der Fall ist.

Laier rechnet damit, dass es im Nutzfahrzeug künftig mehr Antriebsarten als im Pkw geben wird, „da neben dem batterieelektrischen Antrieb und dem Dieselverbrennungsmotor zukünftig im Nutzfahrzeug auch die Brennstoffzelle und der Wasserstoffverbrenner eine Rolle spielen werden“. Mit den aktuellen Batterietechnologien hält er Entfernungen zwischen 300 und 500 Kilometern für möglich.

Doch noch bereitet die Ladeinfrastruktur Probleme. „Wenn wir neue Technologien wie batterieelektrische Mobilität oder wasserstoffbasierte Antriebe in den Markt bringen, muss die entsprechende Lade- beziehungsweise Tank-Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden“, erklärte der ZF-Vorstand. Die aktuellen staatlichen Initiativen reichen seiner Meinung nach nicht aus. Er fordert ein Incentivierungsprogramm „mit verlässlichen Randbedingungen, um private Investoren anzulocken, die diese Infrastruktur bereitstellen“.

Laier sieht ZF zudem als einzigen Nutzfahrzeugzulieferer, der das Chassis komplett abdeckt. „Wir haben die Bremse, die Lenkung und wir liefern die Vertikaldynamik.“ Er sieht das Unternehmen gegenüber dem Wettbewerb im Vorteil, weil ZF-Expertise in den Bereichen Fahrerassistenz und automatisiertes Fahren mitbringe. „Wie im Chassis sind wir auch mit unseren Getrieben sowohl bei schweren als auch mit mittleren und leichten Nutzfahrzeugen unangefochtener Weltmarktführer“, gibt er sich selbstbewusst.

Ein weiteres Feld auf das Nutzfahrzeug-Chef setzt ist das autonome Fahren. Dort sieht er ein großes Geschäftsmodell. Nach seiner Einschätzung entfallen auf den Fahrer zwischen 30 und 35 Prozent der Kosten. Wenn sich dort Kosten einsparen ließen, gäbe es ein klares Interesse an solchen Lösungen, ist er überzeugt. Zudem fehlten immer mehr Fahrer.

Wegen der langsameren Einführung des automatisierten Fahrens im PKW stelle sich der Technologienübertrag auf das Nutzfahrzeug nicht so schnell ein wie ursprünglich erhofft. Die ersten Anwendungen gebe es jedoch bereits bei Logistikzentren, Häfen oder in Minen. Auf öffentlichen Straßen rechnet er mit ersten Einsätzen in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts.

Ohne Frage profitiert die Nfz-Sparte von Synergieeffekten durch den Technologietransfer mit dem Pkw-Bereich des Konzerns. Neben Skaleneffekten sieht sich der Zulieferer so auch in der Lage, Innovationen schnell zu industrialisieren. Ein Beispiel dafür ist die Fahrwerk-Software cubiX. Diese wird nun auch im Nutzfahrzeugbereich eingesetzt. Aufgrund der zunehmenden Automatisierung werden elektrifizierte und vernetzte Technologien wichtiger, um die Lastwagen steuern zu können.

Synergien innerhalb des Konzerns ergeben sich unter anderem auch über den E-Mobilitätsbaukasten, abgeleitet aus der Pkw-Technologie. Zudem gibt es Kooperationen zwischen der Nutzfahrzeug- und der Pkw-Division im Umfeld der Fahrerassistenz. Beispielsweise greift die Nfz-Division auf Sensoren zurück, die in der Pkw-Division entwickelt werden. Auch bei den Elektronikarchitekturen und den dazugehörigen High Performance Computern gibt es einen engen Austausch mit dem Pkw-Bereich.

Doch bei aller Technikbegeisterung muss Laier die Kosten im Blick behalten. „Der Einstieg in die E-Mobilität ist von der Entwicklung eines E-Baukastens bis zur Industrialisierung investitionsintensiv.“ ZF geht daher schrittweise vor und hat ein modulares Industrialisierungskonzept entwickelt, mit dem sich laut Laier die Kapazitäten an die jeweiligen Bedarfe anpassen lassen.

Auch die Nfz-Sparte muss ihren Beitrag zu den von Konzern-Chef Holger Klein ausgegebenen Einsparziel in Höhe von sechs Milliarden Euro leisten. Wie im Pkw-Bereich fokussiert Laier eine kontinuierliche Verbesserung in den Werken, feilt an den Strukturkosten, überprüft den globalen Footprint und sucht nach Einsparpotenzialen im Einkauf.  

Ebenso wie die Pkw-Division hat ZF in der Nfz-Sparte Performanceprogramme aufgesetzt. Dabei wird von den Lieferanten erwartet, dass sie sich an den „Performanceverbesserungen“ beteiligen. Angaben dazu, wie viel Geld der Nfz-Bereich zu den Einsparungen beitragen soll, macht Laier nicht.