Herr Schwab, welche Akzente wollen Sie bei Valeo setzen?
In meiner neuen Rolle als Deutschlandchef möchte ich definieren, wofür Valeo Deutschland steht, wie wichtig wir für die Valeo-Gruppe sind und wie wir unseren Mutterkonzern bei der Profitabilität unterstützen können.
Valeo hat kürzlich den Bereich Valeo Power gegründet. Was versprechen Sie sich davon?
Die Division Valeo Power ist eine logische Weiterentwicklung der Einheit Powertrain Electrified Mobility, die aus dem Joint Venture mit Siemens entstanden ist.
Dabei haben wir zusammen mit unseren Kunden gelernt, dass die Optimierung der Systeme und der Fahrzeug-Antriebsstränge nicht nur durch die Komponenten E-Motor, Getriebe und Leistungselektronik getrieben wird, sondern auch durch das Temperaturmanagement und ein effizientes Batteriemanagement.
Dabei spielen für unsere Kunden die Themen eine Rolle, die auch für die Endkunden wichtig sind: Haltbarkeit, Reichweite und Ladegeschwindigkeit. Damit war es eine logische Konsequenz, die zwei Bereiche Thermal und Powertrain zusammenzuführen.
Was versprechen Sie sich von der Zusammenarbeit mit Dassault Systèmes?
Die Kooperation hilft unserer Forschung & Entwicklung, digitaler zu werden und die Entwicklung neuer Technologien zu optimieren und schneller an den Markt zu bringen. Das zahlt auch ein auf unser verändertes Verhältnis zu unseren Kunden.
Was meinen Sie damit?
Wir werden von unseren Automobilkunden nicht mehr nur als Zulieferer gesehen, sondern als Technologiepartner. Um dem gerecht zu werden, ist die Zusammenarbeit ein wichtiger Baustein.
Sie haben das E-Motorenwerk in Bad Neustadt an der Saale geschlossen und die Produktion nach Polen verlagert. Zudem wollen Sie 430 weitere Stellen abbauen. Halten Sie an diesen Plänen fest?
Ja. Die Verhandlungen mit den Sozialpartnern in Ebern sind jüngst abgeschlossen worden. In Erlangen wird noch verhandelt. Die dortigen Gespräche werden wir aber kurzfristig abschließen können. Wir haben größten Wert darauf gelegt, das sozialverträglich zu gestalten und konstruktive Gespräche mit den Sozialpartnern zu führen.
Wie trägt die nachlassende Nachfrage nach E-Autos dazu bei, dass Sie Stellen streichen?
Da kommen viele Themen zusammen. Neben den Synergieeffekten, die wir uns durch den Zusammenschluss der Division Power erhoffen, müssen wir auch den Kostenanforderungen unserer Kunden gerecht werden.
Wir sehen natürlich, dass sich der Markt nicht so stark entwickelt, wie wir das noch vor einem Jahr erwartet haben. Es ist logisch, dass wir darauf reagieren müssen. Valeo ist auf dem Weg zur Elektrifizierung immer ein Vorreiter gewesen und bleibt es.
Wir haben die Stärke, dass wir nach wie vor über die traditionellen Technologien auf zwölf- oder 48-Volt-Basis verfügen. Dadurch können wir flexibel auf Marktveränderungen reagieren. Und dennoch: Trotz aller Diskussionen wird die Elektrifizierung für batterieelektrische Fahrzeuge kommen, auch wenn es auf dem Weg dorthin immer wieder holprig werden kann.
Welche Produkte lassen sich in Deutschland noch hochautomatisiert herstellen?
Ich möchte das nicht auf das ein oder das andere Produkt festlegen. In unserem Werk in Wemding fertigen wir eine ganze Anzahl von Produkten im Bereich ADAS (Advanced Driver Assistance Systems, also Fahrerassistenzsysteme), inklusive Lidar.
Vor dem Hintergrund, dass Deutschland ein Hochlohnstandort ist, muss jedes Werk seine Wettbewerbsfähigkeit auch langfristig unter Beweis stellen. Es ist nicht nur eine Frage des Produkts, sondern auch eine Frage des Automatisierungsgrades und der Technologien.
Wie sehen Sie den Produktionsstandort Deutschland?
Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass Deutschland ein guter und wettbewerbsfähiger Standort ist. Dass wir gemeinsam mit unseren Sozialpartnern jederzeit in der Lage sind, Lösungen zu finden, um auch die Produktion im Land zu halten.
Wir wissen aber auch, dass es Produkte gibt, die einen gewissen Reifegrad erreicht haben. Diese lassen sich an anderen Standorten deutlich wettbewerbsfähiger herstellen.
Valeo gehört zu den Lidar-Pionieren. Wer gehört zu Ihren Kunden und deuten sich weitere Serienaufträge an?
Lidar ist eine unserer ganz starken Säulen. Die Technologie ist für Valeo eindeutig der Schlüssel zum sicheren autonomen Fahren, insbesondere für Level 3 und höher. Wir wissen zwar, dass auch beim Radar Fortschritte gemacht werden, aber wir sind überzeugt davon, dass Lidar der richtige Weg ist.
Valeo hat 15 Jahre Erfahrung in der Entwicklung. Auf der Straße werden unsere Systeme zum Beispiel von Audi und Mercedes eingesetzt. Auch Fahrzeuge von Stellantis werden künftig mit Lidar-Systemen von uns auf die Straße kommen.
Es gibt viele Zulieferer und Start-ups, die im Bereich Lidar aktiv sind, aber nur wenige schaffen es, den Anforderungen der Fahrzeughersteller gerecht zu werden. Wir haben Aufträge für eine Milliarde Euro mit renommierten Herstellern in unseren Büchern.
Präziser darf ich leider nicht werden. Wir verfügen über 575 Patente im Bereich Lidar. Die Entwicklung findet in Bietigheim statt, produziert wird in Wemding. Auch das spricht für den Standort Deutschland.
Verfolgen Sie bei Lidar verschiedene technologische Ansätze?
Bei uns ist der Drehspiegel im Einsatz, aber wir forschen natürlich auch an künftigen Solid State-Lösungen.
Wie teuer sind Lidar-Systeme?
Derzeit liegen die Stück-Preise um die 1000 Euro. Das Ziel ist, den Preis um die Hälfte zu reduzieren, langfristig noch niedriger, um das Produkt auch zu demokratisieren.
Haben Sie auch Kunden in Nordamerika und Asien?
Die Kunden kommen sowohl aus Europa als auch aus Nordamerika und Asien.
Vor zwei Jahren hatte Valeo das Gemeinschaftsunternehmen Valeo Siemens eAutomotive ganz übernommen. Haben sich Ihre Erwartungen in Punkto Synergien erfüllt?
Zu 100 Prozent. Die Integration war erfolgreich und wir haben so eine Basis erhalten, um heute den Nachfrageschwankungen zwischen batterieelektrischen Fahrzeugen, Hybriden und Verbrennern gerecht zu werden.
Bei den Produktionsstandorten und den Produktionskapazitäten haben wir die Möglichkeit, flexibel auf die Nachfrageschwankungen des Marktes zu reagieren. Zudem hatten wir die Möglichkeit, die Entwickler aus dem Niedrig-Volt-Bereich weiter zu fördern und in Richtung Hochvolt zu schulen.
Damit waren wir in der Lage, sehr schnell unsere Technologieentwicklung voranzutreiben.
Wie hoch waren die Einsparungen?
Dazu machen wir keine Aussagen.
Viele Zulieferer arbeiten daran, ihre FuE-Quote zu reduzieren. Wie sieht das bei Valeo aus?
Wir sind da dran. Ein Paradebeispiel dafür, wie das gelingen kann, ist die Integration von Valeo Siemens in Valeo. Wir haben es dabei geschafft, unseren deutlich höheren Auftragseingang mit den gleichen Ressourcen abzuarbeiten.
Wir müssen natürlich unsere Entwicklungsaktivitäten fokussieren und haben wesentliche Entwicklungsstandorte im Ausland, die Valeo dabei unterstützen, die Forschungsaufwände zu reduzieren.
Heute investieren wir zehn Prozent unseres Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Der Kostendruck auf der Entwicklungsseite sollte sich nicht von dem auf der Produktionsseite unterscheiden.
Welche Aktivitäten gibt es bei Valeo beim Software-definierten Fahrzeug?
Wir haben über viele Jahre Software-Expertise aufgebaut. Zur IAA in München haben wir mit Valeo AnSWer unser Angebot für das Software-definierte Fahrzeug vorgestellt. Es ist ein neues Angebot von Software als Produkt und als Dienstleistung.
AnSWer ist offen, skalierbar und modular und umfasst Anwendungen, Middleware und Dienstleistungen für unsere Kunden. Es gibt hier auch eine Zusammenarbeit mit dem Hersteller Renault und mit BMW beim automatisierten Parken.
Es gibt auch Aktivitäten mit amerikanischen und chinesischen Kunden. Letztendlich sind wir auf allen Ebenen gut aufgestellt. Wir können die sich ändernden Fahrerwünsche über die Software und unsere Plattform abbilden, Updates lassen sich Over-the-Air aufspielen und so lässt sich die Software des Software-definierten Fahrzeugs kontinuierlich aktualisieren.
Wir haben mit unseren Kunden, den Fahrzeugherstellern, eine wirkliche Technologiepartnerschaft. Wir können direkt zur Differenzierung der Fahrzeuge beitragen.
Letztendlich geht es darum, die Funktionalität für den Endkunden so anzupassen, dass auf geänderte Bedürfnisse eingegangen werden kann und das Fahrzeug über den ganzen Lebenszyklus up to date zu halten.
Was halten Sie von der aktuellen Diskussion, dass auf Fahrzeuge aus China Zölle erhoben werden sollen?
Grundsätzlich glaube ich fest daran, dass wir als Zulieferer und auch unsere Hersteller die Kraft haben, wettbewerbsfähig zu sein. Global, ohne durch Zölle geschützt zu werden.
Vielleicht befinden wir uns in einer Sondersituation, die spezifische Maßnahmen erfordert. Wir werden sehen, ob das der richtige Weg ist. Die Dynamik und die Abbildung der Kundenwünsche, die Technologie und auch die Wettbewerbsfähigkeit bei den Kosten muss von uns selbst kommen.
Deshalb kann ich mir vorstellen, dass das nur eine Übergangslösung ist.