Luxus in Handarbeit

Bentleys Zukunft entsteht direkt neben der altehrwürdigen Stammfabrik im englischen Crewe. Auf der anderen Straßenseite baut die VW-Tochter eine komplett neue Montagelinie, auf der ab 2026 ihre neuen E-Modelle entstehen sollen. Und das nicht etwa hoch automatisiert, sondern weiterhin mit viel Handarbeit. Denn das, davon ist man in Crewe überzeugt, gehört zum Erfolgsrezept der Nobelmanufaktur, mit der man die betuchte Kundschaft überzeugt.

"Sie werden bei uns keine Montagelinie sehen, auf der Roboter 90 Prozent der Arbeit erledigen", sagt Sebastian Benndorf. Der frühere VW-Manager ist Leiter der Produktionsplanung bei Bentley und damit Chef des Neubauprojekts, das man hier selbstbewusst "Dream Factory" nennt - passend zur Vision, ab 2030 zur reinen E-Marke zu werden.

2,5 Milliarden Pfund lässt sich Bentley den Neubau kosten. Dabei hatte der damalige VW-Chef Herbert Diess noch vor zwei Jahren verkündet, dass der erste Elektro-Bentley nicht hier, sondern bei VWN in Hannover gebaut wird - sehr zum Entsetzen der Leute in Crewe. Doch das ist längst abgehakt. Vor einem Jahr kam aus Wolfsburg grünes Licht für die Montage in Crewe. Einziger Wermutstropfen: Wegen der Softwareprobleme bei Cariad verzögert sich der Start von 2025 auf 2026.

Komplett entstehen wird der Elektro-Bentley aber nicht in Crewe. Karosserie und Elektro- Plattform samt Batterie kommen aus Hannover. Doch Interieur und Lack, worauf bei Bentley mehr als die Hälfte der Wertschöpfung entfällt, übernimmt das Stammwerk selbst. Für Bentley macht das keinen großen Unterschied. Schließlich kommen auch bisher schon alle Karosserien von VW-Konzernschwestern aus Deutschland, wo sie bei Porsche in Leipzig und bei VW in Zwickau entstehen.

Etwas mehr Automatisierung als bislang werde im neuen Werk schon herrschen, sagt Benndorf. "Sie werden in der Montage möglicherweise einen Roboter mehr sehen." Was immerhin eine Verdopplung ist: Auf den beiden bisherigen Montagelinien ist jeweils nur ein einziger Roboter im Einsatz - beim Einpassen der Windschutzscheiben.

Daran soll sich wenig ändern: "Wir werden unsere Autos auch in Zukunft mit einem hohen Anteil an Handarbeit fertigen." Das gilt sogar in der sonst weitgehend automatisierten Lackiererei. Die Option, gegen Aufpreis quasi jede Farbe zu erhalten, lasse sich allein mit Sprührobotern schlicht nicht umsetzen, sagt Benndorf. "Das kann man nur per Hand machen."

Dass Bentley für seine E-Offensive neu bauen muss, ist vor allem der hohen Auslastung der bisherigen Produktion geschuldet. Denn die Verbrenner-Modelle sollen, zumindest als Plug-in-Hybride, noch bis 2030 weiterlaufen. Und derzeit liegt die Auslastung mit gut 15.000 Fahrzeugen pro Jahr bei 100 Prozent. Er habe daher gar keine andere Chance, als neu zu bauen, sagt Benndorf.

In dem Neubau könnte dann nicht nur der erste E-Bentley entstehen. "Das wird auf jeden Fall ausbaufähig sein", sagt Benndorf. Wenn es nach Bentley geht, würde man hier dann gern auch die vier weiteren Stromer montieren, die bis 2030 geplant sind. Entschieden ist das in Wolfsburg aber noch nicht. Die bisherigen vier Verbrenner-Baureihen sollen dann nach und nach auslaufen.

"Wir werden dadurch sicherlich einige Kunden verlieren", räumt Bentley-Chef Adrian Hallmark ein. Er hoffe aber, dass man die allermeisten Bentley-Fahrer für Elektro begeistern kann. Und wenn am Ende ein paar abspringen, mache ihm das angesichts der vollen Auftragsbücher keine Sorgen. "Das können wir problemlos anderswo ausgleichen."

Aus dem Datencenter:

Pläne von Regierungen und Herstellern zum Verbrennerausstieg