Wie die Inflation die E-Mobilität auszubremsen droht

Die derzeit hohen Spritpriese müssten eigentlich eine Steilvorlage für die Elektromobilität sein. Doch laut einer Studie ist genau das Gegenteil der Fall: Weil auch die Strompreise steigen, fürchten die meisten Deutschen, dass sie sich ein E-Auto schlicht nicht mehr leisten können. Sollte auch noch die staatliche Kaufprämie wegfallen, dürfte das Kaufinteresse weiter sinken.

Zu diesem Ergebnisse kommt der Zulieferer Continental in seiner aktuellen Mobilitätsstudie 2022, für die im Mai Menschen in Deutschland und fünf weiteren Ländern befragt wurden. Angesichts der anziehenden Inflation würden viele Kunden ihre Prioritäten neu ordnen. "In den Studienergebnissen sehen wir deutlich, dass das Thema Nachhaltigkeit derzeit nicht im Fokus steht, sondern das Thema Bezahlbarkeit das überlagert", sagt Steffen Schwartz-Höfler, Leiter Nachhaltigkeit bei Continental.

Angesichts der derzeit auf breiter Front anziehenden Verbraucherpreise würden viele den "Luxus" eines E-Autos da lieber erst einmal zurückstellen - vor allem, wenn es mehr kostet als ein Verbrenner. Zwar gehen 44 Prozent der befragten Deutschen davon aus, dass die Zukunft der Mobilität elektrisch sein wird. Doch nur jeder Zweite (50 Prozent) ist bereit, dafür auch mehr zu bezahlen. Zwei Drittel der Befragten (67 Prozent) sind angesichts der stark steigenden Strompreise unsicher, ob sie sich selbst ein E-Fahrzeug anschaffen werden. Fast ebenso viele (62 Prozent) gehen davon aus, dass sie sich in naher Zukunft kein E-Auto leisten können werden.

Damit zeigt sich ein Dilemma zwischen prinzipieller Bereitschaft zum Umstieg und den finanziellen Möglichkeiten - die Entwicklung der Rohstoffpreise verschärft dies. "Jedem ist klar, dass Transformation im Mobilitätsverhalten gewollt ist", sagte Schwartz-Höfler. Die Bedenken in puncto Finanzierbarkeit seien oft allerdings groß. "Diese Angst muss ernst genommen werden."

Das gilt nicht nur für die E-Mobilität: Fast drei Viertel der Befragten (73 Prozent) machen sich angesichts steigender Energiekosten Sorgen, dass Mobilität für sie generell nicht mehr erschwinglich sein könnte. Und nennen hier auch einen ganz konkreten Preis: Ab einem Benzinpreis von 2,80 Euro pro Liter würde sich mehr als Hälfte der Deutschen sich das Autofahren laut der Umfrage nicht mehr leisten können. "Wir sehen weltweit, dass die Menschen sich Sorgen machen, ob sie sich das Autofahren überhaupt noch leisten können", so Schwartz-Höfler.

Entsprechend wenig halten die Befragten von der Diskussion in der Ampel-Koalition um ein Auslaufen oder Zurückfahren der Kaufprämien ab 2023. Nicht einmal jeder vierte Befragte (23 Prozent) gab an, auch ohne staatliche Förderungen am Kauf eines E-Autos interessiert zu sein. Vier von fünf Befragten (82 Prozent) sind sogar generell der Meinung, dass der Staat dafür sorgen müsse, dass Mobilität bezahlbar bleibe.

"Wir sehen, dass der Blick Richtung Staat geht, weil Mobilität als Grundbedürfnis angesehen wird", sagte Schwartz-Höfler. "Die Politik wird in die Pflicht genommen." Das gilt auch für die Förderung der E-Mobilität. 77 Prozent sprachen sich dafür aus, dass hier vor allem die nachhaltige Mobilität gefördert werden müsse. Für Sanktionen gegen Fahrer von Verbrennern können sich dagegen nur 21 Prozent der Deutschen erwärmen.

In anderen Ländern, in denen Conti die Studie ebenfalls durchführte, sieht das Bild zum Teil völlig anders aus. Vor allem in China. Dort sagen 83 Prozent der Befragten, dass ihr nächstes Auto sicher oder höchstwahrscheinlich einen E-Antrieb an Bord haben werde.  Und 73 Prozent sind dort auch bereit, dafür mehr zu bezahlen. Mehr als die Hälfte der Chinesen (52 Prozent) würde dafür auch auf eine staatliche Förderung verzichten. Und anders als in Deutschlands spricht sich dort sogar eine Mehrheit der befragten für Sanktionen gegen Verbrenner aus.

Generell hat die Bedeutung des Autos durch die Corona-Pandemie deutlich zugenommen. "Die Pandemie hat gezeigt, dass individuelle Mobilität wichtig ist", so Schwartz-Höfler. Und der Trend zum eigenen Auto, der bereits in der vergangene Studie 2020 festgestellt wurde, sei ungebrochen: 46 Prozent der Befragten in Deutschland gaben an, das Auto täglich zu nutzen.

Das sind nur sieben Prozentpunkte weniger als vor zwei Jahren, als der Wert wegen der Corona-Pandemie auf 53 Prozent in die Höhe geschnellt war. Ein Viertel der Deutschen hatte damals angegeben, wegen der Pandemie mehr Auto zu fahren.  Daran hat sich seither wenig geändert. 70 Prozent der Befragten in Deutschland gaben nun an, dass sie lieber allein oder nur mit Bekannten unterwegs sind. Und 54 Prozent sehen das Auto inzwischen als ihren persönlichen Rückzugsraum.

Für die Mobilitätsstudie, die Conti seit 2011 bereits zum siebten Mal vorlegte, hatte das Meinungsforschungsinstitut Infas im Mai jeweils 1000 Bürger in Deutschland, Frankreich, Norwegen, den USA, Japan und China befragt.