Herr Bräutigam, 2018 hat Jaguar Land Rover einen Verlust in Höhe von 4,1 Milliarden Euro eingefahren. Was sind die größten Herausforderungen für die nächsten 12 Monate?
Dass wir unser Transformationsprogramm erfolgreich zu Ende zu bringen. Wir sind mit „Charge“ gut gestartet. Die 2,5 Milliarden Pfund, die wir bis Mitte 2020 einsparen wollen, sind realistisch. Wir haben Hebel gefunden und konnten strukturelle Themen angehen. Monat für Monat werden wir fitter. Das bisschen Fett, das wir angesetzt hatten, kriegen wir los. Wichtig ist, dass wir den Druck auf dem Kessel nicht verlieren. Und dass wir alle Autos, die wir bekannt gegeben haben auch bringen. Spannend bleibt das Thema Elektrifizierung. Der nächste vollelektrische Jaguar nach dem erfolgreich gestarteten I-PACE wird der XJ, unser „Kronjuwel“. Das ist auch für uns ein Abenteuer. Das Thema Elektrifizierung entwickelt sich täglich weiter. Wichtig ist es hierbei die Bedürfnisse der Händler und Kunden besser zu verstehen.
Was müssen Sie konkret lernen?
Entwicklungstechnisch lernen wir von E-Modell zu E-Modell dazu. Da hilft uns der Motorsport, die Formel E und unser I-PACE Markenpokal, enorm. Dieses Testfeld hat viel geholfen, unserem I-PACE soviel Fahrfreude einzuimpfen. Aber wir müssen Kunden, die an der Schwelle zum Kauf eines E-Autos stehen, noch besser identifizieren. Da sehen Sie die verrücktesten Wanderungen. Wir müssen verstehen, welche Menschen sich als nächstes trauen, ein E-Auto zu kaufen und welche Informationen sie brauchen. Unsere Händler müssen dem Kunden die Unterschiede zwischen einem Auto mit Verbrennungsmotor und einem E-Auto verständlich darstellen können und vor allem müssen sie die Vorzüge dieser neuen Antriebstechnologie herausstellen, wie z.B.: „Du musst nie wieder an eine stinkige, zugige Tankstelle, Du fährst jeden Morgen mit vollem Tank los.“
Last but noch least müssen wir Druck machen, dass wir mehr Unterstützung und auch klare Richtlinien von den Regierungen weltweit bekommen. In Ländern wo es Anreizsysteme gibt, ist der Anteil an E-Autos deutlich höher. Wir brauchen Unterstützung beim Aufbau der Ladeinfrastrukturen. Tankstellen bauen ist nicht die Kernkompetenz der Autohersteller. Auch wenn ich mit Energieanbietern spreche, höre ich: Wir brauchen schnellere Genehmigungsverfahren. Das ist noch viel zu kompliziert. Und wir brauchen Standardisierung bei Lade- und Zahlsystemen. Beispiel Ladebuchsen: Stellen sie sich vor, Shell hätte eine andere Zapfpistole als BP, das kann ja nicht sein...
Woher wissen Sie, welche Kunden an der Schwelle stehen?
Wir betreiben Marktforschung, werten Gespräche unserer Händler mit Kunden aus und beobachten die sozialen Medien.
Sind die sozialen Medien für JLR tatsächlich so wichtig?
Ja, die spielen für uns eine sehr große Rolle. Das ist, wie wenn sie ein Mikrofon über die Stammtische dieser Welt hängen. Davon haben wir früher geträumt. Was ein Kumpel dem anderen erzählt, bekommen sie nirgends so ungefiltert mit wie in den sozialen Medien. So nah am Puls der Kunden zu sein, das ist großartig.
Und es ist eine große Kommunikationsplattform für uns. Die Millenials werden in vier bis fünf Jahren die größte Generation sein, die Premiumfahrzeuge kauft. Die sind digital unterwegs, die lesen nicht mehr am Samstag in der Badewanne ihr Lieblingsautomagazin.
Das heißt dort fließt auch das Marketing- und Werbebudget rein?
Wir stellen dort neutrale Informationen zur Verfügung. Zum Beispiel: „Defender Launch ab 10 Uhr live. Wer dabei sein möchte, hier klicken.“ Und klar, wir schalten auch klassische Werbung in Social Media - eindeutig als solche identifiziert, wir wollen nicht die Privatsphäre missbrauchen. Klassische Anzeigen in Printmagazinen schalten wir auch noch – aber deutlich weniger. Social Media ist heute eins unser Hauptfokusthemen. Das ist auch deutlich effizienter. Wir müssen als kleines Unternehmen einfach schauen, wo wir unser Geld gezielt einsetzen.
Apropos Millenials und neue Mobilitätsbedürfnisse: Sind Autos im Abo für JLR ein Thema?
Ja, absolut. Wir bilden Kurzzeitmobilität über unser Händler-Programm InMotion Rent ab. Wir experimentieren viel. Ein großes Geschäft ist das im Moment für niemand. Aber wir sind dafür – schauen Sie nur unsere Modellpalette vom offenen Sportwagen, über die Reiselimousine bis hin zu Geländewagen an - wir sind richtig gut aufgestellt. Unsere Händler haben damit alle Möglichkeiten, viel auszuprobieren. Wir können so auch Kunden zu einem früheren Zeitpunkt gewinnen.
Ein konkretes Abo-Modell mit monatlicher Kündbarkeit, wie sie im Markt bereits auftauchen, ist aber nicht in Arbeit?
Nein, das nicht. Aber wir glauben auch nicht, dass es kurzfristig das nächste große Ding ist. Auch nicht für die Millenials. Aber wir bleiben dran.
Welche Erwartungen haben Sie an den neuen Defender?
Das wichtigste ist, dass wir Land Rover damit wieder zu einem stabilen dreibeinigen Stuhl machen. Wir haben mit Range Rover Luxus und mit dem Discovery Vielseitigkeit. Der Defender hat gefehlt, der bringt den ultimativen Offroader und das hochwertige Arbeitstier wieder rein. Und er ist auch für unsere Profitabilität und die von unseren Händlern wichtig.
Mit welchem Absatz rechnen Sie?
Das kommunizieren wir nicht. Wir haben einen fairen Einstiegspreis ab 50.000 Euro und bieten darüber hinaus eine komplette Modellfamilie; ein vielseitiges, breites Angebot für die verschiedensten Anforderungen und Wünsche. Mit 170 maßgeschneiderten Zubehörteilen ist einiges möglich.
Herr Bräutigam, vielen Dank für das Gespräch.
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