"Der Kapitalmarkt schaut anders auf die Unternehmen"

Wie gut ist die Automobilindustrie im Transformationsprozess aufgestellt? Dieser Frage ging Felix Kuhnert, Automotive-Experte der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC), beim Automobilwoche Kongress nach. Dabei spielt die Innovationskraft eine zentrale Rolle.

Zwischen 2012 und 2019 hätten die OEMs einen Zuwachs von 78 Prozent bei Innovationen verzeichnet, sagt Kuhnert. Bezogen auf den Anteil der Innovationsbudgets am Umsatz seien die Autobauer "die drittstärkste Industrie weltweit", sagt Kuhnert. Er sieht die Autoindustrie derzeit "in der Mitte der Transformation".

Laufen die Automobil- und die Finanzbranche noch synchron? Angesichts sinkender Börsenwerte etablierter Autobauer und der steigenden Marktkapitalisierung von neuen Anbietern wie Tesla drängt sich diese Frage auf. Kuhnert sieht hier Verschiebungen in den Anforderungen an die OEMs. "Der Kapitalmarkt schaut anders auf die Unternehmen. Eine klare Strategie wird belohnt."

Ein Beispiel: Früher sei es wichtig gewesen, ein ausdefiniertes Portfolio zu haben und "am besten gleich drei SUV-Modelle anzubieten". Heute werden sehr breit angelegte Modellpaletten eher negativ bewertet. Gefragt seien dagegen "schlanke und zukunftsorientierte Portfolios."

Natürlich kommt heute auch kein OEM mehr am Thema Nachhaltigkeit vorbei. Der Kapitalmarkt habe darauf heute eine ganz andere Sicht als früher, nachhaltige Kriterien würden in die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen integriert.

Die Finanzmärkte knüpften die Attraktivität der Unternehmen immer stärker an die Erfüllung der ESG (Environmental, Social and Governance)-Kriterien. "Das ist kein Greenwashing", sagt Kuhnert. "Die Hersteller brauchen eine klare Elektrostrategie, am besten bis ins Recycling hinein."

Die Umgestaltung der Portfolios auf alternative Antriebe kostet Geld: Wann sich die massiven Investitionen rechnen, hängt stark vom Segment ab. Ein fester Zeitpunkt, an dem Elektrofahrzeuge gegenüber Verbrennern einen Betriebskostenvorteil bieten, lässt sich nicht definieren, sagt Kuhnert. "Es wird nicht eine Antriebsform die andere über Nacht ablösen."

Die CASE (Connected Car, Autonomes Fahren, Shared Mobility und Elektromobilität)-Strategien zur Transformation sieht PwC derzeit in einer Phase der Entkoppelung. "CASE führt nicht mehr zu einer homogenen Transformation", sagt Kuhnert. So sei etwa beim Thema autonomes Fahren "Realismus eingekehrt".

Gute Nachrichten gibt es von der Verbraucherseite. Die Bereitschaft, ein neues Auto zu kaufen, wird auch nach dem Ende der Corona-Pandemie fast unverändert sein."Der Trend zum eigenen Pkw bleibt", sagt Kuhnert.

Ob die aktuelle Zurückhaltung der Verbraucher bei Sharing-Modellen wieder verschwindet, ist noch unklar. "Ich würde dort jetzt nicht verstärkt investieren", sagt der PwC-Experte.

Dass die Kunden bisher wenig Bereitschaft zeigen, für Connected-Car-Services einen Aufpreis zu zahlen, hängt laut Kuhnert auch davon ab, welche Dienste konkret angeboten werden. Er sieht hier noch "Potenzial für Innovationen".

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