Der Star bin ich

Der wohl spektakulärste Werbeträger von Tesla ist derzeit mehr als 370 Millionen Kilometer von der Erde entfernt: ein mitternachtskirschroter Tesla Roadster, den Elon Musk am 6. Februar 2018 ins All schießen ließ und der seither einsam seine Bahnen zieht. Nicht erdnah wie ein Satellit, sondern auf einer weiten Umlaufbahn um die Sonne, die den Roadster bis nah an den Mars führt. Und es ist nicht irgendein Tesla: Musk trennte sich damals von seinem eigenen Auto, um es mit seiner Raketenfirma SpaceX als Ladung ins All zu schicken, stilecht inszeniert mit einer Puppe auf dem Fahrersitz und David Bowies "Space Oddity" aus dem Lautsprecher.

Diese Aktion war genau nach dem Geschmack des Tesla­Chefs: Sie generierte weltweit maximale Aufmerksamkeit, ohne dass dafür eine einzige Anzeige oder ein TV­-Spot geschaltet werden musste. Denn von klassischer Werbung, das macht Musk immer wieder deutlich, hält er rein gar nichts. "Es ist besser, das Geld ins Produkt zu stecken als in Vertrieb und Marketing", erklärte er selbst einmal auf Twitter. Und dieser Linie ist er seit seinem Einstieg bei Tesla 2004 treu geblieben. Wie zum Beweis löste er Ende 2019 in den USA sogar die PR-­Abteilung seiner Firma auf.

Das Marktforschungsunternehmen Nielsen, das den deutschen Werbemarkt für die Automobilwoche ausgewertet hat, ermittelte 2020 denn auch genau eine einzige Printanzeige des E-­Auto­-Pioniers. Und die kam nicht von Tesla selbst, sondern von dem Maschinenbauer Grohmann, den Tesla 2017 übernommen hatte und in Tesla Grohmann Automation umbenannte. Geworben wurde freilich nicht für ein Auto: Es war eine Stellenanzeige, mit der Grohmann im August 2020 zum Start des Ausbildungsjahres um Lehrlinge warb.

Trotz der demonstrativen Werbeabstinenz ist es Tesla gelungen, zu einer der bekanntesten Automarken der Welt zu werden. "Tesla kombiniert drei Komponenten auf sehr geschickte Weise“, erläutert Lutz Frühbrodt, der an der Hoch­ schule Würzburg­Schweinfurt Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation lehrt. Erstens: "Tesla­-Chef Elon Musk profiliert sich als Visionär der Mobilität, gerne auch mit markigen Sprüchen - bis hin zur Mars-­Besiedelung."

Zweitens: "Tesla positioniert sich als Vorreiter in Sachen E-­Mobilität und autonomes Fahren." Und last, but not least: "Das Unternehmen hat als erstes gezeigt, dass Nachhaltigkeit auch trčs chic sein kann." In Summe wecke das Begehrlichkeiten und mache Tesla zu einer angesagten Marke, die ganz ohne klassische Werbung auskommt. Stattdessen setzt Musk auf seine treue Fangemeinde und auf Mund­-zu­-Mund­-Propaganda, die der Tesla­Chef für die effektivere Art der Werbung hält.

Der wichtigste Imagefaktor ist dabei Musk selbst. Wo auch immer er auftaucht, etwa zum Baustellenbesuch in Grünheide, schafft er es spielend in die Hauptnachrichten. Musk ist omnipräsent und verbreitet seine Botschaften fast ununterbrochen. Sein wichtigstes Instrument ist dabei Social Media, allen voran Twitter, wo der Tesla-Chef inzwischen 78 Millionen Follower hat. Und er twittert unaufhörlich: Seit seinem Start auf der Plattform Mitte 2009 hat er fast 17.000 Tweets abgesetzt - im Schnitt drei bis vier pro Tag. Zu Hilfe kommt ihm dabei seine begeisterte Fanbasis, die jede Äußerung des Chefs weiterverbreitet.

Ob das auch ohne den Kult um Musk funktionieren würde? "Vielleicht", sagt Frühbrodt, "aber längst nicht so gut." Denn: "Musk verkauft sich und damit auch seine Produkte als Inkarnation von Fortschritt, Charisma und Individualität. Selbst wer ihn nicht sympathisch findet, beachtet ihn aber zumindest. Würde Musk nicht seine Rolle so spielen, wie er sie spielt - und vielleicht spielt er ja auch gar keine Rolle -, müsste Tesla wahrscheinlich verstärkt auf Guerilla-Marketing setzen."

Dabei ist es keineswegs so, dass es bei Tesla kein Marketing gäbe. Es findet nur anders statt als bei der Konkurrenz und abseits der üblichen Werbekanäle. So produziert Tesla fleißig Erklär- und Werbevideos, die dann aber nicht als TV- Spot laufen, sondern auf YouTube. Produktneuheiten präsentiert Tesla ebenfalls auf YouTube oder audio bei Clubhouse. Und auch seine anderen Unternehmen setzt Musk gezielt ein, um für Tesla zu werben, nicht nur beim Raketenstart des Roadsters 2018. Wenn NASA-Astronauten in Cape Canaveral mit einer Falcon-9-Rakete von SpaceX abheben, werden sie im Tesla Model X zur Startrampe gefahren.

"Das Beispiel Tesla zeigt, dass die großen globalen Autokonzerne vielleicht auch einmal ihre Marketingstrategien überdenken sollten", sagt Frühbrodt. "Es werden Abermillionen, wenn nicht gar Abermilliarden für Lifestyle-Werbung aus dem Fenster geworfen, die auf den Produktpreis aufgeschlagen werden und die der Kunde bezahlen muss."

Allerdings habe das Modell Tesla auch seine Schwächen. "Negativ schlägt sicher zu Buche, dass Tesla und Elon Musk polarisieren. Im Premiummarkt funktioniert dies vielleicht noch als elitäres Distinktionsmerk- mal. Aber im Massenmarkt?" Hier könnte das Modell irgendwann an seine Grenzen stoßen. "Dieser Personenkult wird nicht unendlich so funktionieren." Bisher klappe es aber überraschend gut. "Selbst nach Unfällen selbstfahrender Autos und der Explosion von SpaceX-Raketen", wie Frühbrodt anmerkt.

Und der Tesla Roadster, der einsam durchs All fliegt? Sollten Astronauten das Auto je sichten, der Anblick wäre wohl ernüchternd: Gummi, Leder, Stoff und auch der rote Lack dürften sich unter der kosmischen Strahlung längst zersetzt haben, glauben Experten. Übrig geblieben sein dürfte von Musks altem Sportwagen kaum mehr als der Aluminiumrahmen.

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