Die Nachhaltigkeits-Detektive

Um herauszufinden, wie bei Circulor die Geschäfte laufen, muss man Douglas Johnson-Poensgen nur nach der Mitarbeiterzahl des von ihm mitgegründeten Start-ups fragen. "Im Moment sind es 42, bis Ende 2021 werden es 75 sein", antwortet er. "Und im Jahr 2022 erwarten wir, die 160 zu erreichen."

Vor vier Jahren hat Johnson-Poensgen das Unternehmen zusammen mit Veera Johnson in London auf die Beine gestellt, bald darauf kamen internationale Niederlassungen hinzu. "Wir haben jetzt größere Büros in London und Berlin sowie ein kleineres in Dublin", sagt der CEO. "Die Teams in den USA und Singapur wachsen, und wir werden auch dort innerhalb der nächsten sechs Monate Büros eröffnen."

Was aber verspricht Circulor seinen Kunden? In einem Wort: Kontrolle. "Wir bieten ihnen die Rückverfolgbarkeit ihrer Lieferketten als Dienstleistung", beschreibt es der Gründer. Dazu setzen die Mitarbeiter des Unternehmens Technologien wie Blockchain und maschinelles Lernen ein. So soll etwa der Weg von Bauteilen für die Automobilproduktion vom Ursprung bis ins Fahrzeug und zum Recycling sichtbar gemacht werden, um die Hersteller bei der Einhaltung ihrer jeweiligen Nachhaltigkeitsziele und -vorschriften zu unterstützen.

Allein in den vergangenen zwölf Monaten hat das Start-up über 20 Millionen Dollar von Investoren eingesammelt. Für das Jahr 2022 peilt der Vorstand den Börsengang an. Zu den Kunden zählen unter anderem Daimler, Jaguar Land Rover und Volvo Cars inklusive der Hybrid- und Elektromarke Polestar. Hinzu kommen jeweils ein Hersteller aus China und den USA sowie einige Zulieferer aus der Autobranche. Auch die Batteriespezialisten CATL und LG Chem arbeiten mit Circulor zusammen.

Für die Energiewende und die Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen brauche man Elektroautos, sagt Johnson-Poensgen. Aber die Herstellung solcher Fahrzeuge belaste die Umwelt, und viele der benötigten Materialien– vor allem für die Antriebsbatterien – seien mit Blick auf die Arbeitsbedingungen der Menschen vor Ort alles andere als einwandfrei. Was die Kunden laut dem Gründer bekommen, ist "ein signifikanter Einblick in ihre Lieferketten" bis zu Unternehmen unterhalb von Tier 3– und oft bis hin zur Quelle von Rohmaterialien. Auf diese Weise könnten Unternehmen die ESG-Risiken für Umwelt (Environment), Soziales und Governance, die mit der Herstellung ihrer Produkte verbunden sind, besser managen.

Dazu stellt Circulor den Kunden eine Software-Plattform zur Verfügung. Zum Service gehören aber auch das Onboarding von Zulieferern und das Überprüfen externer Informationen durch eine unabhängige Verifizierung. An der Quelle eines Rohmaterials, zum Beispiel in einer Kobalt- oder Lithium-Mine, bekommt dann jede Ladung eine Art digitalen Ausweis. Darin stehen unter anderem die Identität derjenigen, die vor Ort Daten erheben, die Zusammensetzung des Materials und Details über den Minenbetreiber.

Bei jedem Schritt der Weiterverarbeitung bleiben diese Informationen an den resultierenden Produkten haften, bis sie schließlich beim Autohersteller ankommen. So könne die Geschichte eines Bauteils nicht mehr umgeschrieben werden, sollte sie unbequem sein, sagt Johnson-Poensgen. Was einmal in der Chain ist, bleibt in der Chain.

"Lieferketten-Betrug und falsche Behauptungen sind so alt wie die Menschheit", sagt Johnson-Poensgen. Und nennt ein aktuelles Beispiel: Ein Schweizer Handelsunternehmen erwartete mehrere Schiffsladungen Kupfer im Wert von 36 Millionen Dollar in China. Doch als sie eintrafen, befanden sich in den Containern nur bemalte Steine. Das Kupfer hatten offenbar organisierte Kriminelle in einem Hafen in der Türkei gestohlen.

Eine Schwierigkeit für Circulor sei, dass die Digitalisierung von Lieferketten bis zum Ursprung noch am Anfang ihrer Entwicklung stehe und die konkrete Umsetzung noch nicht weit verbreitet sei. Doch mit der wachsenden Nachfrage nach Elektroautos werde auch die Nachfrage nach Dienstleistungen wie der von Circulor weiter steigen. Johnson-Poensgen: "Denn wir alle wissen: Wenn wir uns nicht um die schmutzigsten Lieferketten kümmern, wird die Produktion von E-Autos die Klimakrise verschlimmern und nicht verbessern."

Bisher erschienen:

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