Herr Santel, Sie haben gerade das größte Investitionsprogramm in den Vertrieb angekündigt, dass es bei VW je gab. Wie viel investieren Sie?
Wir investieren einen substanziellen Betrag in dreistelliger Millionenhöhe. Es ist ein echtes Boost-Programm für unseren Handel. Damit wollen wir dem Handel noch einmal Rückenwind verleihen, um Maßstäbe beim Kundenerlebnis setzen zu können.
Und wie viel sind es genau?
Bitte haben sie Verständnis dafür, dass wir das nicht im Detail kommentieren können.
Ist ein solches Boot-Programm denn notwendig?
Der Automobilmarkt steht ja vor großen Veränderungen. Das Boost-Programm ist ein ganz klares Zeichen, dass wir gemeinsam mit dem Handel die Zukunft gestalten und auch den Handel fit machen für das digitale Zeitalter. Das bedeutet, dass wir unsere Vertriebskanäle weiter digitalisieren und das Online-Angebot ausweiten werden - und zwar gemeinsam mit dem Handel.
Wie viel davon wird direkt bei den Händlern ankommen? Die Rede ist ja von Aufwertung der Autohäuser und Showrooms.
Wir werden den Handel substanziell darin unterstützen, das New Brand Design in der Breite in seinen Handelshäusern Einzug halten zu lassen.
Das heißt, Sie verändern auch den Markenauftritt?
Wir haben ja schon 2019 zur IAA das New Brand Design mit der neuen Volkswagen-Marke vorgestellt. Das Design wurde von unseren Kunden sehr gut angenommen. Wir wollen diesen neuen Auftritt in den Autohäusern mit dem Programm noch einmal deutlich sichtbarer machen.
Wieso ist das nicht längst abgeschlossen?
Als wir 2020 mit dem Design-Roll-out anfingen, fiel das mit dem Beginn der Corona-Pandemie zusammen und hat eine Pause erfordert. Die Umsetzung gehen wir jetzt kraftvoll an und wollen das New Brand Design so in die Breite tragen. Denn die Autohäuser sind unser Gesicht zum Kunden.
Müssen die Händler einen Eigenanteil tragen?
Da wird immer ein Eigenanteil dabei sein.
Können sich das Ihre Händler denn derzeit leisten? Viele hätten sich wohl lieber eine zusätzliche Corona-Hilfe gewünscht. Schließlich leiden viele seit Monaten unter dem Dauerlockdown, der deutlich länger geht als viele gedacht hätten.
Wir stehen im regelmäßigen Austausch mit dem Händler-Verband, auch zu diesem Thema. Und nachdem, was ich von dort höre, haben wir im letzten Jahr sehr vieles richtig gemacht, um alle gemeinsam gut durch diese Krise zu kommen. Wir haben die Händler in der schwierigen Phase bestmöglich unterstützt, so dass wir gemeinsam trotz aller Herausforderungen ein wirklich ordentliches Ergebnis erzielt haben.
Haben Sie denn dieses Jahr noch einmal nachgelegt?
Wir haben da schon im vergangenen Jahr einen Flat Bonus eingeführt und die Kriterien, die sonst für den Bonus gelten, außer Kraft gesetzt. Damit haben wir dem Handel Planungssicherheit gegeben - und das ist sehr gut angekommen bei unseren Partnern. Sie konnten entscheiden, ob sie einen Flat Bonus nehmen oder bei variablen Bestandteilen bleiben. Ein Großteil der Händler hat den Flat Bonus gewählt. Diese Wahlmöglichkeit besteht auch in diesem Jahr.
Wie viele Ihrer Händler haben die Option denn gewählt?
In der Größenordnung von etwa 90 Prozent.
Ein wichtiger Teil des Boost-Programms ist Digitalisierung und Online-Vertrieb. Sie hatten bereits angekündigt, dass Sie im Sommer mit dem reinen Online-Vertrieb ihrer Elektro-Modelle beginnen, inklusive Abschluss im Internet. Wann genau geht es los?
Wir werden damit im Sommer starten - einen Termin für den konkreten Startschuss werden wir noch bekanntgeben.
Was haben die Händler davon, wenn die Autos von Ihnen direkt online verlauft werden?
Der Händler ist immer voll einbezogen. Kauft der Kunde sein Fahrzeug komplett online, dann gibt er gleichzeitig einen Händler seiner Wahl mit an. Der Händler erhält dann die gleiche Vergütung, als wenn der Kunde bei ihm im Autohaus vor Ort kaufen würde. Das ist im MEB-Agenturvertrag so festgelegt. Der Handel partizipiert in jedem Fall - egal wo der Kunde kauft.
Bisher gilt das nur für die Elektro-Modelle, die Sie ohnehin übers Agenturmodell vertreiben. Wollen Sie den Online-Vertrieb auch auf Verbrenner ausweiten?
Ja, wir werden das Online-System dem Handel auch als Plattform zur Verfügung stellen, sodass er Neu- und Gebrauchtwagen, die auf Lager sind, auch online vermarkten kann. Das ist dann aber reine Vermittlungsplattform, der Abschluss erfolgt über die Händler.
Also kein Direktvertrieb von Verbrennern durch Volkswagen?
Nein. Denn anders als im Agenturmodell sind die Fahrzeuge hier ja im Besitz der Händler. Daher erfolgt auch der Abschluss immer mit dem Händler.
Wann soll der Online-Vertriebe für Verbrenner starten?
Das soll noch in diesem Jahr losgehen. Dazu läuft ja schon ein Pilotprojekt mit mehreren Partnern. Und mit den bisherigen Erfahrungen sind wir sehr zufrieden – und die Pilotpartner auch. Wir sind daher zuversichtlich, dass wir das System bald erfolgreich ausrollen können.
Sie reden bei Ihrem Boost-Programm auch von einem Digitalisierungsschub im Handel. Das soll sicher über den reinen Online-Vertrieb hinausgehen. Was genau ist geplant?
Da geht es zum Beispiel um unser neues IT-System Thunder, mit dem wir die gesamte Vertriebsstrecke in einem neuen Verkäufer-Arbeitsplatz bündeln, online und offline zusammenführen. Das funktioniert heute schon mit den ID-Modellen. Das wollen wir jetzt sukzessive auf alle Produkte ausrollen. Und wir integrieren auch die neue Schnittstelle Nadin, die die bisherige Schnittstelle Nevada ersetzt. Für den Handel und den Kunden wird das bessere Betreuung und mehr Geschwindigkeit bringen.
Bisher arbeiten die verschiedenen Marken des Konzerns hier ja noch mit verschiedenen Schnittstellen, was es vor allem Mehrmarkenautohäusern schwer macht. Hat das bald ein Ende?
Ja. Nadin ist das System, der Volkswagen im gesamten Konzern nutzt. Seat zum Bespiel arbeitet damit bereits in Deutschland. Volkswagen, Audi und Volkswagen Nutzfahrzeuge aber noch mit Nevada. Bei den ID-Modellen sind wir schon auf Nadin umgestiegen, bei den anderen Produkten stellen wir jetzt sukzessive um.
Bis wann wollen Sie das abschließen?
Unser Boost-Programm ist ja auf drei Jahre angelegt. Unser Ziel ist es, die Umstellung und Konsolidierung innerhalb dieses Zeitraums abzuschließen.
Sie reden bei Ihrem Boost-Programm auch von besserer Ersatz-Mobilität für Kunden bei Service-Terminen. Also mehr Werkstattersatzwagen?
Nicht mehr, sondern andere. Die heutigen Werkstattersatzwagen sind ja in der Regel Verbrenner. Und wir haben zunehmend Kunden, die mit einem Elektrofahrzeug zum Service in die Werkstatt kommen - und die gern nur elektrisch fahren wollen. Unser Ziel ist es, dass der Kunde, der mit einem Elektrofahrzeug kommt, auch als Ersatzwagen ein Elektrofahrzeug angeboten bekommt. Hier wollen wir mit Zuschüssen den Handel unterstützen.
Die Einführung von ID.3 und ID.4 fiel ja mitten in die Corona-Krise. Wie hat die Schulung der Händler für die neuen Modell funktioniert?
Wir hatten vor der Pandemie ein stark gebuchtes Event in der Gläsernen Manufaktur in Dresden. Da haben wir komplette Betriebe mit allen Mitarbeitern eingeladen, damit sie die E-Mobilität von A bis Z kennenlernen können. Die Veranstaltung war komplett ausgebucht bis in die Corona-Zeit hinein, konnte dann aber leider nicht mehr in Präsenz fortgeführt werden. Wir haben dann eine Roadshow gemacht, sind mit dem Produkt direkt zum Handelsbetrieb gefahren - unter Einhaltung aller Corona-Hygieneregeln. Ergänzt haben wir das mit vielen digitalen Angeboten.
Werden Sie das so fortsetzen?
Ja, wir wollen weiter online schulen. Aber wir wissen auch, dass man nicht alles digital machen kann. Ein Auto ist ein emotionales Produkt, und wir müssen diese Emotionalität auch rüberbringen. Das geht nur, wenn sie selbst auch im Fahrzeug sitzen, es selbst fahren und beispielsweise das starke Drehmoment der Elektrofahrzeuge selbst erleben können. Das ist ja einfach ein tolles Fahrerlebnis. Darum werden wir auch wieder mehr Schulungen vor Ort anbieten.
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