VWs größte Batteriefabrik entsteht in Kanada

Dass die nächste VW-Batteriezellfabrik in Kanada entstehen soll, hatte Technikvorstand Thomas Schmall schon im März verkündet. Zur Größe des Projekts in St. Thomas hatte er sich damals noch schmallippig gezeigt. Den eigenen Bedarf in Nordamerika schätzte Schmall schon damals auf bis zu 100 Gigawattstunde (GWh). Doch, so beeilte er sich hinzuzufügen, das bedeute aber nicht, dass dies alles am neuen Standort befriedigt werden müsse.

Jetzt ist klar: Doch, genau diese Größenordnung peilt die VW-Batterietochter PowerCo am neuen Standort ganz in Süden der kanadischen Provinz Ontario an. Auf bis zu 90 GWh soll der Standort bis 2030 ausgebaut werden, mehr als doppelt so viel wie an den bisher in Europa geplanten Standorten Salzgitter und Valencia, die jeweils auf 40 GWh kommen sollen. 4,8 Milliarden Euro lässt sich der Konzern den Neubau am Erisee kosten. 3000 Arbeitsplätze neu entstehen.

"Nordamerika spielt eine Schlüsselrolle in unserer globalen Batteriestrategie", sagte Schmall, als er die Entscheidung zusammen mit Kanadas Premierminister Justin Trudeau verkündete. "Die Gigafactory St. Thomas öffnet die Tür zu einem Schlüsselmarkt für E-Mobilität und Batteriezellproduktion." Denn: "Unser Ziel ist es, PowerCo zu einem Global Player im Batteriegeschäft zu machen." Und "die Gigafabrik St. Thomas ist dabei ein wichtiger Meilenstein".

Der Ort werde dank der VW-Investition der größte E-Auto-Batterie-Standort in ganz Kanada, freute sich Trudeau. "Das ist ein Gewinn für die Arbeitnehmer, für die Gemeinschaft und für die Wirtschaft." Die Entscheidung, von VW, die erste Gigafactory außerhalb Europas in Kanada zu bauen, "spricht für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes", fügte sein Industrieminister François-Philippe Champagne hinzu. Für Ontario sei es sogar die größte Automobilinvestition aller Zeiten, sagte Provinzoberhaupt Doug Ford. Und fügte hinzu: "Willkommen im Team Ontario, Volkswagen!"

Auf ersten Bildern gleicht der geplante Standort dabei der bereits im Bau befindlichen ersten Gigafactory in Salzgitter. Nur, dass statt der zwei fingerartigen Fertigungsstrecken in St. Thomas gleich sechs davon in die Landschaft ragen. Die Ähnlichkeit hat ihren Grund: Um seine geplante Einheitszelle zu produzieren, die 2030 in 80 Prozent aller E-Autos des Konzerns verbaut werden soll, setzt PowerCo auf eine Standardfabrik, die an allen Standorten identisch hochgezogen werden soll. Salzgitter wird zur Blaupause für alle anderen Standorte, wird in Kanada nun aber gleich zweimal gespiegelt.

Anlaufen soll die Produktion in St. Thomas bereits 2027, zunächst noch in kleinerem Umfang. Die dort produzierten Zellen verbaut VW dann an seinen US-Standorten in Chattanooga, wo bereits der ID.4 montiert wird, und am neuen Scout-Werk in South Carolina, der ebenfalls 2027 in Betrieb geht. Eine Lieferung der Zellen nach Europa sei dagegen nicht geplant.

Die am Ende geplante Kapazität von 90 GWh soll laut VW für rund eine Million E-Autos pro Jahr reichen. Für VW ist es eine Wette auf die Zukunft. Denn eine Million Fahrzeuge wären mehr, als der Konzern zuletzt insgesamt in Nordamerika verkauft hat: 2022 wurden dort nur 842.600 Autos aller Konzernmarken ausgeliefert. Und mehr als 90 Prozent davon waren Verbrenner. Die Zahl der in den USA ausgelieferten E-Autos lag 2022 konzernweit bei nur 44.200. Bis 2030 muss sich diese Zahl nun mehr als verzwanzigfachen.

Konzernchef Blume hatte aber bereits angekündigt, den Marktanteil in den USA kräftig erhöhen zu wollen, um unabhängiger vom bisher dominierenden Markt China zu werden. Bis 2030 soll der Marktanteil in den USA von bisher vier auf zehn Prozent steigen. Und 55 Prozent der Neuwagen sollen dort dann voll elektrisch fahren.  Das entspräche dann den eine Million E-Autos, die sich mit Batteriezellen aus St. Thomas bestücken ließen.

150 Hektar umfasst das Gelände der Zellfabrik, so groß wie 210 Fußballfelder. Hinzu kommt ein Zulieferpark. Der Strom für die Zellproduktion soll zu 100 Prozent erneuerbaren Energie stammen.

Kanada unterstützt die Ansiedlung früheren Angaben zufolge mit kräftigen Subventionen. Die Entscheidung für den Standort in Nordamerika bedeute aber keine Abkehr von Europa, hatte Schmall bereits im März klargestellt. "Das heißt nicht, dass wir Investitionen in Europa streichen." Früheren Angaben zufolge will VW bis 2030 sechs Gigafactories in Europa mit zusammen 240 GWh Kapazität errichten. Nach Salzgitter und Valencia soll als Nächstes ein Standort in Osteuropa folgen, um den sich Tschechien, Polen und Ungarn bewerben.