"Ich war nie amtsmüde"

Seinen Abschied hätte Bernd Osterloh, der für seine markigen Worte und einpeitschende Auftritt bekannt ist, wohl lieber auf einer echten Betriebsversammlung verkündet. Doch wegen der Corona-Beschränkungen im Werk konnte er sich am Freitag nur per Brief von der Belegschaft verabschieden und seine Beweggründe erklären.

Ihm sei bewusst, dass die Entscheidung für viele überraschend komme, heißt es in dem Schreiben, das der Automobilwoche vorliegt. "Seit 2005 habe ich Eure Interessen als Vorsitzender im Gesamt- und Konzernbetriebsrat sowie als Präsident des Europäischen- und Weltkonzernbetriebsrats vertreten", schreibt Osterloh an die Mitarbeiter. "Jetzt höre ich in diesen Funktionen auf. Ich weiß, das überrascht."

Doch der Zeitpunkt für den Wechsel sei nun genau richtig. Denn immer wieder sehe man, dass Wechsel zu spät erfolgen und oft im Streit enden würden. "Für meine Staffelübergabe habe ich mir immer das Gegenteil gewünscht: rechtzeitig und nachhaltig."

Seine Zeit als oberster Arbeitnehmervertreter in Wolfsburg beschrieb Osterloh als herausfordernd. "Die vergangenen 16 Jahre an der Spitze der Arbeitnehmervertretung bei Volkswagen haben mir und meinen Kolleginnen und Kollegen alles abverlangt", so Osterloh. "Dabei war ich die ganze Zeit eigentlich immer im Krisenmodus: Übernahmeversuch durch Porsche, Kampf ums VW-Gesetz, Finanz- und Wirtschaftskrise, Dieselgate, Zukunftspakt, die Aufstellung unserer deutschen Standorte für die E-Mobilität, unsere Roadmap und zuletzt Corona." im Januar hatte sich Osterloh sogar selbst mit Corona infiziert und musste zwei Woche in Quarantäne. Symptome zeigte er aber nicht.

Das sei aber keineswegs der Grund für seinen Rückzug, betonte Osterloh. "Ich habe viel geopfert. Aber nein, ich habe nie gezweifelt, dass es das immer wert war", so Osterloh. "Bei all dem war ich nie amtsmüde. Auch nicht, als vor einigen Wochen für mich eine ganz wichtige persönliche Entscheidung anstand." Denn in den nächsten Wochen stehe die Aufstellung der Kandidaten für die Betriebsratswahlen im kommenden Jahr an. "Ich musste mich jetzt also endgültig entscheiden, ob ich noch einmal antrete."

Eine Rolle gespielt habe dabei auch das Angebot von Traton, dort Personalvorstand zu werden. "Darüber habe ich lange nachgedacht." Ähnliche Angebote habe er in den vergangene Jahren bereits mehrfach erhalten. "Gemacht habe ich es nie. Weil mein Platz an der Spitze der Belegschaft war. Das ist nun anders." Die neue Aufgabe bei Traton, die er bereits am 1. Mai antreten soll, reize ihn sehr. "Ich freue mich schon heute auf meinen Start in München."

Zugleich verlasse er Wolfsburg mit Wehmut. "Ein anderer Gang wird für mich viel schwerer: Ich verlasse heute mein Büro an der Südstraße im Werk Wolfsburg an meinem letzten Tag als Vorsitzender der Arbeitnehmervertretung." Nach genau 44 Jahren und elf Tagen am Standort, wie Osterloh vorrechnte. "Und natürlich werde ich einen Kloß im Hals haben."

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