Herr Aksel, nach vier Jahren gibt es wieder eine IZB in Wolfsburg. Was erwarten sie von der Messe?
Ich glaube, dass jeder in der Zulieferbranche froh ist, sich endlich wieder treffen zu können. Das spürt man ja auch bei anderen Veranstaltungen. Dieses Netzwerken, das persönliche Gespräch, ein Händeschütteln – gerade in unserer Branche, zwischen Einkäufer und Verkäufer, ist der Handschlag ja sehr, sehr wichtig. Und mit der IZB bringen wir rund 940 Aussteller aus 37 Ländern nach Wolfsburg. Das ist schon großartig.
Für sie ist es die erste IZB bei Volkswagen. Bei der vorigen Auflage 2018 waren sie noch bei BMW. Waren sie eigentlich schon einmal auf der IZB?
Nein, ich war in der Tat noch nie auf der IZB. Das ist jetzt meine erste, und ich freue mich ungemein darauf.
Welche Rolle spielt die Hausmesse denn für die Branche? Und für Volkswagen?
Eine sehr große, und heute wahrscheinlich noch mehr als früher. Eine solche Zulieferermesse gibt es ja sonst nirgends. Das hat schon Relevanz, gerade jetzt in der Transformation, wo sich das Verhältnis zwischen OEM und Zulieferer massiv verändert. Wir haben nicht mehr nur Lieferanten, die von der Autoindustrie abhängig sind. Bei Batterien, Halbleitern oder Software haben wir es jetzt mit Zulieferern zu tun, für die wir ein Kunde unter vielen sind. Das verändert die Beziehungen fundamental, da müssen wir alle umdenken.
Sie wollen auch im Einkauf insgesamt vieles anders machen als Ihre Vorgänger. Wie passt die IZB in Ihre neue Strategie?
Kern meiner Einkaufsphilosophie ist es , den Einkauf breiter und tiefer aufzustellen. Breiter heißt, ein aktiver Kostengestalter zu sein. Dabei werden wichtige Parameter gleich behandelt: Nachhaltigkeit, Zugang zu Innovation, Versorgungssicherheit. Zugleich müssen wir den Einkauf tiefer ausrichten, denn die Musik spielt heute in der n-Tier-Kette, nicht mehr allein beim First Tier Supplier, also den Firmen, die direkt an uns liefern. Für diese neue Zulieferer-Welt sind Messen wie die IZB besonders wichtig.
Seit Ihrem Amtsantritt 2020 hatten sie vor allem mit Problemen in der Lieferkette zu kämpfen. Erst Corona, dann Halbleiter, Kabelbäume und Lockdowns in China. Geht das so weiter?
Ich glaube, was wir in den vergangenen zwei Jahren in den Lieferketten erlebt haben, das ist das neue Normal. Und mit den neuen geopolitischen Themen wird das eher noch komplexer und herausfordernder. Die positive Nachricht ist: Wir sind bei Volkswagen darauf heute viel besser vorbereitet. Das hat die Ukraine-Task-Force gezeigt. Die hat wirklich super gearbeitet, so ähnlich müssen wir auch auf andere Probleme in der Lieferkette vorbereiten.
Welche Lehren ziehen Sie aus den Krisen?
Das Wichtigste ist, dass wir die Früherkennung verbessern. Dafür investieren wir gerade massiv in die Sensorik, um Engpässe wirklich frühzeitig erkennen zu können. Wir vernetzen uns beispielsweise über Catena-X mit unseren Lieferanten, und es laufen jetzt auch intern Programme, die ein besseres Risk Sensing ermöglichen. Damit wir in der Lieferkette quasi das Gras wachsen hören und so frühzeitig reagieren können.
Und dann auch mehr Teile auf Lager halten, um bei einem Engpass nicht sofort leerzulaufen?
Das gehört in jedem Fall auch dazu. Das gilt aber nicht für alle Materialien und Teile. Wir legen jetzt nicht 10.000 Achsen auf Lager, es geht dabei nur um die kritischen Komponenten.
Werden Sie auch mehr lokal einkaufen? Also kürzere Lieferwege, um bei den Herausforderungen im Schiffsverkehr nicht sofort abgeschnitten zu sein?
Ich glaube tatsächlich, dass wir künftig mehr regional einkaufen werden in unseren großen Märkten, also dort, wo wir auch Produktionswerke haben. Regional heißt in diesem Fall aber Europa, Nordamerika, Asien, Südamerika, nicht nur noch Zulieferer im Großraum Wolfsburg. Das mag im Einzelfall zu Ineffizienzen führen, am Ende wird es aber immer auf den Mix ankommen. Natürlich wird es immer Zulieferprodukte geben, bei denen Skalen extrem wichtig sind - Halbleiter zum Beispiel, die in großen Mengen und nur bedingt lokal oder regional beschafft werden können.
Sie waren bis vor kurzem sowohl Markenvorstand Beschaffung als auch Konzernvorstand für Einkauf. Jetzt sind Sie im Konzern nur noch in der Erweiterten Geschäftsleitung. Was ändert sich dadurch?
Operativ ändert sich kaum etwas. Ich bin weiter Markenvorstand bei Volkswagen Pkw, und ich bin in der Erweiterten Konzernleitung weiter- hin im Konzern für den Einkauf zu- ständig und verantwortlich. An den Inhalten und meiner Verantwortung hat sich also nichts geändert.
Also „Raider heißt jetzt Twix, sonst ändert sich nix“, wie es früher in der Werbung hieß?
Das haben Sie gesagt. Aber im Ernst: Ja, ich bin nicht mehr Mitglied des Organs Konzernvorstand. Aber man sollte sich als Person nie so wichtig nehmen. Wichtig ist, was man verantwortet. Und da fühle ich mich nach wie vor sehr wertgeschätzt, weil ich die Ideen, die ich zu Volkswagen bringe, auch weiterhin umsetzen kann.
Und daran ändert sich auch nach dem Wechsel an der Konzernspitze nichts?
Nein. Im Gegenteil: Wenn ich mir die zehn Top-Themen von Oliver Blume ansehe, dann müssen wir uns als Einkauf überall einbringen. Da braucht der Konzern den Ein- kauf mehr denn je. Zugleich hat Oliver Blume recht, dass wir uns verschlanken müssen. Und er baut ja weiter auf mich als Chief Purchasing Officer. Das Unternehmen hat Vorrang vor persönlichen Interessen. In meinem Verhältnis zu Oliver Blume ändert das überhaupt nichts. Wir arbeiten hervorragend zusammen. Er vertraut mir, ich vertraue ihm.
Im Konzernvorstand haben Sie Wert drauf gelegt, dass das Ressort nicht mehr Beschaffung heißt, sondern in Einkauf umbenannt wird. In der Marke blieb es dagegen bei dem alten Namen. Werden Sie das jetzt ändern?
Nein. Das Thema wird ohnehin überbewertet. Für mich ist es ehrlich gesagt auch nicht so wichtig, wie das Ressort am Ende heißt. Die Aufgaben sind die gleichen. In Zukunft heißen wir halt überall Beschaffung. Punkt. Und gut.
An Ihrer neuen Strategie arbeiten Sie seit zwei Jahren. Wie weit sind Sie inzwischen? Wie fällt Ihre Bilanz aus?
Mit unserer neu geschaffenen Einkaufsstrategie „North Star“ sind wir schon sehr weit. Die Ziele sind klar definiert, jetzt läuft die Umsetzung. Da wäre ich gern schon weiter, aber die Welt der Zulieferer ist seit zwei Jahren keine normale mehr. Das war für uns alle eine harte Zeit. Wir gehen jetzt aber mit Vollgas an die Umsetzung von „North Star“.
Welche Rolle spielen dabei die Zulieferer? Steigt deren Bedeutung?
Die Bedeutung der Zulieferer hat ja schon in den letzten Jahren enorm zugenommen und sie nimmt weiter zu. Gerade bei den neuen Technologien bauen wir auch auf die Zulieferer als Partner. Und ich meine wirklich Partner, die wir auch partnerschaftlich behandeln. Da kann ich nicht einfach sagen, wir mache eine Ausschreibung, holen drei Angebote ein und die kleinste Zahl gewinnt. Wir müssen uns wirklich auf den Partner einlassen, und der Zulieferer muss sich auf uns einlassen und auch an das Geschäftsmodell glauben. Nur dann funktioniert es.
Zugleich holen Sie immer mehr Kompetenzen ins eigene Haus, bauen eigene Batteriezellen, fertigen die Batteriemodule selbst, entwickeln bei Cariad Software. Ist das nicht ein Widerspruch?
Überhaupt nicht, das ergänzt sich hervorragend. Ein Automobilhersteller muss schon in den Kerntechnologien, die das Produkt der Zukunft bestimmen, eigene Kompetenzen aufbauen. Das waren in der Vergangenheit Motor und Karosseriebau, in Zukunft werden Batterie und Software dazugehören. Da wollen wir zumindest eine Kernkompetenz haben. Das heißt nicht, dass wir alles zu 100 Prozent selbst machen, auch hier brauchen wir Partner. Aber wir werden hier nie auf eine reine Kauflösung gehen.
Volkswagen stellt aber auch Teile selbst her, die nicht zwingend zur Kerntechnologie gehören. Werden Ihre eigenen Komponenten, wenn solche Teile ausgeschrieben wer den, bevorzugt?
Wir haben da einen ganz klaren Make-or-Buy-Prozess. Da legen wir sehr früh strategisch fest, ob wir ein Teil selbst machen wollen oder zukaufen. 90 Prozent der Fälle sind dann geklärt. Und bei den restlichen zehn Prozent spielen dann drei Faktoren eine Rolle: die strategische Bedeutung, die Kosten und die personalpolitische Situation. Das ist immer eine Abwägung. Da kann es tatsächlich sein, dass wir eine Komponente im Haus fertigen, auch wenn sie keine so hohe strategische Bedeutung hat, aber Arbeitsplätze sichert. Wir haben eine hohe Verantwortung für unsere Belegschaft.
Beim Zukunftsmodell Trinity, das laut den Planungen im Jahr 2026 in Wolfsburg anlaufen soll, machen Sie sogar Workshops mit Zulieferern, bei denen diese schon in der Entwicklung eigene Ideen einbringen sollen. Was ist dabei bisher schon alles herausgekommen? Können Sie schon ein paar Beispiele nennen?
Der Start des Projekts Trinity ist noch zu weit weg, als dass ich da jetzt schon etwas preisgeben könnte. Ich kann Ihnen aber versprechen, dass es da ein paar Features geben wird, über die man mächtig staunen wird.