Italiens Regierung enttäuscht von Fiat

Der riesige Gebäudekomplex im Turiner Stadtteil Lingotto war bei der Eröffnung 1923 die fortschrittlichste Autofabrik der Welt. Genau 100 Jahre später präsentierte Fiat auf dem Dach des Bauwerks mit der berühmten Teststrecke den elektrischen 600 und den neuen Topolino.

Doch die Gegenwart in Italien ist trist. Der Topolino wird in ­Marokko produziert, der Fiat 600 in Polen. Geworben wird allerdings mit italienischem Lebensgefühl. Allein in Turin fertigten einst bis zu 70.000 Beschäftigte 1,5 Millionen Autos im Jahr. 2022 wurden in ganz Italien nur noch 473.000 Autos produziert. Das ist Platz sieben in Europa. Dabei lieferte sich Italien einst mit Deutschland ein Wettrennen um den Spitzenplatz.

Die Rechts-Regierung in Rom unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat sich nun vor allem auf Fiat-Eigner Stellantis wegen der geringen Investitionen ein­ge­schossen. Der 14-Marken-Konzern kontert. „Stellantis produziert nur da, wo wir wirtschaftlich wettbewerbsfähig sind“, sagt CEO Carlos Tavares.

Bei einem Krisentreffen zwischen ihm und Adolfo Urso, ­Minister für Unternehmen und ­„Made in Italy“, wurde nun vereinbart, dass eine Arbeitsgruppe Vorschläge erarbeiten soll, wie die Produktion wieder auf jährlich ­eine Million Autos erhöht werden kann. Tavares stellte außerdem in Aussicht, in Italien ein fünftes Modell auf Basis der neuen Elek­tro-Plattform für Mittelklasse­autos zu produzieren – wohl ein Jeep. Doch konkrete Zusagen machte er nicht. Das gilt auch für die im süditalienischen Termoli geplante Batteriefabrik. Außerdem sollen 100 Millionen Euro für einen neuen grünen Campus in Turin investiert werden.

Rom fühlt sich im französisch dominierten Stellantis-Konzern, zu dem die italienischen Marken Fiat, Lancia, Alfa Romeo und Maserati gehören, benachteiligt. Der Branchenverband Anfia fürchtet den Verlust weiterer 70.000 der noch 268.000 Arbeitsplätze in der Branche. Unter CEO Sergio Marchionne hatte Fiat einst Investi­tionen in die Elektromobilität verschlafen. Die Produktivität ­stagniert seit Jahrzehnten. Neue Auto­werke entstanden nur außerhalb Italiens. Nur dank der Übernahme von Jeep und Ram und deren Gewinnen konnte sich Fiat Chrysler 2021 in die Fusion mit PSA Peugeot Citroën retten.

Es gibt gleichwohl Positiv­beispiele im Land. Es läuft für den Bremsenhersteller Brembo, den Reifenproduzenten Pirelli, die Audi-Töchter Lamborghini und Italdesign sowie Ferrari. Doch Italien hat zu wenig leistungs­fähige Zulieferer, die die Trans­formation stemmen können. Nun plant Rom neue Milliardenhilfen. Ex-Regierungschef Mario Draghi hatte 2021 noch acht Milliarden Euro in Form von Kaufanreizen und Hilfen für Unternehmen bis 2030 angekündigt. Meloni will nun nachschärfen und ein neues Programm präsentieren.

Aus dem Datencenter:

Batteriezellen-Werke von Stellantis 2022